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Defekte Motoren und zu wenige FahrzeugeS-Bahn koppelt Regionen ab

Die Berliner S-Bahn, eine DB-Tochter, stellt mehrere Strecken ganz ein, weil sie nicht genügend Fahrzeuge hat. Verbesserung ist nicht in Sicht. Ursache ist der Sparwahn der Bahn.

"Zug endet hier": Aktuelle Anzeige am S-Bahnhof Westkreuz Bild: dapd

Die krisengeschüttelte Berliner S-Bahn hat ihre Kunden zum Jahresauftakt mit neuen Hiobsbotschaften begrüßt: Am ersten Arbeits- und Schultag nach den Winterferien stellte die Tochter der Deutschen Bahn AG den Betrieb auf wichtigen Strecken komplett ein. Am Montag war weniger als jeder zweite Zug im Einsatz; zahlreiche Pendler mussten in Ersatzbusse ein- oder aufs Auto umsteigen.

Grund für den Beinahe-Kollaps ist die Vielzahl defekter Motoren und die geringe Fahrzeugreserve; ohnehin fährt die S-Bahn seit Monaten mit einem Notfahrplan, weil sie ihre Züge nach jahrelanger Schlamperei öfter warten lassen muss. Die Opposition warf Bahn und Bund vor, die Augen vor dem Chaos in der Hauptstadt zu verschließen.

"Alles, was rollen kann, rollt", sagte ein Bahnsprecher und gestand zugleich die "nicht befriedigende" Situation ein. Das DB-Tochterunternehmen führte die Ausfälle auf drastisch gestiegene "Antriebsstörungen durch Eis und Kälte" zurück: Der lang anhaltende Schneefall, verbunden mit den niedrigen Temperaturen, legt die Motoren lahm.

Fällt ein Motor aus, kann der ganze Zug nicht mehr fahren, da die Motoren verbunden sind. Die Reserve reicht nicht aus; daran seien auch die Hersteller schuld, die nicht schnell genug nachliefern könnten, hieß es von S-Bahn-Mitarbeitern. Dort sei zwischen Weihnachten und Neujahr nicht gearbeitet worden.

Mehrere Orte werden derzeit gar nicht mehr bedient - darunter pikanterweise Hennigsdorf, Sitz des S-Bahn-Waggonherstellers Bombardier. Wie lange der Zustand anhalten wird, wollte die Bahn nicht sagen. Die eigentlichen Probleme bei der S-Bahn indes reichen bis in den Sommer 2009 zurück; durch einen Radbruch kam der marode Zustand der Flotte ans Licht. Sicherheitsprüfungen wurden zunächst nicht ernst genommen, was die nun eng getakteten Wartungszeiten zur Folge hatte. Das Land Berlin hat der Bahn bereits Millionen an Zuschüssen gestrichen, weil die DB-Tochter den Verkehrsvertrag nicht mehr erfüllt hat.

Bahnchef Rüdiger Grube und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) aber ducken sich weg - so jedenfalls der Vorwurf des Vorsitzenden des Verkehrsausschusses im Bundestag, Winfried Hermann (Grüne). "Ich erwarte eine Strategie, wie die Deutsche Bahn vorangebracht wird - und zwar innerhalb dieses Jahres und nicht der nächsten zehn", sagte Hermann der taz. Schließlich trage die Bundesregierung durch das jahrelange Trimmen der Bahn auf Börsenkurs eine Mitschuld an dem Desaster - und Bahnchef Rüdiger Grube habe es in seinen eineinhalb Jahren Amtszeit auch nicht geschafft, ein Konzept auf die Beine zu stellen.

Geld, das die Bundesregierung nun von der Bahn abschöpfen wolle, müsse gezielt in Netz und Wartung investiert werden. "Wir brauchen robustere Züge, keine Großprojekte", so Hermann, der den Stuttgarter Bahnhofsbau ablehnt. Die Bundesregierung will jährlich 500 Millionen Euro an Dividende von der DB erhalten. An den Plänen werde festgehalten, sagte ein Sprecher von Minister Ramsauer.

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17 Kommentare

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  • A
    Amos

    Es gab einmal eine Zeit, da hing nicht alles von den Aktien ab-, da funktionierte noch alles. Seit die Politik in Konkordia mit der Wirtschaft fährt und die "politischen Funktionäre" persönlich gut dabei absahnen, geht hier kaum noch etwas. Weder Bahn, Post, Banken, Versicherungen... nichts funktioniert mehr richtig. Alles Flickschusterei zu Gunsten weniger. Die Menschen werden von der Politik regelrecht zum Affen gemacht. Ich weiß nicht, wie lange man das noch ertragen kann.

  • O
    ole

    "Der lang anhaltende Schneefall, verbunden mit den niedrigen Temperaturen, legt die Motoren lahm..."

