: Dem Herrgott ans Bein gepinkelt
■ Mal stubenrein, mal komisch: Junge Hunde am Wochenende
Was schert–s den Gott, wenn ihn ein junger Hund anbellt? Um den sogenannten Allmächtigen drehten sich am Samstag abend gleich zwei Tanztheater-Aufführungen im Doppelpack in der Nachwuchsreihe „Junge Hunde“ auf Kampnagel.
Als erste tanzten Marie Cool und Nasser Martin-Gousset ihr gut zwanzigminütiges Alleluia, in dem sie laut Programmheftprosa „die todkomischen Grenzen, Auswürfe und Einflüsse der (katholischen) Religion erforschen“. Einzeln zunächst arbeiten sie sich an einem Stuhl ab, der sich im Gebrauch der Tanzenden mal zum Betschemel, mal zum Gefängnis wandelt. Zu Nina Simones lebhaft-vergospelter „My Sweet Lord“-Version formulieren sie mit ihren Körpern Bilder, die sich in ihrer hochfrequenten Rhythmik irgendwo zwischen Masturbation, Hospitalismus und religiöser Trance bewegen. Daß es Zeit für eine praktische Moral ist, meldet eine Stimme auf französisch aus dem Off. Martin-Gousset trinkt noch aus einer Flasche mit blutfarbenem Saft, dessen Rest Cool am Ende ausschüttet, um das allzu ernst genommene und letzthin bereits stubenreine Alleluia zu beenden.
Tanz und Denken, Geist und Körper – was hat sich Gott bloß dabei gedacht, als er den Fuß schuf, fragt die Compagnie a fleur de peau anschließend in Pendant que j'y pense (Während ich daran denke), aus dem sie einen Ausschnitt zeigte. Auf Bücherstapeln, die die Spielfläche umrahmen, hocken die Akteure mit Lesebrillen bewehrt, die sie zum Tanz absetzen. Die Genesis des Fußes – abwechselnd vorgelesen – kommt zwar eher dünn daher, doch lassen es die zwei Tänzerinnen und zwei Tänzer beim Thema Körper und Geist, und wie sie machen, was sie wollen, nicht an Ironie, Slapstick und zugleich sehr schönen Pas de deux fehlen. Kraftvoll und originell wagen es im besonderen die Tänzerinnen, sich als ausgeprägte Typen zu zeigen. Hoffentlich wird Pendant que j–y pense bald als Ganzes in Hamburg zu sehen sein. jkn
Noch heute, 20 Uhr, K1
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