Der Bürgermeistersturz von Burg

■ Wie stürze ich einen Bürgermeister: Erst einen, dann zwei, dann keinen mehr/ Die Demokratie und ihre bürokratischen Spielregeln/ Das Prozedere sieht Zweidrittel-Mehrheit aller Abgeordneten vor

Burg (taz) — Opposition — das ist etwas für alte Seilschaften, wir treten gemeinsam zum Regieren an. Die Einigkeit zwischen CDU, SPD und Neuem Forum war nach den Kommunalwahlen in Burg beeindruckend groß. Sie schickten die PDS allein auf die harte Oppositionsbank und schmiedeten eine selten bunte Große Koalition. Und die wählten den CDU-Mann Gerhard Ritz zu ihrem Bürgermeister. Der wußte sein neues Amt zu nutzen und kungelte mit dem ebenfalls christdemokratischen Landrat Wolfgang März einige Grundstücksgeschäfte aus, die sich später als handfester Immobilienskandal in der Lokalpresse niederschlugen.

Als Ritz auch noch begann, alle Abteilungsleiter und Dezernenten der Kreisstadt bei Magdeburg zu feuern, die nicht das Parteibuch der CDU sondern nur das ihrer Koalitionspartner in der Tasche hatten, platzte dem rotgrünen Teil der Großen Koalition der Kragen. Flugs setzten sie eine Sondersitzung der Stadtverordnetenversammlung an. Einziger Tagesordnungspunkt: Abwahl des Bürgermeisters, Wahl eines Nachfolgers. So stand es in der Einladung. Und weil es so deutlich formuliert war, wurde den CDU-Mitgliedern im Stadtparlament doch etwas mulmig zumute. Mit sichtbarem Handaufheben einem Parteifreund über die Klinge springen lassen, das wollten die Christdemokraten dann doch nicht tun. Sie fällten in ihrer Fraktionssitzung einen salomonischen Beschluß und blieben während der Sondersitzung zu Hause. SPD, Neues Forum, und PDS vollzogen derweil, was das Stadtparlament sich vorgenommen hatte und was inhaltlich auch die Christdemokraten mittrugen.

Demokratie ist eben auch für die Stadtabgeordneten von Burg noch ziemliches Neuland. Sonst hätten sie gewußt, daß zum Sturz eines Bürgermeisters immer zwei Drittel aller Abgeordneten notwendig sind. Die Sozis und die Alternativen waren aber ebenso wie die zu Hause gebliebenen Christdemokraten der festen Überzeugung, daß die Zweidrittel- Mehrheit der anwesenden Abgeordneten ausreichend ist. Aber — verfluchte Demokratie mit ihren bürokratischen Bestimmungen — diese Annahme war eben falsch. Der Nachfolger von Ritz war damit zwar gewählt, aber der Sturz des ungeliebten Stadtoberhauptes selbst war nicht rechtskräftig. „Da hatten wir plötzlich zwei Bürgermeister“, stöhnt ein Ratsherr.

Die beiden konkurrierenden Inhaber der Bürgermeisterkette zeigten ein Einsehen und traten einträchtig zurück. Der eine, der seine Wahl nun nicht mehr als rechtmäßig ansah, der andere, weil er vielleicht einsah, daß er selbst unter seinen Parteifreunden von der CDU keine Hausmacht mehr hatte. Eben noch einen Bürgermeister zuviel, hatte Burg plötzlich gar keinen mehr. Zur Zeit schwingt der stellvertretende Bürgermeister von den Sozis das Stadtzepter. Am 10. April wird mit der Wahl eines neuen Stadtoberhauptes das Kapitel hoffentlich beendet sein. „Wir haben wirklich Wichtigeres zu tun, als uns mit einem Bürgermeister zuviel oder zuwenig herumzuschlagen“, sagt ein Abgeordneter. Die Bürger von Burg sehen das eigentlich schon seit Wochen so. Eberhard Löblich