■ Demo-Verbot vor „Neuer Wache“: Demokratiedefizit
Unterschiedlichste Begründungen für das Verbot einer Demonstration haben linke Organisationen durch die Jahre in vielfältiger Weise sammeln können. Selbst das Recht auf ungestörten Einkauf am Samstagvormittag mußte schon herhalten. In mehrfacher Hinsicht bemerkenswert aber ist das Verbot, das sich nun die rund zweihundert im „Bündnis 8. Mai“ zusammengeschlossenen Gruppen einhandelten. Es ist nicht unbedingt der Ideenreichtum des „Referats ordnungsbehördlicher Staatschutz“, sondern die dargelegte Weltsicht, die einem die Sprache verschlägt. Schließlich will das Bündnis nicht gegen die „Neue Wache“ demonstrieren, sondern dafür, daß nie wieder Krieg von deutschem Boden ausgeht – und das an dem Ort, der die Bundesrepublik zur Zentralen Gedenkstätte erwählt hat. Fast könnte man meinen, der Staatsschutz beanspruche nicht nur das Gewaltmonopol, sondern auch die Definitionsmacht über gutes und schlechtes Gedenken.
Pauschal werden die Veranstalter zu Linksextremisten gemacht, die es darauf anlegen, die Neue Wache „zu schänden oder es zu konfrontationsreichen Auseinandersetzungen kommen zu lassen“. Wer auf derart durchsichtige Weise „Störhandlungen“ erst selbst konstruiert und eine „Nestbeschmutzung“ beschwört, die es zu vermeiden gelte, beansprucht eine Kontrolle über das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit, für die es in einer Demokratie keinen Platz gibt. Die Möglichkeitsform wird so zum Werkzeug autoritärer Gelüste gemacht. Den öffentlichen Schaden, den der Staatsschutz abwenden möchte, hat er mit dieser hanebüchenen Verfügung selbst produziert. Senat und Polizei wären gut beraten, eine Klärung durch die Gerichte überflüssig zu machen. Gerd Nowakowski
Siehe Bericht auf Seite 22
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