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Demonstrantin von Polizei unbeeindrucktNasenbeinbruch nicht legitim

Das Verfahren gegen eine Hamburgerin wegen falscher Verdächtigung wurde eingestellt. Sie hatte einen Polizisten angezeigt, der ihr bei einer Demo das Nasenbein brach.

Wer Jakob Papst* mit dem Tonfa am Ohr verletzte, ist angeblich nicht zu ermitteln. Bild: Marily Stroux

HAMBURG taz | Eine klare Ansage von Hamburgs Amtsrichter Carsten Engler in Richtung der Staatsanwältin: "Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir dieses Verfahren ohne Urteil beenden können", sagte er am Dienstag, nachdem er eine Stunde lang die Schilderungen von Sabine Klein* gehört hatte. Ein Berliner Polizist hatte der 32-Jährigen bei einer Demonstration gegen den Terrorparagrafen 129a im Dezember 2007 in Hamburg das Nasenbein gebrochen. Sie hatte deswegen Anzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft hatte mit einer Gegenanzeige wegen falscher Verdächtigung gekontert.

Die Demonstration mit tausenden Menschen war damals mehrfach von Festnahmeeinheiten wegen Bagatellen gestoppt worden. "Wir standen da und warteten, dass es weitergeht", berichtete Klein. Plötzlich habe es Unruhe hinter ihr gegeben, als sie sich umgedreht habe, habe ihr ein Polizist "grundlos einen Faustschlag auf die Nase" versetzt. "Ich war sofort völlig blutverschmiert und schockiert", sagte Klein. Dann sei sie von Polizisten abgeführt worden, die Arme so weit nach hinten hochgezogen, dass sie in entwürdigender Haltung vornüber gebeugt gehen musste.

Bei derselben Demonstration bekam auch Jakob Papst* einen Schlag mit einem Kampfstock vom Typ Tonfa an den Kopf, der ihm das halbe Ohr abriss. Der Täter, ebenfalls ein Berliner Polizist, verschwand in der Kollegen-Menge und konnte angeblich bis heute nicht ermittelt werden.

Im Fall von Sabine Klein hatte der groß gewachsene Polizist später behauptet, dass er ihr den Schlag versetzen musste, weil die 1,60 Meter große Frau ihre Freundin aus den Fängen von zwei uniformierten Hünen befreien wollte. "Ich hab nichts gemacht", sagte Klein.

Dennoch glaubte die Staatsanwaltschaft der Polizei und stellte das Verfahren gegen den Schläger ein. Obendrauf bekam Klein eine Anklage wegen falscher Verdächtigung, da sie gegen den Beamten Strafantrag wegen Körperverletzung gestellt hatte. Schließlich sei der Faustschlag berechtigt gewesen, so die Anklage, da sich Klein einer versuchten Gefangenenbefreiung schuldig gemacht habe.

Eigentlich wollten die 32-Jährige und ihr Anwalt Marc Meyer den Sachverhalt durch Zeugen in Gänze aufrollen und auch den Faustschlag im Prozess zum Gegenstand machen.

Doch dann überzeugte Richter Engler die Prozessparteien, "das skurrile und eigentümliche Verfahren" nicht durch drei Instanzen fortzuführen. Denn selbst wenn der Polizist berechtigt geschlagen hätte, wäre zu prüfen, ob nicht für Klein bei der Gemengelage ein straffreier Verbotsirrtum vorgelegen habe. "Es wird so oder so nicht notwendig zu einer Bestrafung kommen", sagte Engler. Das Verfahren wurde ohne Schuldeingeständnis auf Staatskosten eingestellt - inklusive Kleins Anwaltskosten.

*Namen geändert

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18 Kommentare

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  • S
    sub

    mit diesen gegenanzeigen soll nie gerechtigkeit erreicht werden, sondern demonstranten eingeschüchtert werden.

    damit man das nächste mal gar nicht erst wieder anzeige erstattet, weil man sich sonst bloß wieder eine gegenanzeige leisten würde.

    wiederliche praxis, aber dahinter steckt system.

  • LM
    links mainstream rechts

    Naja, Polizisten eben. Warum geht denn jemand in den mittleren Polizeidienst? Viele Polizisten sind einfach feige Schläger. Das ist ja auch genau so vom Staat gewollt. Immer schön draufhauen, wenn es nicht in den politischen Mainstream passt.

