■ Der Berliner Bundessenator Peter Radunski warnt seine Partei – die CDU – vor zu viel Selbstgefälligkeit: „Rechts ist die Niederlage“
Der Berliner Bundessenator Peter Radunski fordert vom CDU- Parteitag in Düsseldorf klare Worte – nicht nur zur Finanzierung der deutschen Einheit. Radunski amtierte von 1981 bis 1991 als Bundesgeschäftsführer und gilt vielen als der bisher erfolgreichste Wahlkampfmanager der CDU.
taz: Herr Radunski, begrüßen Sie die Absicht Ihrer Parteiführung, auf dem Parteitag nun doch einen Antrag für Steuererhöhungen vorzulegen?
Peter Radunski: Ich würde es sehr begrüßen, wenn das Ergebnis des Parteitags Klarheit über die Finanzierung der deutschen Einheit mit sich bringen würde. Die CDU hat in ihrer wirtschafts- und finanzpolitischen Kompetenz gelitten, weil sie diese Fragen zu lange offengelassen hat.
Alle zwei Tage neue Vorschläge zur Finanzierung – damit soll Schluß sein?
Der Parteitag könnte eine Regelung treffen, wie die Linie der Partei ist. Meiner Ansicht nach kommt man da um Steuererhöhungen nicht herum.
Hatte die Parteiführung sich verkalkuliert, als sie das Thema Europa in den Mittelpunkt des Parteitags stellen wollte?
Die Parteiführung hat zu Recht zunächst Europa ins Zentrum gestellt. Noch vor kurzem haben wir uns über Maastricht ja noch alle sehr aufgeregt.
Die ostdeutschen Landesverbände kritisieren, daß auf dem Parteitag ein ganzer Tag für Europa, aber nur ein halber für das Thema „Aufbau Ost“ zur Verfügung stehe – noch dazu am letzten Tag. Teilen Sie diese Kritik?
Nein. Ich hatte ja selbst schon öfter solch eine Parteitagsregie mit vorzubereiten. Es war auf unseren Parteitagen schon sehr oft so, daß der letzte halbe Tag ein Tag wichtiger Beschlüsse und Entscheidungen wurde. Da hat in der CDU schon manche politische Revolution stattgefunden. Ein ernstes und wichtiges Thema in drei Stunden zu behandeln, das ist ausreichend.
Läßt sich in dem Unmut über das Gewicht des Europathemas auch ein Indiz für eine Renationalisierung in Ihrer Partei sehen? Überlagern die eigenen deutschen Probleme vieles andere, zum Beispiel Maastricht?
Ich glaube, daß diese Themen zusammenhängen. Der Parteitag würde eine große politische Leistung vollbringen, wenn er deutlich macht, daß die Entwicklung Europas und die Einigung Deutschlands eng zusammenhängen. Beides muß gelingen.
Was kann der Parteitag zu Maastricht überhaupt Neues bringen? Alles, was der Bundesregierung dazu bisher eingefallen ist, ist eine stärkere Betonung des Prinzips der Subsidiarität – ohne daß jemand sagen konnte, was daraus konkret folgen kann.
Der Parteitag wird sich damit beschäftigen, die Forderung nach mehr Rechten für das Europaparlament voranzutreiben. Aus der europäischen Politik muß eine parlamentarisierte Politik werden. Wenn sich der Parteitag mit Europa befaßt, darf er übrigens nicht nur Richtung Maastricht blicken, sondern auch auf die mittel- und osteuropäischen Staaten. Sonst sprechen wir nicht das ganze Europa an, das wir wollen.
Der Berliner CDU-Chef und Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen hat seine Kandidatur für einen Sitz im Bundespräsidium zurückgezogen, auch zugunsten der anderen ostdeutschen Kandidaten. Unterstützt die Berliner CDU auch die Kandidatur des sächsischen Innenministers Heinz Eggert?
Ich bin sicher, daß die Berliner Delegierten alle Kandidaten aus dem Osten bevorzugt wählen werden, auch Herrn Eggert.
Hat Herr Eggert überhaupt Chancen, als Vizevorsitzender gewählt zu werden – angesichts der Tatsache, daß die mitgliederstarken westdeutschen Landesverbände bereits Absprachen getroffen haben, gegenseitig ihre jeweiligen Kandidaten zu unterstützen?
Man blickt zu Recht auf die Kandidatur von Eggert. Sie wird etwas über das allgemeine Bewußtsein des Parteitags aussagen. Es geht um die Frage, ob man über die alten Mechanismen der Absprachen hinausgehen kann oder nicht.
Sie würden es als Fortschritt sehen, wenn Absprachen im Vorfeld weniger Einfluß gewinnen können?
Sie sind insofern schon relativiert, als man sich heute offensichtlich trotz dieser Absprachen trauen kann, für solch ein hohes Amt zu kandidieren.
Es gibt andere Stimmen, die in dem größeren Einfluß der Ostdeutschen und durch neue Themenstellungen im Gefolge der Einheit die Zeit der CDU-Modernisierer als abgelaufen sehen. Teilen Sie, der immer als einer der Modernisierer galt, diese Befürchtung?
Nein, das sehe ich überhaupt nicht. Modernisierung ist kein statischer, sondern ein Dauerprozeß. Mit den Veränderungen 1989 haben wir einen politischen Paradigmenwechsel und damit einen Themenwechsel in der deutschen Politik erlebt, der fast total ist. Es gibt sowohl für Europa wie für die deutsche Einheit, wie für das Thema der sozialen Marktwirtschaft, nicht zu vergessen für unsere weltpolitische Verantwortung, solch völlig neue Ansätze, daß es wirklich Zeit wird, daß sich die CDU diesen Fragen stellt.
Was heißt dann Modernisierung heute noch?
Zunächst einmal heißt es die Bereitschaft, radikal in Frage zu stellen, ob die früheren Rezepte noch gelten. Die CDU macht sich etwas vor, wenn sie glaubt, daß sie schon die politischen Programme und Rezepte für die Gegenwart gefunden hat.
In Ihrer Partei bilden sich zunehmend neue konservative Zirkel. Bringt das Ihre Partei voran?
Die CDU hat immer und völlig zu Recht konservative Kreise angesprochen. Dies war nie ein Gegensatz dazu, auch eine moderne Partei zu sein. Jede Partei, gerade als Volkspartei, hat Verantwortung für ihre Wähler, für ihre eigenen Mitglieder – und sie muß ihnen behutsam, aber auch beständig, den Anschluß an die Entwicklung der jeweiligen Zeiten bringen.
Ist da die Organisation konservativer Zirkel, wie sie in Baden- Württemberg um den dortigen Finanzminister Gerhard Mayer- Vorfelder entstehen, eine Hilfe?
Das ist kein Weg. Es scheint zur Zeit der allgemeine politische Zustand der politischen Diskussion zu sein, daß sich jeder in seinen Kreis flüchtet. Dabei verlieren wir das Ganze aus den Augen und nehmen in der deutschen politischen Entwicklung nicht die Veränderungen wahr, die wir lösen müssen.
CSU-Chef Theo Waigel meint, die nächsten Bundestagswahlen würden rechts von der Mitte entschieden. Stimmen Sie zu?
Nein. Der Weg nach rechts ist für die CDU der Weg in die Niederlage. Interview: Hans-Martin Tillack
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