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Demo für mehr Flüchtlingsrechte„Das war Berlin, jetzt kommt Europa“

6.000 Menschen gehen in Berlin für die Rechte von Flüchtlingen auf die Straße. Innenminister Friedrich fordert derweil „Maßnahmen gegen Asylmissbrauch“.

In Berlin gingen am Samstag Tausende für mehr Flüchtlingsrechte auf die Straße. Bild: dapd

BERLIN taz | Ein kleiner Junge ruft „Asylheime“, die Umstehenden schreien: „Abschaffen!“ Er leckt zufrieden an seinem Eis, dann ruft er „Polizeikontrollen“ – die Leute um ihn herum lassen sich nicht lange bitten.

Etwa 6.000 Menschen haben am Samstag in Berlin für die Rechte von Flüchtlingen und Asylsuchenden demonstriert. Es war wohl die größte Demonstration dieser Art in der Bundesrepublik überhaupt.

Sie bildete den vorläufigen Höhepunkt einer Protestserie, die im März in Bayern ihren Anfang genommen hatte. Nach dem Suizid eines Iraners in einem Würzburger Flüchtlingsheim hatten Flüchtlinge mit Hungerstreiks und monatelangen Mahnwachen in einer ganzen Reihe deutscher Städte für ein Aufenthaltsrecht und bessere Lebensbedingungen gestritten. Überschattet wurden ihre Aktionen von weiteren Suiziden und Suizidversuchen von Asylbewerbern in Süddeutschland.

Schließlich waren etwa 40 Flüchtlinge zu Fuß von Würzburg nach Berlin marschiert, um den Protest in die Hauptstadt zu tragen. Seit ihrer Ankunft am letzten Freitag wohnen sie in einem Camp am Oranienplatz in Kreuzberg. Einer von ihnen ist der 25-jährige Abdirahmen Mahmudelmi. „Ich bin sehr froh“, sagt er am Samstag, als absehbar wird, welch durchschlagenden Erfolg ihre Mobilisierung hatte.

Stimmung euphorisch

Vor Beginn der Demo ist die Stimmung auf dem Platz euphorisch, aus dem ganzen Bundesgebiet sind Menschen nach Berlin gekommen. Zwei andere Demonstrationen, die am selben Tag stattfinden, schließen sich dem Flüchtlingsprotest an. Auch Arash Dosthosseini, einer der Anführer des Marsches, sagte, er sei „glücklich, weil unsere Vorhersagen eingetroffen sind“. Viele Sympathisanten hätten gesagt, dass sie die Aktionen gerade deshalb unterstützen, „weil sie von uns Flüchtlingen selbst organisiert sind“.

Als der Demozug am Abend zwischen Reichstag und Kanzleramt eintrifft, erwartet ihn eine kleine Gruppe von Gegendemonstranten der rechtspopulistischen Gruppe „Pro Deutschland“. Abgeschirmt von Polizeihundertschaften, fordert ein Redner ein Verbot von „Pro Asyl“. Teilnehmer des Flüchtlingsmarsches dringen in die Nähe der Rechten vor und buhen sie aus.

Wintertaugliche Infrastruktur

Offen ist derzeit, wie die Flüchtlinge ihren Protest fortsetzen werden. Klar ist, dass sie zunächst nicht in ihre Heime zurückkehren, sondern im Protestcamp in Berlin bleiben wollen. Dort haben sie und Unterstützergruppen eine durchaus wintertaugliche Infrastruktur aufgebaut. Was sie genau tun werden, wollen sie in den nächsten Tagen entscheiden. „Das war Berlin, jetzt kommt Europa“, sagt der Iraner Hatef Soltani, einer der Organisatoren des Protests.

Auch in Deutschland werden sie jedoch weiter genug zu tun haben: Am Samstag stelle Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ein Konzept mit „Sofortmaßnahmen gegen Asylmissbrauch vor“. Unter anderem will er bestimmten Flüchtlingen die Leistungen kürzen und seltener Bargeld auszahlen.

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9 Kommentare

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  • N
    Neumi

    Essen,Unterbringung,Kleidung,Taschengeld und Hilfe zur Selbsthilfe (selber Putzen,Waschen,Malern,etc.)für Asylantragsteller und Geduldete.Duldung nur noch 3 Monate,dannach Streichung aller Leistungen und freiwillige Ausreise oder Abschiebung.Asylanträge je nach Herkunftsland innerhalb von 10 Tagen bis 6 Monaten Gerichtsfest abarbeiten.Bei versagung der mithilfe zur Papierbeschaffung (Pass)oder Identitätsverschleierung BeugehaftWer anerkannt wird volle Integration in die Deutsche Gesellschaft mit Arbeitserlaubnis,etc.Fällt der Asylgrund weg,nach Einzelfall prüfen!Gut integrierte bekommen dauerndes Bleiberecht.Ein bundesweites Volksbegehren zur Asylpolitik und zur Einwanderung in Deutschland!Ich glaube da werden die linken Spinner auf den Boden der Realität zurückgeholt.Ich habe die Petition für das bleiberecht des 18 jährigen Nigerianers in HH unterschrieben.Jeder gesetzeskonforme,Verfolgte oder gut integrierte ,dem Staat nützende Ausländer sollte Willkommen sein!!