  • KU
    kleiner Unflat

    Ach so jetz versteh ich endlich das Gewaltmonopol =)

  • V
    vantast

    Wen wundert es dann, daß die Gewalt gegen Polizisten gerade von Jugendlichen zunimmt? Die Kumpanei von Staatsanwaltschaft und Polizisten ist ein Grund hierfür, und auch, daß die Polizei immer noch der Knüppel des Staates ist, wie zu Bismarcks Zeiten.

  • J
    Jonathan

    Dass die Polizei bei Demonstrationen unterbesetzt ist glaube ich nicht. Da kommen oft 2000 Polizisten auf 1000 Demonstranten. Der Bericht schildert ein Muster, dass ich bei Demonstrationen seit Jahren beobachte. Einzelne Polizisten schlagen Leute brutal zusammen. Namen von den Polizisten sind nicht zu bekommen. Im schlimmsten Fall wird man selbst Opfer von Übergriffen. Wenn es gut läuft wird man an den Einsatzleiter verwiesen, der dann meist nicht auffindbar ist. Wenn man im Nachhinein Anzeige erstattet folgt ein Gegenanzeige. Die Kollegen decken die Schläger. Zudem sind sie meist nicht identifizierbar da man sie hinter der Uniform kaum erkennen kann und gut untertauchen können. Einige besonders berüchtigte Einheiten sind vermummt. Von staatlicher Seite ist das wohl gewollt, sonst würde man eine Kennzeichnungspflicht und eine unabhängige Ermittlungsbehörde einführen.

     

    Wenn Fälle von Misshandlungen verurteilt werden, passiert das oft nur wenn ein Polizist das Schweigen bricht. Davor habe ich großen Respekt. Das polizeiinterne Mobbing verhindert nicht nur die Kariere. Es kann Menschen zugrunde richten.

  • P
    Paulaner

    @Paul

     

    Ach, der Polizist war einfach nur überfordert? Mußte er sich deswegen eine kleinere Frau aussuchen? Was heißt meinst du eigentlich mit "unterbesetzt"?

    Beust/Schill hat den "überforderten" Polizeiapparat doch nach seiner Wahl überhaupt aufgestockt. Sind das also immer noch zu wenig. Oder sind die Demoteilnehmer in Hamburg immer aggressiver als andererorts? Komisch, habe ich so nicht erlebt. Dafür gab es auf fast jeder harmlosen klein Demo Ärger mit betont unfreundlichen Polizisten.

     

    Zu deiner Frage: Gewalt gegen Gewaltlose ist immer eine Schande. Nur bei den Neonazis kann man von echter "Gewaltlosigkeit" kaum sprechen. Bei den Nazis ist sowohl Theorie als auch Praxis an Gewalt und Terror gekoppelt. Gewalt gehört für sie quasi zum Parteiprogramm.

    Auf den Demos sind sie nur "friedlich", weil ihre nicht weniger gewaltbereite Partei Randale als schlechte PR ansieht. Aber nach der Demo ist es was anderes, wenn enthemmte Nazischläger Gegendemonstranten auflauern.

  • PP
    Paul Panther

    Leider sind die meisten bei Demonstrationen eingesetzten Polizisten "so drauf": Brutale Schläger in Uniform. Diese Typen wird man nicht ändern, allenfalls gelegentlich zur Verantwortung heranziehen können. Das Hauptproblem scheinen indess die Staatsanwälte zu sein. Hier sollte IMHO angesetzt und Staatsanwälte besser überprüft werden. Auch eine öffentlich einsehbare Kartei mit Staatsanwälten, die offenkundige Rechtsverschleppung begehen, sollte dringend eingerichtet werden.

  • R
    richard

    War es überhaupt legitim die Demo aufzulösen?

    Scheint bei der Hamburger Polizei ein beliebter Sport zu sein. Die Regeln für diesen Sport werden scheinbar vor jeder Demo neu festgelegt.

  • P
    peter

    @paul

     

    so unterbesetzt können die gar ncht sein. was da an zeit und personal verbraten wird um o-ton: kleinere mengen marihuana für den persönlichen gebrauch (laut bverfg genau nicht strafverfolgungswürdig) sicherzustellen...

  • S
    schubie

    Das Foto ist der Bild würdig... Schade ....

