Den Teufel tun : Kommentar von CHRISTOPH SCHURIAN
Nicht alle Energieriesen argumentieren so schlicht wie der scheidende RWE-Boss. Harry Roels sieht das mit der Braunkohle ganz simpel: Die Araber hätten ihr Erdöl, die Russen das Gas und NRW könne noch auf hunderte von Jahren Braunkohle ausbeuten. Ist es nun dumm, zynisch oder gefährlich, so auf den ineffizienten, landschaftsfressenden und klimafeindlichen Kohlendioxid-Speicher zu setzen? Es ist ein wenig von allem, aber vor allem ist es geschäftstüchtig.
Denn so lange die großen Vier der deutschen Energiewirtschaft ihren Kohle- (und Atom-) Strom gut verkaufen können, weil nicht einmal ein Prozent der Kunden auf sauberere Energie umsteigt, werden RWE, EnBW, Eon und Vattenfall den Teufel tun, sich von der Kohleverstromung abzuwenden. Und mit den Investitionen in den Kraftwerkspark, den zwölf neuen Schloten in NRW, soll das Geschäft jetzt auf Jahrzehnte festgeschrieben werden.
Während sich an den Standorten eine Protestbewegung formiert, gibt es bei RWE und Co. nur Veränderungen im Subtext: Sie erfinden neuerdings für ihre Kraftwerke Wortneuheiten wie die „CO2-Abscheidung“. Und sie phantasieren von hohen Wirkungsgraden – freilich ohne zu garantieren, dass alle Alt-Kraftwerke wirklich abgeschaltet werden. Aber immerhin können selbst die Energieriesen die Zusammenhänge zwischen CO2-Emission und Erderwärmung nicht mehr leugnen. Wenigstens beginnen sie indirekt damit, die Verantwortung für mehr als 40 Prozent der bundesdeutschen CO2-Emissionen zu übernehmen. Und auch der bei RWE verbreitete Wunderglaube an unterirdische Treibgasblasen ist ein Zeichen von Schwäche. Leider reicht das nicht.
Glaubt man den Klimaforschern, traut man ihren Daten, die eine rasante Zunahme des Gases in der Atmosphäre messen, weist der Technikfetischismus in eine grandiose Sackgasse. Denn wer jetzt Kohlekraftwerke baut, die irgendwann klimaneutral sein könnten, handelt wie jemand, der aus dem Flugzeug springt, um dann nachzudenken, wie er es überleben wird. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Stromkonzerne so fahrlässig unterwegs sind: Die Atomwirtschaft basiert auf dem gleichen Prinzip – auf Kosten nachfolgender Generationen wird jetzt Profit gemacht. Aber die Atomkraftfrage weist zugleich einen Ausweg.
Gegen die Nuklearbetriebe wehrte sich anfangs auch nur eine kleine Protestbewegung. Bei den Kohlekraftwerken ist das genauso: In Lünen oder Krefeld haben sich jetzt Bürgerbündnisse gegen neue Brennwerke gebildet. In Stadträten wird endlich über Klimaverantwortung gestritten. Der Haken? Bis der Atomausstieg Großkonsens und Regierungslinie wurde, dauerte es Jahrzehnte. Angesichts der Erderwärmung bleibt den Klimarettern kaum so viel Zeit.