Der Asse-Salzstock: Das heimliche Endlager
Asse II diente der Atomindustrie als Nachweis, Atomabfälle angeblich sicher entsorgen zu können, und als Grund für die Genehmigung neuer AKWs. Das wirft Fragen zu Gorleben auf.
![](https://taz.de/picture/359358/14/Asse.jpg)
Das einsturzgefährdete Atommülllager Asse II hat der Energiewirtschaft offenbar bis in die 1980er-Jahre hinein als Entsorgungsnachweis für radioaktiven Müll gedient. Das geht aus den Antworten des Bundesumweltministeriums auf eine Anfrage der bündnisgrünen Bundestagsfraktion hervor, die der taz vorliegt. Demnach galt das Bergwerk im niedersächsischen Remlingen intern als "Versuchsanlage für Gorleben", dem bis in die 90er-Jahre favorisierten deutschen Atommüllendlager.
Für den Betrieb eines Atomkraftwerks ist ein sogenannter Entsorgungsnachweis erforderlich: Der Gesetzgeber wollte sich damit frühzeitig vergewissern, dass die anfallenden strahlenden Abfälle sicher entsorgt werden können. Dass sie ausgerechnet die destabilisierte Asse als Entsorgungsnachweis für zehntausende Jahre akzeptierten, zeigt, wie vertrauensvoll gegenüber den Antragstellern die Genehmigungbehörden bis in die 80er-Jahre hinein agierten. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), das seit Jahresanfang Herr über das marode Salzbergwerk ist, kann heute nicht ausschließen, dass bei einem Abriss des Deckengebirges durch "entstehenden Druckaufbau die Verschlüsse der Kammer durchlässig und Radioaktivität freigesetzt werden könnte". Auch hält es ein Herabstürzen des Salzfirstes nicht für unmöglich. Sollte das passieren, könnte Radioaktivität unter Umständen auch nach oben in die höheren Stockwerke des Bergwerks entweichen.
Offiziell wurde die Asse früher als reine Forschungsanlage deklariert. In den 1970er-Jahren habe es in den Genehmigungsunterlagen für das AKW Krümmel bei Hamburg jedoch geheißen, die Kapazitäten des Bergwerks als Endlager reichten bis weit über das Jahr 2000, schreibt das Bundesumweltministerium. In Dokumenten zum AKW Biblis werde darauf hingewiesen, dass in der Asse auch "hochaktive Materialien für Jahrhunderte gelagert werden" könnten. Damit wurde das Versuchslager zum Genehmigungsgrund. Auch geht aus der Anfrage hervor, dass 37 Prozent der im Asse-Salzstock gelagerten Atomabfälle aus der Industrie stammen. Die vier Stromkonzerne EnBW, Eon, Vattenfall und RWE weigern sich, für einen Teil der 2,5 Milliarden Euro teuren Sanierung zu zahlen. Begründung: Dort lagerten vor allem Abfälle aus öffentlichen Forschungseinrichtungen.
"Die Asse war der Entsorgungsnachweis für die AKW-Betreiber. Sie haben 70 Prozent des heutigen radioaktiven Potenzials in dem Salzstock entsorgt", sagt die grüne Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl, die die Anfrage gestellt hatte. "Heute wollen sie nichts damit zu tun gehabt haben und sich an den Kosten nicht beteiligen. Das ist völlig unakzeptabel." Durch die Antwort der Bundesregierung, so Kotting-Uhl, seien Behauptungen von CDU und SPD widerlegt, es gebe keine Verbindung der Asse zum Salzstock Gorleben.
Nach einem Bericht des in Bremen erscheinenden Weser Kuriers gibt es noch mehr Verbindungen zwischen Asse und Gorleben: Wie in Asse sickert offenbar auch in den Salzstock im niedersächsischen Gorleben Lauge ein. Das BfS und das dortige Umweltministerium bestätigten, dass in den Höhlen Salzlösung gefunden wurde. Diese komme aber nicht von außen, sondern sei natürlichen Ursprungs.
Der Umweltausschuss des Niedersächsischen Landtags hat genaue Auskünfte über die Flüssigkeiten im Gorlebener Salzstock angefordert. Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel forderte zu klären, wie sie sich auf die Gesteinsformationen im Salzstock auswirke. Wenzel: "So hat es in der Asse auch angefangen."
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