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Der Asse-SalzstockDas heimliche Endlager

Asse II diente der Atomindustrie als Nachweis, Atomabfälle angeblich sicher entsorgen zu können, und als Grund für die Genehmigung neuer AKWs. Das wirft Fragen zu Gorleben auf.

Ein Mitarbeiter der Schachtanlage Asse, wo schwach- und mittelradioaktiver Müll gelagert wird, nimmt am 28.01.2009 in Kammer 3 eine Probe von eindringendem Wasser aus dem Deckgebirge. Täglich werden in dem Bergwerk etwa zehn Kubikmeter Wasser aufgef Bild: dpa

Das einsturzgefährdete Atommülllager Asse II hat der Energiewirtschaft offenbar bis in die 1980er-Jahre hinein als Entsorgungsnachweis für radioaktiven Müll gedient. Das geht aus den Antworten des Bundesumweltministeriums auf eine Anfrage der bündnisgrünen Bundestagsfraktion hervor, die der taz vorliegt. Demnach galt das Bergwerk im niedersächsischen Remlingen intern als "Versuchsanlage für Gorleben", dem bis in die 90er-Jahre favorisierten deutschen Atommüllendlager.

Für den Betrieb eines Atomkraftwerks ist ein sogenannter Entsorgungsnachweis erforderlich: Der Gesetzgeber wollte sich damit frühzeitig vergewissern, dass die anfallenden strahlenden Abfälle sicher entsorgt werden können. Dass sie ausgerechnet die destabilisierte Asse als Entsorgungsnachweis für zehntausende Jahre akzeptierten, zeigt, wie vertrauensvoll gegenüber den Antragstellern die Genehmigungbehörden bis in die 80er-Jahre hinein agierten. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), das seit Jahresanfang Herr über das marode Salzbergwerk ist, kann heute nicht ausschließen, dass bei einem Abriss des Deckengebirges durch "entstehenden Druckaufbau die Verschlüsse der Kammer durchlässig und Radioaktivität freigesetzt werden könnte". Auch hält es ein Herabstürzen des Salzfirstes nicht für unmöglich. Sollte das passieren, könnte Radioaktivität unter Umständen auch nach oben in die höheren Stockwerke des Bergwerks entweichen.

Offiziell wurde die Asse früher als reine Forschungsanlage deklariert. In den 1970er-Jahren habe es in den Genehmigungsunterlagen für das AKW Krümmel bei Hamburg jedoch geheißen, die Kapazitäten des Bergwerks als Endlager reichten bis weit über das Jahr 2000, schreibt das Bundesumweltministerium. In Dokumenten zum AKW Biblis werde darauf hingewiesen, dass in der Asse auch "hochaktive Materialien für Jahrhunderte gelagert werden" könnten. Damit wurde das Versuchslager zum Genehmigungsgrund. Auch geht aus der Anfrage hervor, dass 37 Prozent der im Asse-Salzstock gelagerten Atomabfälle aus der Industrie stammen. Die vier Stromkonzerne EnBW, Eon, Vattenfall und RWE weigern sich, für einen Teil der 2,5 Milliarden Euro teuren Sanierung zu zahlen. Begründung: Dort lagerten vor allem Abfälle aus öffentlichen Forschungseinrichtungen.

"Die Asse war der Entsorgungsnachweis für die AKW-Betreiber. Sie haben 70 Prozent des heutigen radioaktiven Potenzials in dem Salzstock entsorgt", sagt die grüne Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl, die die Anfrage gestellt hatte. "Heute wollen sie nichts damit zu tun gehabt haben und sich an den Kosten nicht beteiligen. Das ist völlig unakzeptabel." Durch die Antwort der Bundesregierung, so Kotting-Uhl, seien Behauptungen von CDU und SPD widerlegt, es gebe keine Verbindung der Asse zum Salzstock Gorleben.

