■ Demba vor Olympia-Ausschuß: Unter dem Niveau
Ein halbes Jahr lang schliefen sie, die Parteien der Großen Koalition im Olympia-Untersuchungsausschuß. Gestern nun, bei der Zeugenvernehmung der bündnisgrünen Abgeordneten Judith Demba, wachten sie auf. Zunächst erschauderten die Ausschußmitglieder im Kinosaal vor dem berühmten Videofilm, den Olympia- Gegner den IOC-Oberen zugesandt hatten und in dessen Folge gegen die Anti-Olympia-Aktivistin Demba ein Verfahren eröffnet wurde. Manch einer hatte wohl noch den O. J. Simpson-Prozeß vor Augen, als es dann im Sitzungssaal des Abgeordnetenhauses zur Sache ging. Frau Demba, selbst Mitglied des Ausschusses, nennt den unter Spaniens Diktator Franco aufgestiegenen IOC-Chef Samaranch einen „Altfaschisten“. Da zuckt der Ausschußvorsitzende Jürgen Lüdtke richtig zusammen. Erteilt eine Rüge, entschuldigt sich „vor der Öffentlichkeit“ und verspricht, die Parlamentspräsidentin zu informieren. Nur gut, daß Lüdtke nicht in der Zeit, als Samaranch seinen Aufstieg nahm, im faschistischen Spanien leben mußte. Da wäre der ehrenwerte Sozialdemokrat wohl wie viele seiner spanischen Genossen im Kerker gelandet – damals im übrigen noch eine milde Form der Bestrafung.
In die Pose des Anklägers aber warf sich gestern der 29jährige CDU-Abgeordnete Frank Steffel – und zeigte damit Hardliner- Qualitäten, die sich sein Fraktionschef Landowsky bei der Vergabe künftiger Posten in der Innenverwaltung merken sollte: Ob Demba ausschließen könne, daß der mit einem Stein jonglierende Anti- Olympia-Aktivist auf dem Video ihr Sohn sei? Ob sie Kontakt mit den militanten Mitgliedern des Anti-Olympia-Komitees gehabt habe? Solcher Art „Fragen“, gestellt allein zum Zweck der Denunziation, erwehrte sich die Zeugin meist mit dem Verweis auf ihr Zeugnisverweigerungrecht – schließlich steht der Prozeß gegen sie noch aus. Und nicht jede Blödheit muß bekanntlich beantwortet werden. Etwa jene Frage, ob sie bei der linksautonomen Gruppe „Klasse gegen Klasse“ mitgewirkt habe. „Das entspricht nicht meinem Niveau“, so Demba. Wie die gesamte gestrige Befragung, hätte man am liebsten in den Saal gerufen. Severin Weiland
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