Demo für bezahlbares Wohnen: Polizei schützt Leerstand
Stadtteilspaziergänge von Studenten und Auszubildenden auf der Suche nach Wohnraum von Polizei gestoppt. Historische Gründerzeithäuser umzingelt.
Am Samstag haben in mehreren Stadtteilen parallel hunderte Menschen im Rahmen eines Aktionstages des Netzwerks Recht auf Stadt auf die prekäre Wohnraumsituation aufmerksam gemacht. Es war der Auftakt einer Reihe von Aufwärm-Veranstaltungen für die Mieterdemonstration am 10. November unter dem Motto „Mietenwahnsinn stoppen!“ Eine weitere Demonstration soll am 4. November zum zehnten Jahrestag der Räumung des Bauwagenplatzes Bambule im Karoviertel stattfinden.
150 Menschen versammelten sich am Samstagabend zu einer Menschenkette mit Laternen vor den Häusern Breite Straße 114 und 116 in Altona. Investor Frank Scheffler will das Areal abreißen und durch einen Neubau ersetzen. Im Bauausschuss der Bezirksversammlung haben bereits alle Fraktionen bis auf Die Linke zugestimmt. Dagegen macht die Initiative „Anna Elbe“ mobil, da die neuen 80-Quadratmeter-Wohnungen rund 14,50 Euro Kaltmiete kosten sollen. „Anna Elbe“ fordert vom SPD-Senat, die Gründerzeithäuser unter Denkmalschutz zu stellen.
„SOS“ funkten wenig zuvor auch Mieterinitiativen aus St. Pauli und dem Karolinenviertel. Mit einem Flatter-Band schlossen sie ein symbolisches Bündnis. Die Karo-Genossenschaft hat es nicht aufgegeben, die von der Stadtentwicklungsgesellschaft verwalteten Gebäude mit 900 Wohnungen für 50 Millionen Euro zu kaufen und in Selbstverwaltung zu übernehmen. Der SPD-Senat hat beschlossen, den Bestand für 80 Millionen Euro an die städtische Wohnungsbaugesellschaft Saga zu verkaufen.
Auch die Mieterinitiative der Esso-Häuser am Spielbudenplatz 5 bis 13 kämpft weiter um den Erhalt der Häuser, die die Bayrische Hausbau für einen luxuriösen Neubau abreißen möchte. Mitten in der Gentrifizierung stecken auch die Bewohner des Niebuhr-Hochhauses an der Reeperbahn. Dort werden die 150 asbestverseuchten Appartments gerade in Eigentumswohnungen umgewandelt.
Zum Politikum hatten sich am Mittag zwei Stadtteilspaziergänge von 400 Studierenden und Auszubildenden entwickelt. Das Motto: „Suchst du noch oder wohnst du schon“. Kaum hatten die beiden grün und pink gekennzeichneten Gruppen den Uni-Campus verlassen, um leer stehende Gebäude zu besichtigen, wurden sie von der Polizei gestoppt. Die Einsatzleitung versuchte eine Begründung dafür zu finden, dass die auf dem Fußweg laufenden Gruppen als Demonstration angemeldet werden müssten. „Es gibt ein gemeinsames politisches Anliegen“, sagte ein Polizeiführer vor dem leeren Gebäude Am Laufgraben 37 der taz, als er die Gruppe grün festsetzte. Schließlich sei angekündigt worden, ein neues Studentenwohnheim zu eröffnen.
Die Gruppe pink schaffte es ein wenig weiter. Nachdem sie ein zum Abriss vorgesehenes Ex-Hotel und das entmietete Gebäude der Arbeiterwohlfahrt in der Feldbrunnenstraße erreicht hatte, kam es zu einem Pfefferspray-Einsatz, als sich einige Studierende der Eingangstür näherten. Die Gruppe musste in Richtung des Wohnprojekts Schröderstift am Schlump umkehren. „Mich hat es wütend gemacht, dass die Polizei unseren Rundgang über eine Stunde festgesetzt hat“, sagt Lina Derbitz vom Bündnis Schlaflos in Hamburg.
Auch Moritz Fritsche vom AStA der Hochschule Rauhes Haus war enttäuscht, „dass die Polizei es verhindert hat, dass ein neues Studentenwohnheim im Ex-Finanzamt ’Am Durchschnitt‘ eröffnet wird“.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Totalausfall von Friedrich Merz
Scharfe Kritik an „Judenfahne“-Äußerungen
FDP bei der Bundestagswahl
Lindner kündigt Rückzug an
Wahlergebnis der AfD
Höchstes Ergebnis für extrem Rechte seit 1945
Bundestagswahl 2025
Mehr gewollt und links verloren