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KOMMENTAREDeprimierende Melange

■ Der Abgang von Alfred Gomolka bedeutet für die Union hohes Risiko

Halbzeit beim Schweriner Affentanz. Gomolka geht. Der Abgang war programmiert, spätestens seit der Ministerpräsident vor laufender Kamera die „Wurzel des Übels“ bei sich selbst zu suchen begann. Derart selbstkritisches Raisonnement ist im politischen Geschäft allemal tödlich. Angenehm unprofessionell zeigte Gomolka, wie man es nicht macht. Das wirkt, verglichen mit den Steherqualitäten eines Günter Krause, fast schon sympathisch. Doch ein Qualifikationsnachweis läßt sich daraus schwerlich konstruieren. Gomolka kippt wegen politischen Unvermögens und weil am Ende zu viele, die es auch nicht besser können, ihn weghaben wollten.

Die politischen Differenzen, mit denen der Wechsel jetzt begründet wird, sind vorgeschoben. Ein Erfolgsrezept des Nachfolgers ist nicht in Sicht. Die Werftenkrise jedenfalls war eher passender Anlaß als Ursache für das Revirement. Wenn Gomolka gehen muß, wäre auch die gesamte CDU-Fraktion fällig, die beim Krisenmanagement der letzten Wochen nahezu täglich die Positionen wechselte. Daß der Personentausch für die Zukunftsperspektiven des krisengeschüttelten Landes positive Folgen haben wird, dafür jedenfalls lassen sich gute Argumente kaum finden.

Um so heilloser wirkt das Schweriner Fallenstellen der letzten Wochen. Über Intrigen stürzt man auch im Westen. Auch da werden persönliche Animositäten und wendige Karriereplanung zuungunsten Dritter im Erfolgsfall mit sachlich-politischen Gründen geadelt. Doch so schonungslos offen wie Gomolka wird einer von den eigenen Parteifreunden auch im Westen eher selten abgehalftert. Angesichts der deprimierenden Melange aus politischem Mittelmaß, persönlichem Ehrgeiz und Skrupellosigkeit wirkt die lokalpatriotische Ankündigung, der Nachfolger werde kein Westimport sein, alles andere als beruhigend. Denn daß die ungestörte Entfaltung der landespolitischen Elite für Mecklenburg wie für die politische Kultur in den neuen Ländern stilbildend werden könnte, ist eine mehr als triste Perspektive.

Doch die hauchdünne Koalitionsmehrheit im Schweriner Landtag gibt Anlaß zur Hoffnung, die gelungene Intrige gegen Gomolka werde sich für die Profiteure am Ende doch noch als Pyrrhussieg erweisen. Nachdem die Dinge erst mal ins Rutschen gekommen sind und zudem nicht absehbar ist, wie die Existenzkrise des Landes auch nur abgefedert werden könnte, wird die Mehrheit von nur einer Stimme für ein stabiles Weiter-so kaum ausreichen. Die Forderung der SPD nach Neuwahlen hat keine schlechten Erfolgsaussichten. Ganz anders die CDU. Die Vorstellung einer ersten ungeschminkten Einheitsbilanz im Osten Deutschlands löst bei ihr — nicht nur in Mecklenburg — blankes Entsetzen aus. Denn auf dem Spiel stünde mit der Regierungsmacht in Schwerin zugleich der Nimbus der CDU als dominanter politischer Kraft im Osten. Am Ende macht der Affentanz an der Küste doch noch Sinn. Matthias Geis

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