Den „Eulen-Spiegel“ vom Eulenspygel

■ Udo Pollmer gibt Infodienst zu Gesundheits- und Ernährungsfragen heraus

Im Wilden Westen wurde der Cowboy immer dann erschossen, wenn er „zuviel wußte“. Gott sei Dank lebt Udo Pollmer im Badischen. Der Mann weiß nicht nur viel, sondern (fast) alles. Zu Hause in Germersheim türmt sich tonnenweise Material rund um seinen Schreibtisch, dazwischen sitzt der 41jährige Lebensmittelchemiker und telefoniert. Pollmer weiß nicht nur viel, er sagt auch viel. Wer mit ihm spricht, muß höllisch aufpassen und – will er denn zu Wort kommen – jede Chance nutzen, um in eine der nur Sekundenbruchteile dauernden Sprechpausen zu dringen.

In Deutschland ist Pollmer ein hochwillkommener Störenfried. Im bunten Sammelsurium der kaum noch übersehbaren Ratgeber-Epidemie rund um die Gefahren der Butterstulle, um heilige Cholesterin-Werte und tägliche Ballaststoff-Kommandos sind seine Zwischenrufe die Prise Cayenne im Eintopf, die Stimme der Restvernunft.

Pollmer legt sich gern an. Geht es um die Ernährungsindustrie, und darum geht es eigentlich immer, wittert er schnell mafiose Strukturen und teilt kräftig aus. Immer für eine Überraschung gut, ist es sein größter Spaß, Leute zu verblüffen. Wer weiß schon, daß beim stundenlangen Köcheln von Tomatensoße in geringen Mengen Opiate entstehen, daß auch im Getreidekorn Spuren von Rauschmitteln stecken und beides zusammen (Spaghetti mit Tomatensoße) möglicherweise deshalb so unwiderstehlich ist?

Bisher hat Pollmer seine Kommentare rund um den gedeckten Tisch vor allem in seiner „Natur“- Kolumne veröffentlicht, in Büchern („Prost Mahlzeit“), Talk- Shows und Interviews verbreitet. Jetzt hat er gemeinsam mit Ulrike Gonder, der früheren Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, und dem Internisten Peter Porz einen Informationsdienst gegründet: „Eulen- Spiegel“. Sechs- bis achtmal im Jahr erscheint er als Publikation des ebenfalls neugegründeten „Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften“ (Eule). Wissenschaftlicher Leiter: Udo Pollmer.

Für das zwölfseitige Info-Blatt werten Pollmer und Mitstreiter 130 internationale Fachzeitschriften und wöchentlich 2.000 Abstracts von Studien und Forschungsarbeiten aus. Die interessantesten Nachrichten werden für die Leser aufbereitet. Damit, meint er ganz unbescheiden, gebe es endlich „einen von der Industrie unabhängigen, nichtideologischen Informationsdienst, der sauber mit Ernährungsinformationen umgeht“. Was zu diesem Thema hierzulande sonst angeboten wird, findet Pollmer „unter jeder Zimmertemperatur“. Als Beleg liest er in gewohnter Überschallgeschwindigkeit aus einem neuen Pamphlet vor, das „wieder mal hochgradig neurotisches Zeug“ verbreitet: „Faschingszeit – Katerzeit ... trinken Sie nicht auf nüchternen Magen ... empfiehlt sich vorher eine fettreiche Mahlzeit“.

Solchem Unfug will die „Eule“ frischen Wind entgegenblasen: ungewöhnliche Infos aus neuer Sichtweise. Zielgruppe sind nicht vorrangig der gemeine Endverbraucher, sondern Mediziner, Ernährungsberater, Food-Journalisten, Köche, Hersteller, aber auch engagierte Esser. Jedes Heft hat ein Schwerpunktthema (Rinderwahnsinn, Backmittel, Antioxidantien), auf den übrigen Seiten stehen kurze Artikel zu Gesundheits- und Ernährungsfragen. Themen: Doping mit der Zeitgeistbrause „Red Bull“, die antibiotische Wirkung von Kaffee, der Betrug mit angeblich kaltgepreßten Ölen, Kochen mit Infrarotlicht, Weizenkeime gegen Entzündungen der Bauchspeicheldrüse, die Existenz eines „Übergewicht-Gens“ usw. Die Artikel sind eher sachlich-wissenschaftlich geschrieben, nur im Editorial läuft der Meister zu gewohnter Form auf.

Nachteil des Infodienstes: Er ist bei kleiner Auflage teuer. 150 Mark kostet die Mitgliedschaft bei „Eule“, die Infos gibt's dann gratis.