  • SS
    so sieht sie aus ...

    die reale Demokratie a la Deutschland ... wann sprechen wir eigentlich von DIKTATUR ? (... in Afgahnistan herrschen ja auch "nur" kriegsähnliche Zustände und kein "Krieg", wie man den Bürgern seit Jahren weismachen will- bis zum plötzlichen Eingeständnis des Herrn vo.z. Guttenberg)

  • I
    ich

    Der § 129a StGB ist ein Anti-Terror-Paragraph und kein "Terrorparagraf".

     

    Wie man bei gesundem Menschenverstand gegen diese Strafvorschrift "demonstrieren" kann, ist mir schleierhaft.

     

    Nun gut, jedermann/frau hat das Recht zur öffentlichen Zurschaustellung der persönlichen Borniertheit.

  • P
    Poqa 'Ko

    von Paul:"...allerdings ist die Polizei schlichtweg überfordert und unterbesetzt also muss hier angesetzt werden..."

     

    Das ist so eine schlechte Ausrede...

     

    An fast allen Schulen, gibt es Personalmangel, die Lehrer werden sich also teilweise auch überfordert fühlen, trotzdem hört man selten, dass dort unliebsamen Schülern durch die Lehrerschaft, mal eben Nasen gebrochen werden.

    Was ist mit den Krankenhäusern? Auch hier chronischer Personalmangel, gebrochenen Nasen? Eher selten.

     

    Nee, Nee – was die Polizei uns täglich als Verfehlung Einzelner zu verkaufen versucht, ist einfach nur ne Sauerei.

    Kein wunder also, dass das Ansehen der Polizei sinkt und es zum Sport wird sich an solchen Beamten zu rächen.

  • K
    Kommentator (alt)

    @ Kommentator:

     

    Lustig, dass du nicht nur meinen Nick benutzt, sondern auch ganz in meinem Sinne schreibst. Hab ich jetzt frei/Urlaub? ;-)

     

    Ergänzungen:

    So gut wie alle (>99%) Verfahren gegen Polizisten werden eingestellt. Das Problem liegt also auch in der Justiz.

     

    Polizisten tragen keine Identifizierungsmerkamle und agieren oft vermummt. Sie haben immer Zeugen und zählen sowieso mehr.

     

    Ergo: Niemand will eine Polizei, die rechtlich angreifbar ist. Gleich und gleicher ist Prinzip.

  • DW
    Daniel W.

    Die Überschrift ist sehr irreführend. Wäre der Nasenbeinbruch als "nicht legitim" bewertet worden, hätte man den Polizisten auch entsprechend zur Verantwortung ziehen müssen. So wurde einfach nur die unglaublich zynische Überspitzung dieser Ungerechtigkeit entschärft.

  • P
    Paul

    Wenn ein Neonazi von einem Polizisten verprügelt worden wäre dann würden wir sicher keine Meldung auf taz finden...

     

    Natürlich ist es schlimm was dort passiert ist, allerdings ist die Polizei schlichtweg überfordert und unterbesetzt also muss hier angesetzt werden um den Druck von den Polizisten zu nehmen.

  • M
    manni

    Es wird endlich Zeit, dass für solche Fälle (Polizeiausschreitungen) eine UNABHÄNGIGE Stelle eingerichtet wird, die dann die Ermittlungen in die Hand nehmen kann. Denn die Staatsanwaltschaften sind hier keineswegs unabhängig. Die sind schließlich auf die Arbeit der Polizei angewiesen. Und dass die Polizei nicht in der Lage ist sich selbst zu kontrollieren, ist ja nun kein Geheimnis.

  • K
    Kommentator

    Hm - war ja früher Standard. Wenn man einen Polizisten wegen Knüppelei etc. auf einer Demo anzeigte, konterte diese mit einer Gegenanzeige - wie auch immer an den Haaren herbeigezogen. Dafür hatte er stets mehrere Kollegen als Zeugen.

    Diese oft geübte Praxis hält wohl auch heute noch die meisten menschen davon ab, gegen Polizeigewalt unterhalb von schwerster Körperverletzung oder Todesfolge gerichtlich vorzugehen ...

     

    Was nicht heißt, dass alle Polizisten so drauf sind. Aber der obige Artikel zeigt in dieselbe Richtung.