: „Demokratische Medien sind zu wichtig, als daß wir sie leichtfertig sich selbst überlassen können.“
■ So lautet einer der Kernsätze des offenen Briefes gegen die Kündigung einer Hamburger taz–Redakteurin durch das Nationale Plenum, das oberste Entscheidungsorgan der taz. Mit 39:13 Stimmen (bei 13 Enthaltungen) wurde am Samstag beschlossen, Anita Friedetzky zu kündigen. Das Plenum folgte einem Mehrheitsantrag der Hamburger Redaktion.
Offener Brief an die Tageszeitung Wie die Unterzeichner/innen nicht aus der „TAZ“ erfahren haben, wurde einer Mitarbeiterin der Hamburger Lokalredaktion ohne Diskussion und Beschluß der Hamburger und Berliner Mitgliederversammlung gekündigt. Sie hat als Redakteurin den Hamburg– Teil mitaufgebaut und wesentlich zum linken Image der „TAZ“ beigetragen. Hintergrund dieses Vorgangs sind tiefgreifende Differenzen über die strukturelle und politische Ausrichtung der „TAZ“. Dabei hat auch eine Rolle gespielt, daß die Betroffene als Frau und Antifaschistin ihre politischen Positionen engagiert vertreten hat. Die Kündigung ist kein Betriebsunfall oder individueller Konflikt, sondern Ausdruck eines Veränderungsprozesses, den die „TAZ“ in letzter Zeit forciert - sowohl projektpolititsch als auch inhaltlich - durchläuft. Ohne Diskussion in der Öffentlichkeit - sprich mit den eigenen Lesern und jener linken Öffentlichkeit, deren praktische Solidarität die „TAZ“ überhaupt erst möglich gemacht hat - orientiert sich die „TAZ“ immer mehr an jenen medienpolitischen Normen, die in der Praxis zu kritisieren sie ursprünglich einmal angetreten ist. Dazu gehört das Herausbilden einer Chef–Struktur, die Zensur bereits im Vorfeld möglich macht, dazu gehört ebenfalls die zuneh mende inhaltliche Orientierung an dem, was andere Medien veröffentlichen bzw. für politisch wichtig halten. Das Ganze läuft unter dem Stichwort „Professionalisierung“ und droht auf eine de facto– Gleichschaltung der „TAZ“ mit den bürgerlichen Medien hinauszulaufen. Die Unterzeichner/innen sehen dabei sehr wohl, daß eines der größten Alternativ–Projekte der BRD diese Entwicklung nicht isoliert durchläuft. Allgemeine politische Rahmenbedingungen, wie z. B. die Etablierung wesentlicher Teile der linken Bewegung im Parlament, spielen dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Und die Professionalisierungsdebatte läuft in nahezu allen anderen alternativen Betrieben auch; allerdings verschleiert, sie wird nicht bewußt als Debatte innerhalb der linken Öffentlichkeit geführt. Dies aber ist notwendig! Derartige Auseinandersetzungen dürfen nicht durch das Zu rückgreifen auf bürgerliche Formen der Konfliktlösung - wie im Fall der Betroffenen - mit Schreibverbot, Suspendierung, Kompetenz–Entzug, Verschweigen, Psycho–Terror und Kündigung geregelt werden. Zudem geht es bei der „TAZ“ nicht um Produktion irgendeiner Ware, sondern um die tägliche Produktion von Ideologie. Die „TAZ“ ist gefordert, ihren ursprünglichen Anspruch auf Pluralität linker Meinungsbilder einzulösen! Die endgültige Konsolidierung der „TAZ“ als Konkurrenzunternehmen nach innen und außen beinhaltet zwangsläufig u. E. nach die Ausschaltung unbequemer linker Positionen in der Presselandschaft und würde deshalb von den Unterzeichner/inne/n nicht gebilligt werden. Abo–Statistiken dürfen nicht der alleinige Maßstab sein. Demokratische Medien sind zu wichtig, als daß wir sie leichtfertig sich selbst überlassen können. Wir fordern: - die sofortige Rücknahme der Kündigung ohne Wenn und Aber; - die uneingeschränkte bezahlte Freistellung der Betroffenen bis zur Klärung des Konflikts; - die interne und öffentliche Diskussion über die schleichende „Wende“ der „TAZ“ - daß dies beim kommenden nationalen Plenum nicht nur oberflächlich oder aus Gründen der Image–Pflege geschieht; - daß die unterschiedlichen Positionen gleichberechtigt in der „TAZ“ veröffentlicht werden. Zu guter Letzt fordern wir noch die GRÜNEN, in Hamburg die GAL, auf, zu dem Konflikt in der „TAZ“ Stellung zu beziehen und zu sagen, wie ernst sie es mit dem Anspruch linker Pluratlität nehmen. Ist es Zufall, daß ausgerechnet die augenblickliche Pressesprecherin der GAL Nachfolgerin der gekündigten Redakteurin werden soll?
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