Nach einem Bericht des in Bremen erscheinenden Weser Kuriers gibt es noch mehr Verbindungen zwischen Asse und Gorleben: Wie in Asse sickert offenbar auch in den Salzstock im niedersächsischen Gorleben Lauge ein. Das BfS und das dortige Umweltministerium bestätigten, dass in den Höhlen Salzlösung gefunden wurde. Diese komme aber nicht von außen, sondern sei natürlichen Ursprungs.

Der Umweltausschuss des Niedersächsischen Landtags hat genaue Auskünfte über die Flüssigkeiten im Gorlebener Salzstock angefordert. Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel forderte zu klären, wie sie sich auf die Gesteinsformationen im Salzstock auswirke. Wenzel: "So hat es in der Asse auch angefangen."

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6 Kommentare

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  • R
    Radioaktivman

    Dazu gibt es eine Petition im Bundestag.

    Die Mitzeichnungsfrist läuft am 28.03.09 aus!

     

    Text der Petition:

    Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass die Kosten für die Atommüllentsorgung, ausschließlich von den Verursachern, zu tragen sind.

  • Z
    Zarathustra

    Das ist nicht nur ein Armutszeugnis für alle beteiligten Verantwortlichen, es zeigt auch wie "sorgfältig" mit gefährlichen Stoffen umgegangen wird. Offenbar ist kein Opfer zu hoch um die eigenen Interessen durchzusetzen.

     

    Bedenkt man wieviel radioaktiver und auch anderer gefährlicher Müll tagtäglich mit eben jener "Sorgfalt" gehandhabt wird, kann einem Angst und Bange werden.

     

    Beängstigend ist auch wie entgegen aller Bedenken und Warnungen, die ja schon in den 1970ern von einem Ingenieur erhoben wurden, einfach weiter gemacht wurde.

     

    Das deutet darauf hin das man sämtliche Folgen einer Kontamination in Kauf genommen hat, koste es was es wolle.

     

    Daran kann man erkennen wie viel die Bevölkerung diesen Leuten wert ist - gar nichts.

  • L
    lupe

    Das fiel mir dabei ein:

    Was ist aus dem Strahlenmesser geworden, der nach dem vorigen Atommülltransport nach Gorleben verschwunden war.

    Umweltverbandsvertreter hatten vermutet, der Mann sei aus dem Verkehr gezogen worden, weil er womöglich eine zu hohe Strahlendosis abbekam.

    Hallo taz, bitte nachfragen!

  • AK
    Alexandra Kollontaijewa

    Sylvia Kotting-Uhl hat völlig Recht. Überhaupt produziert unsere industrielle Gesellschaft viel zu viel problematischen Müll. Atommüll ist davon eine Spitze, zumal er längst überflüssig sein könnte, wenn endlich die Fehler der Vergangenheit der Energiepolitik, die auch mit der Rüstungspolitik engstens verflochten waren, eingesehen würden und endlich viel mehr auf Geothermie und andere regenerative Energie umgestiegen würde.

     

    Die Leute könnten den Druck einfach sehr erhöhen, wenn sie 'in Massen' zu sauberen ÖkostromanbieterInnen wechseln würden, z.B. der Greenpeace Energy Genossenschaft. Diese hätten dann genug Kapital, um EE Technoloie enorm auszubauen.

  • AR
    A.S. Reyntjes

    Mit dem Griffel der Verzweiflung:

     

    Der für blöde, depri gehaltene und als Weichei gehandelte Hiob (daselbst 19,23f) hat schon die entscheidenden Befunde und Befugnisse für grabkammerähnliche Körper- und Geisteszustände bei (angeblichen) Ewigkeitsgrabungen niedergeschrieben:

     

    "Ach, dass meine Reden aufgezeichnet würden! Ach, dass sie geschrieben würden als bleibende Inschrift mit einem eisernen Griffel in die Salzwände aller Zeiten geschrieben, zu ewigem Gedächtnis in die brüchigen, vom Wasser des Lebens gezeichneten Felsen gehauen!"

  • V
    vic

    Wer wollte, konnte über die verdeckte Schweinerei schon lange Bescheid wissen. Aber den deutschen, braven Staatsbürger interessiert "so was" erst, wenn sein Stammtisch-Bier im Dunkel leuchtet.