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Der 4.Deutsche Aids-Kongreß geht heute in Wiesbaden zu EndeKein Durchbruch bei der Aids-Bekämpfung

■ Die Stimmung war eher resignativ: Die Forschung kommt kaum vorwärts. Und obwohl es immer mehr HIV-Infizierte und Aids-Kranke gibt...

Kein Durchbruch bei der Aids-Bekämpfung Die Stimmung war eher resignativ: Die Forschung kommt kaum vorwärts. Und obwohl es immer mehr HIV-Infizierte und Aids-Kranke gibt, werden den Projekten die Mittel gekürzt.

Angst vor Aids: Fußballer duschen nur noch einzeln!“ „Autoknacker klauten Aids-Viren!“ Wen können solche Schlagzeilen (der 'Bild-Zeitung‘) schon kaltlassen? Die Hamburger Soziologin Vera Heitbrede trug im Rahmen des Schwerpunktthemas „Aids und Medien“ auf dem 4.Deutschen Aids- Kongreß die Ergebnisse ihrer Auswertung von vier Massenprintmedien — 'Bild‘, 'Stern‘, 'Quick‘ und 'Spiegel‘ — in Sachen Aids-Berichterstattung vor. Nach der Sichtung von Tausenden von Aids-Artikeln kam sie zu dem für die Wissenschaftler im Auditorium unerwarteten Schluß, daß die Medien über Jahre hinweg „grob“ den aktuellen Debattenstand bei den Aids-Experten wiedergespiegelt hätten. Steht also hinter jedem Sensationsreporter ein Sensationswissenschaftler?

Mit dieser provokativen These jedenfalls lockte die Direktorin des Aids-Forschungszentrums an den Frankfurter Unikliniken, Helga Rübsamen-Waigmann, die Aids-Experten im Publikum aus der professoralen Reserve. Und der auf dem Podium sitzende Moderator von Gesundheitsmagazin Praxis, Hans Mohl (ZDF), heizte die Stimmung noch zusätzlich an: Der „ökonomische Druck“, der auf vielen Wissenschaftlern laste, verleite zum vorschnellen Gang an die Presse. Und der Journalismus lebe im Gegenzug von den „News“ — gerade beim publikumswirksamen Thema Aids.

„Wenn ich ein Fernsehteam in mein Labor lasse, kann ich den Tag doch abhaken“, meinte dagegen ein Aids-Forscher aus Norddeutschland. Und am nächsten Tag reibe er sich dann fassungslos die Augen, wenn das „Feature“ der TV-Leute über den Bildschirm flimmere: „Das hat dann in aller Regel fast nichts mehr mit dem zu tun, was wir als message rüberbringen wollten.“ Er jedenfalls sei „aus Erfahrung klug geworden“: „Medienvertreter raus aus den Forschungseinrichtungen und Kliniken!“ Da brandete Beifall auf. Daß insbesondere die Boulevardblätter in der Vergangenheit mit dem Thema Aids „Schindluder getrieben“ und bei der Recherche jede Sorgfaltspflicht hätten vermissen lassen, war beim Publikum schon nach dem einleitenden Vortrag von Vera Heitbrede Konsens. Und deshalb hatte die Ex-'Bild‘-Reporterin und heutige Chefredakteurin von 'Super!‘, Eva Kohlrusch, einen schweren Stand. Kohlrusch: „Sie können mich hier doch nicht für die ganze Branche in Haftung nehmen!“ Wer die Massen erreichen wolle, der müsse die Menschen eben bei ihren Gefühlen packen. Mit einer dreiwöchigen Serie zu Aids habe 'Bild‘ in den späten 80er Jahren mit einem „Schock- und Aufklärungskonzept“ Millionen erreicht — „und die Auflage stieg mit der Serie sprunghaft an“. Daß dabei auch „Falschmeldungen“ in die Welt gesetzt worden seien, liege an dem Druck, dem auch Journalisten tagtäglich ausgesetzt seien. Vorwürfe an die Adresse der Medien erhob auch Hans-Peter Hauschild von der Deutschen Aids-Hilfe in Berlin. Oft würden die Betroffenen nur als „kranke Objekte“ dargestellt. Ärgerlich sei die Therapieberichterstattung in fast allen Medien: „Da wurden mit sogenannten Erfolgsmeldungen zeitweise alle drei Tage bei Infizierten und Kranken neue Hoffungen geweckt und gleich danach wieder zerstört.“

