: Demokratie wegen Reformen verschoben
■ Gabun setzt Parlamentswahlen aus / Ausgangssperre im ganzen Land nach neuen Unruhen / Präsident will Partei umbenennen
Berlin (adn) - Die Bevölkerung Gabuns wird nicht im April an die Urnen treten, um eine neue Nationalversammlung zu wählen. Über die 120 Sitze im Parlament soll erst in etwa sechs Monaten befunden werden, kündigte Staatspräsident Omar Bongo kürzlich in der Hauptsadt Libreville an. Die bevorstehenden Wochen würden von der Regierung benötigt, um politische und wirtschaftliche Reformen vorzubereiten. Dies habe jedoch nichts mit „den jüngsten Veränderungen in Osteuropa“ zu tun, behauptete er.
Zu diesem Zweck wurde bereits im Februar das Kabinett von Premierminister Leon Mabiame um vier Posten auf 28 reduziert - ein äußeres Zeichen, um den in jüngster Zeit ausgebrochenen Unruhen zu begegnen. Immer massiver waren Arbeiter, Gewerkschafter und Schüler auf die Straße gegangen und hatten gegen die soziale Misere protestiert, eine Folge der seit drei Jahren von der Weltbank erzwungenen Sparpolitik. So kam es in Port Gentil zu Ausschreitungen zwischen Polizei und Arbeitslosen. Menschen plünderten Geschäfte, setzten Autos in Brand. Über die Wirtschaftsmetropole wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt, die Ende März auf das ganze Land ausgeweitet wurde.
Noch nachhaltiger als der Ruf nach Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Gabuner ist die Forderung nach Einführung eines Mehrparteiensystems. So ist nach Ansicht von Beobachtern die Ankündigung Omar Bongos, die regierende „Demokratische Partei Gabuns“ aufzulösen und eine neue Organisation namens „Sozialdemokratische Sammlung“ zu gründen, das eigentlich herausragende Ereignis der letzten Zeit im Land. In dieser Bewegung könnten alle gesellschaftlichen und politisch relevanten Kräfte zu Wort kommen, betonte das Staatsoberhaupt. Ein Mehrparteiensystem käme jedoch nicht in Frage.
Die Ankündigung beeindruckte die Bevölkerung wenig. Diese Woche haben Oppositionsgruppen zum Generalstreik aufgerufen.
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