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■ Der CDU-Außenpolitiker Karl Lamers fordert „besondere Beziehungen“ der Bundesrepublik zur TürkeiGehört sie nun zu Europa oder nicht?

Eins ist immerhin erfreulich: Die größere Regierungspartei hat festgestellt, daß der Status quo im Verhältnis der Bundesrepublik zur Türkei unhaltbar ist und auch die Beziehungen der Türkei zur Europäischen Union neu definiert werden müssen.

Der außenpolitische Sprecher der Union, Karl Lamers, hat dazu gestern einen ersten Anlauf gemacht und dabei zumindest die Probleme benannt. Der Krieg in den kurdischen Bergen und die Menschenrechtssituation in der Türkei, so Lamers, bleiben nicht ohne Auswirkungen in Deutschland, wo mehr als zwei Millionen Türken und Kurden leben. Die dadurch geschaffenen Auseinandersetzungen müssen politisch in der Türkei gelöst werden – schon deshalb kann Bonn das Vorgehen der türkischen Armee auf Dauer nicht einfach ignorieren. Auf der anderen Seite können deutsche Regierungsstellen in Ankara nicht glaubwürdig über Menschenrechtsverletzungen klagen, solange die schlechte rechtliche Situation türkischer Migranten nicht verbessert wird und die Bundesregierung nicht entschiedener gegen rassistische Übergriffe im eigenen Haus vorgeht.

Die Muslime in der Bundesrepublik, das hat Lamers erkannt, sind auch eine Chance, neue Formen des Zusammenlebens in einem laizistischen Land zu entwickeln – vorausgesetzt, jene werden nicht diskriminiert. Lamers hat diesen Zusammenhang benannt und angekündigt, die CDU werde nun – Innen- und Außenpolitiker gemeinsam – neue Vorschläge entwickeln.

Tatsächlich geht es aber weniger darum, ganz neue Ideen zu entwickeln, als vielmehr die Innenpolitiker der Union endlich dazu zu bringen, den lange bekannten und vorliegenden Vorschlägen zur Integration der türkischen EinwanderInnen zuzustimmen. Daß mit einer Kinderstaatsbürgerschaft, wie sie im Koalitionsprogramm noch als große Errungenschaft verkauft wurde, nichts gewonnen ist, scheint sich ja langsam, aber sicher auch in der CDU herumzusprechen. Dem Defizit in der Innenpolitik entspricht aber ein gleich schwerwiegendes außenpolitisches Versäumnis. Die Europäische Union – und die Bundesrepublik darin an führender Stelle – hat es fertiggebracht, in der Türkei völlige Unklarheit darüber zu schaffen, ob das Land eine Chance zu einem Beitritt hat oder nicht. Die feierlichen Versprechen stehen in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Politik, das weiß man sowohl in Brüssel als auch in Ankara. Die Heuchelei nutzt aber nur den islamischen Fundamentalisten. Selbst ein klares Nein wäre besser als die derzeitige Schaukelpolitik. Nur wenn darüber Klarheit besteht, kann das deutsche und europäische Verhältnis zur Türkei auf eine produktive Basis gestellt werden. Jürgen Gottschlich

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