Das Fazit der Wissenschaftler und Journalisten auf dem Podium nach knapp drei Stunden Debatte: Die Medien sollten nur AutorInnen über das Thema Aids berichten lassen, die mit der gesamten Problematik vertraut sind und den aktuellen Stand der Diskussion wiederspiegeln können. Und die Experten in den Kliniken und Laboratorien sollten im Gegenzug nur dann mit „News“ an die Öffentlichkeit gehen, wenn tatsächlich gesicherte neue Erkenntnisse konstatiert werden könnten.

Die Grundstimmung auf dem 4.Deutschen Aids-Kongreß war eher resignativ. „Das Jahr 1991 hat keinen Durchbruch bei der Behandlung der HIV-Krankheit gebracht“, stellte selbst die Pharmaindustrie fest, die mit Informationsständen vertreten war. Auf dem Symposium „Impfstoffe gegen Aids“ erklärte Gerhard Hunsmann von der Medizinischen Hochschule Hannover zwar, daß die bisherigen Tierversuche zu der Hoffnung berechtigten, daß „wirksame Impfstoffe“ hergestellt werden könnten. Doch ob Vakzine, die an Tiermodellen wirksam sind, tatsächlich auch Menschen schützen oder zumindest den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen, könne nur mit Versuchen an Menschen herausgefunden werden. In den USA würden zur Zeit an bereits HIV-Infizierten zehn Impfstoffversuche durchgeführt. Und die bislang publizierten Ergebnisse belegten eine positive Wirkung. Hunsmann: „Leider sind entsprechende Präparate bisher in Tiermodellen nur unvollständig auf ihre präventive Wirksamkeit geprüft worden.“

Resignativ ist die Stimmung auf dem Aids-Kongreß auch deshalb, weil in der Bundesrepublik zahlreiche Modellversuche Ende 1991 ausgelaufen sind und deshalb nicht mehr aus Bundesmitteln finanziert werden. Das hat zu heftigen Protesten vor allem der Selbsthilfegruppen geführt. Act up mahnte die Bundesgesundheitsministerin mit einem „Die In“: „Frau Hasselfeldt, ihre Ignoranz fordert täglich Menschenleben.“ Auf dem Symposium „Betreuung HIV-Infizierter“ wies eine Vertreterin der Bundesregierung die Vorwürfe zurück. Zuständig für die Finanzierung der diversen Modelle seien generell die Bundesländer und die Kommunen. Die Bundesregierung hat jedoch versäumt, mit den Ländern die Anschlußfinanzierung der Projekte zu regeln.

Zur Sprache kam auch ein bislang kaum beachtetes Randthema, Aids und Datenschutz. Frau Hahne-Brunecke von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen legte offen, daß zur Zeit noch „jeder Krankenkassenangestellte“ mit einem Blick auf die Abrechungsunterlagen der Arzthonorare feststellen könne, bei welchen Patienten zumindest der Verdacht bestehe, daß sie Virusträger sind, weil der sogenannte Aids-Test eine eindeutige Abrechnungsnummer habe: „Eine unerträgliche Situation.“ Damit breche der Arzt indirekt seine Schweigepflicht, und das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient werde nachhaltig gestört. Wohl auch deshalb, so Hahne-Brunecke, sinke die Bereitschaft zum Test. Sie machte noch auf ein weiteres datenschutzrechtliches und juristisch-moralisches Problem aufmerksam: „Darf ein Arzt eine HIV- Infektion Dritten — etwa dem Lebenspartner — mitteilen?“ Wenn ein Arzt den Eindruck gewinne, daß ein HIV-Infizierter seinen Lebenspartner nicht informiert, müsse er die Schweigepflicht brechen. Bei Unterlassung mache er sich strafbar. Hahne-Brunecke: „Schließlich geht es dann um Delikte wie Körperverletzung und versuchte Tötung.“ Klaus-Peter Klingelschmitt,

Wiesbaden

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