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„Den natürlichen Ton hören“

■ Neu im taz-Culture-Club: Ed Kröger spielt seit 25 Jahren Jazz in und um Bremen

Er gehört zu den Altvorderen der Bremer Jazzszene, aber neben Beckerhof, Busch und Wendel ist Ed Kröger der ruhigste, unauffälligste. Bei Gerken tritt er ein paarmal im Jahr mit seiner Gruppe „Trombone Jazz“ auf, ansonsten merken fast nur die Nachbarn, die ihn üben hören, etwas davon, daß da einer im Viertel wohnt und arbeitet. Einer, dessen Leben von Swing und Blue Notes bestimmt ist, seit er als kleiner Pöcks von Cuxhaven nach Bremerhaven getrampt ist, um dort in den Clubs der US-Soldaten Jazz zu hören und irgendwann einmal auch mitzuspielen. Ed Kröger im Gespräch mit Wilfried Hippen.

Ed Kröger: Angefangen haben wir alle damals mit Dixieland. Das hatte aber nichts mit dem Hauruckdixie von heute zu tun, sondern das hat wahnsinnig geswingt. Und wir integrierten viele Elemente des modernen Jazz. 1965 bin ich dann festes Mitglied im „Harald Eckstein Sextett“ geworden und nach Bremen gezogen. Damals haben wir alle zusammen im Schnoor gewohnt. Unser Club war die Lila Eule. Da traten wir regelmäßig zweimal die Woche auf und spielten Hardbop, „Soul Jazz“ oder was damals

„Funk“ hieß. Das war Jazz zum Tanzen, bei dem man hautnah beim Publikum war und ein direktes Feedback bekam. So intensiv wie dort ist das später nie wieder gewesen.

Mit dem Sextett hatten wir dann auch außerhalb von Bremen Erfolg. Wir sind sogar in den USA und Kanada aufgetreten. Da lernte ich den Saxophonisten Marion Brown kennen, der dann später mit mir, Siggi Busch und Heinrich Hock in Bremen spielte.

taz: Der spielte aber doch eher Freejazz, und damit haben Sie ja nichts zu tun.

Zu der Zeit war alles im Aufbruch, der Dutschke erzählte in der Eule von der Revolution, und wir spielten freier und probierten viel aus. Aber ich merkte bald, daß mir diese brutale, melodisch ungefügte Spielweise keinen Spaß machte; meine Musik sollte feste Themen haben, harmonisch sein und der Rhythmus mußte swingen.

Diesem Stil sind Sie dann ja auch treu geblieben.

Ich bin eher ein Bewahrer und spiele Mainstream, aufbauend auf der Tradition des modernen Jazz. Mein Ehrgeiz ist es immer noch, Balladen gut zu spielen. Das ist das Schwierigste über

haupt und die Essenz des Jazz.

Es ist nicht immer einfach, damit Jobs zu kriegen, weil die Leute lieber etwas Spektakuläres haben wollen. Aber man muß die Musik machen, bei der man sich wohlfühlt. Nur so kann man mit wirklicher Überzeugung und Intensität musizieren. Wenn es keinen Club wie etwa jetzt das Gerken gibt und du mit Gastronomen arbeiten mußt, sagen die halt manchmal, mit der Musik machen wir keinen Umsatz, da muß was geändert werden.

Aber Sie sind doch jetzt nicht mehr auf Auftritte in Bremen angewiesen?

Nein. Ich unterrichte als Lehrbeauftragter an der Hochschule in Hannover, da fahr‘ ich zweimal in der Woche hin, außerdem mache ich noch Seminare und Workshops. Fast alle Jazzmusiker in Deutschland unterrichten, weil das Spielen alleine nicht genug einbringt. Die Lehrtätigkeit ist mein Standbein und die Auftritte sind das Spielbein.

Bremen als Standort ist da nicht mehr so wichtig. Die Mitspieler in meiner festen Gruppe „Trombone Jazz“ wohnen zum Beispiel alle in anderen Städten. Etwa viermal im Jahr treffen wir uns, üben und machen eine kleine Tour

mit fünf bis zehn Auftritten.

Es ist eine Gratwanderung, mit dieser Musik zu überleben, auch wenn ich durch den Unterricht finanziell abgesichert bin. Wer sich nicht weiterentwickelt, keine Gruppe am laufen hat, nicht mehr öffentlich spielt und Stücke schreibt, rostet schnell ein. Und das merken auch deine Schüler sofort. Neue Impulse sind wichtig. Ich hatte zum Beispiel das Glück, vor einiger Zeit den amerikanischen Saxophonisten Lew Tabakin auf seiner Europatour zu begleiten.

Wer kommt heute ins Gerken, um Sie spielen zu hören?

Es gab Durststrecken - die Rockzeit war am schlimmsten. Heute geht es wieder langsam aufwärts. Ich hab‘ natürlich auch viele Stammkunden, die von Anfang an bei mir mitgehört haben, aber jetzt kommen auch erstaunlich viele junge Leute zu uns. Das ist vielleicht eine Gegenreaktion zu dieser synthetischen Musikberieselung, der man kaum entkommen kann. Und da sagt keiner, ihr spielt ja uraltes Zeug. Wir kommen jetzt sogar ohne Verstärker aus, so daß man den natürlichen Ton der Instrumente hört. Am besten ist es, wenn man sein Horn auspackt, losspielt und fertig!

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