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■ Der Aufbau Ost wird um 2,8 Milliarden Mark gekürztGutes Timing

Die Analyse des Wahldesasters fiel eindeutig aus. Schuld ist die Regierungspolitik, heißt es unisono bei den Sozialdemokraten im Osten. Gern berufen sie sich auf Vermittlungsprobleme und darauf, dass es zum Sparen keine Alternative gibt.

Gerade beginnen Ostdeutschlands Sozis, sich mit derlei Erklärungen die Wahlwunden zu kühlen, da tritt ihnen Berlin schon wieder vors Schienbein. Pünktlich nach den Landtagswahlen ließ Gerhard Schröders Chefsachenverwalter, der Staatsminister Rolf Schwanitz, die Katze aus dem Sack: Die Bundesregierung wird nächstes Jahr 2,75 Milliarden Mark weniger für den Aufbau Ost bereitstellen als 1999. Über den schlechten Stil – oder das perfekte Timing – muss man gar nicht reden. Warum sollte Schröder auch mehr Stil haben als sein Vorgänger? Reden muss man über die Einzelheiten des Streichplans. Wer bei der Wirtschafts- und Arbeitsmarktförderung fast zwei Milliarden Mark sparen will, schichtet Haushaltslöcher nur um. Das gleiche Geld geht dann nämlich als Arbeitslosenhilfe wieder drauf. Sicherlich: Auch dem Osten ist klar, dass er zum Sparpaket beitragen muss. Soll das Paket aber den Haushalt konsolidieren, müssen Gelder, die die ohnehin schwache Ostproduktion fördern, tabu sein.

So weit scheint das den Sozialdemokraten zwischen Fichtelberg und Rügen klar zu sein. Vor der Wahl feierten sie gern das Plus gegenüber Kohl, das ihre Regierung in den Haushalt einstellte. Unklar ist, wie sie die von Schwanitz erklärten Spardaten vermitteln wollen. Unklar ist jetzt auch, wie sie Schwanitz selbst als starken Fürsprecher des Ostens verkaufen können. Ein neues Vermittlungsproblem.

Bislang glänzte Schröders Ost-Aufbau-Mann entweder durch Blässe oder als Überbringer von Hiobsbotschaften. Für die guten Nachrichten war der Kanzler selbst zuständig, eine Hildebrandtsche Art, auf den Tisch zu hauen, ist Schwanitz fremd. Rücktritt, schreit deshalb die sich betrogen fühlende sozialdemokratische Ostprovinz. Und hat auch gleich eine Alternative parat: Regine Hildebrandt, arbeitslos gewordene Sozialministerin in Brandenburg.

Gemach, Genossen! Schwanitz ist aus Sicht des Kanzlers geradezu die Idealbesetzung. Nicht Schwanitz leistete gestern seinen politischen Offenbarungseid, sondern Schröder selbst. In Zeiten bröckelnder Macht ist klar, dass die Chefsache nicht Aufbau Ost, sondern nur Machterhalt heißen kann. Schröders Taktik ist deshalb verständlich: Schließlich sind die nächsten Landtagswahlen im Westen. Nick Reimer

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