  • H
    Hans

    @Realist

    Wenn Sie mit 364 € im Monat für Nahrung und sonstigen anderen Bedarf auskommen, dann sind sie wahrhaft genügsam. Aber bei all der Liebe zum Zynismus, es handelt sich nicht wirklich im Taschengeld, so wie es Schulkinder realitätsfern vermuten würden, sondern um eine Barauszahlung, welche von den 364 € des Regelsatz abzüglich gewährt wird, damit die Menschen sich zusätzliche Dinge anschaffen (außer Kleidung und Nahrung) können.

     

    @Clausewitz

    Das kann ich mir nicht vorstellen, dass ein einzelner Leistungsbezieher so viel Geld kriegt (s.o.). Könnten Sie mir die Quelle nennen?

    Betrug beim Leistungsbezug ist ein von der Politik fahrlässig in Kauf genommenes Problem, welches aus mangelhaften Gesetzen und mangelhaften Kontrollen aufgrund schlecht ausgebildeter und überforderter Arbeiter in Sozialämtern (etc.), mal abgesehen vom Unsinn der ganzen SGB/ALG-II/HartzIV/Agenda2010-Geschichte.

  • R
    Realist

    Wer bitteschön hat hierzulande 134 Euro Taschengeld. Millionen Deutsche haben das nicht.

  • C
    Clausewitz

    Solange Hassprediger 2000 oder 2500 oder noch mehr Geld bekommen, sehe ich gar nicht ein noch mehr Asylanten zu finanzieren. Deutschland ist kein Freibierladen!

  • H
    Hans

    @Hoboken:

    Danke. Dann muss ich den National-Trollen "Thorben" und "Demokratin" (wie zynisch) nicht noch lange Erlärungen schreiben.

  • H
    Hoboken

    An meine werten Vor-Kommentatoren/Innen,

     

    "Verpflichtung zur gemeinnützigen Arbeit." Nennt man allgemeinhin auch Zwangsarbeit (nicht nur beim Hartz 4 Empfänger)

     

    "Wer Asyl beantragt sollte innerhalb einer Woche geprüft werden, ob er tatsächlich in seiner Heimat verfolgt wird."

    Da müsste aber jedem ein unabhängiger Übersetzer und ein Anwalt zur Verfügung gestellt werden, ansonsten öffnet das Tür und Tor für Schnellabwicklung und somit zu massenweisen ungerechtfertigten Abschiebungen (wobei ich sowieso jede Abschiebung für ungerechtfertigt halte)

     

    "Warum machen die das nicht in ihrer Heimat? Das hier ist unsere. Sollen wir den gesamten Geburtenüberschuss derer Länder aufnehmen?" Deutschland kann bei der derzeitigen demographischen Entwicklung froh über junge Menschen sein.

    Und warum sie das nicht in ihrer Heimat machen kannst du sie selber fragen. Sind interessante Geschichten

  • D
    derdadrüben

    134€ oder was die zZ kriegen is natürlich kraaaaaaaaaaaaasssssssss viel, und is natürlich eindeutig das da jeder (!) sofort Land und Familie verlässt, sich hier in rattenverseuchten undichten barracken niederlässt, Jahre darauf hofft irgendetwas arbeiten oder den Landkreis verlassen zu dürfen, und sich währenddessen von Gesellschaft und Polizei Rassistische Aktionen gefallen lässt.

     

    Ja ne is klar

     

    über 90% der asylanträge wird abgelehnt, im Gegensatz zum Rest der BRD-Geschichte haben wir zZ eine verschwindend geringe Anzahl von Asylsuchenden, und Deutschland bekommt es immer noch nich hin unverdorbene Essenspakete auszugeben und den Menschen n halbwegs menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

    Nicht mal arbeiten dürfen die.

     

    Was ich einfach nich versteh: Womit habt ihr ein Problem?

  • T
    Thorben

    Warum machen die das nicht in ihrer Heimat? Das hier ist unsere. Sollen wir den gesamten Geburtenüberschuss derer Länder aufnehmen?

  • D
    Demokratin

    Bargeld sollte an Asylanten gar nicht ausgezahlt werden.

     

    Wer Asyl beantragt sollte innerhalb einer Woche geprüft werden, ob er tatsächlich in seiner Heimat verfolgt wird.

     

    Falls dem so sein sollte, wird eine Heimunterkunft mit Verpflegung angeboten mit der sofortigen Möglichkeit zur Arbeit über den Arbeitsmarkt oder andernfalls mit der Verpflichtung zur gemeinnützigen Arbeit.

     

    Sollte die Überprüfung zu dem Ergebnis kommen, daß keine Gefahr für Leib und Leben besteht, sollte umgehend zurück geführt werden.

     

    Mißbrauch wird es dann nicht mehr geben und die Hilfsbedürftigen werden nicht mehr mit einem potentiellen Generalverdacht belegt.