     

    Ach so. Deshalb beliefern die gleichen Hersteller ja auch Norwegen* mit Schienen -und Antriebstechnik... weil es dort ja keine lang anhaltenden Schneefälle inklusive der mit einem Winter verbundenen niedrigen Temperaturen gibt.

     

     

    "Die Reserve reicht nicht aus; daran seien auch die Hersteller schuld, die nicht schnell genug nachliefern könnten, hieß es von S-Bahn-Mitarbeitern. Dort sei zwischen Weihnachten und Neujahr nicht gearbeitet worden."

     

    Bedeutet also, wenn ich im Sommer weiß, daß meine Winterreifen im vergangenen Winter** schon runter waren, warte ich trotzdem bis zur größten Chaosperiode*** des nächsten Winters ab und mache dann den Reifenhersteller verantwortlich, weil bei ihm Weihnachten ist.

     

    Das ist mal ne Logik...

     

    --------------------------------

    * irgendwo in den Tropen

    ** ein seltenes Naturphänomen

    *** für DB BAHN Verhälnisse

  • V
    vic

    Mir geht diee alte wqerbung einfach nicht aus dem Kopf:

    " Alle reden vom Wetter - wir nicht! Deutsche Bahn "

    Ist lange her, und ich glaube damals hieß das Unternehmen noch DBB.

  • F
    Frankfurter

    Da sage noch mal jemand etwas gegen die DDR ...

  • H
    huetchenspiel

    ich gebe jemand recht, das dringendste ist zur zeit wirklich eine angemessene entschädigung für abobesitzer und studenten oder sonstige verbundtarifticket-besitzer. das verhalten der bahn empfinde ich als im höchsten maße geschäftsschädigend, und schon mehr als einmal musste ich meinem chef erklären, wie die diversen mehr als halbstündigen verspätungen zum arbeitsplatz/respektive wichtige kurse in der uni zustande kommen, trotz früherer losfahrzeiten. es hat auch nicht jeder in berlin die mittel und die möglichkeiten, auf private verkehrsmittel umzusteigen.

     

    von einer stadt wie berlin erwarte ich ein funktionierendes verkehrssystem, wir machen uns doch in der ganzen welt schlicht lächerlich mit dieser praxis. die diversen ankündigungen sind für mich bloße unfähigkeitserklärungen.

    der gesamte vorstand sollte mit sofortiger wirkung zurücktreten. ansonsten muss ich mich schon sehr wundern, dass es noch zu keinem nennenswerten protest in der bevölkerung gekommen ist. oder ist es dazu schlichtweg zu kalt?

  • W
    Weinberg

    Die Berliner können sich bezüglich des desolaten Zustands der S-Bahn sehr herzlich bei der EU-Kommission und den Bundestagsparteien CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP für deren Privatisierungswahn bedanken. Durch das im Jahr 1993 von dieser „Einheits-Bahnprivatisierungs-Koalition“ beschlossene Eisenbahnneuordnungsgesetz – als Folge des Vollzugs einer EU-Richtlinie - wurde der Grundstein für den derzeit erbärmlichen Zustand der S-Bahn (und der Deutschen Bahn insgesamt) gelegt.

     

    Einzig und allein die damalige PDS-Bundestagsfraktion hat diesem Gesetz nicht zugestimmt.

     

    Fazit: Die WählerInnen haben durch ihr mehrheitliches Votum für die „Einheits-Bahnprivatisierungs-Koalition“ den Weg für den heutigen Missstand im Schienenverkehr geebnet – und müssen jetzt damit leben. Bekanntlich heißt es doch „Wer A sagt, der muss auch B sagen“ – oder sollte es nicht doch noch die Möglichkeit zur Umkehr geben?

  • T
    Toby

    Zwar wäre ein Verzicht auf jedes Beförderungsentgelt angemessen.

    Zwar wäre es auch angemessen, ein paar Verantwortungsträger aus Geld und Würden zu kicken.

    Was aber nach wie vor weit mehr Not tut, ist alles daran zu setzen, einen umweltverträglichen, flächendeckenden ÖPNV zu schaffen, der wenigstens in den Städten den motorisierten Individualverkehrt mit Dreck und Lärm und Unfällen und Flächenfraß überflüssig macht.

    Die Bedeutung des ÖPNV wird einfach zu niedrig bewertet.

    Da helfen auch keine Gratisfahrten als Bußetat.

  • E
    einer

    @bimbo: was glaubst Du, warum es "Bundes"autobahn heißt?

  • B
    Bimbo

    Ach Wowi, kümmere dich lieber mal um deine Strassen.

    Habe heute wieder einmal 2 Stunden im Stau gestanden da im Tegel-Tunnel wieder einmal ein Schlagloch war und die zweite Spur gesperrt. Und das montags Früh im Berufsverkehr. Kannste dat nich nachts reparieren lassen oda am Wochenende, oda gehts um die Wochenend-oder Nachtzuschläge ?

    Tut mir leid, musste mit dem Auto kommen da ja die S25 nicht mehr nach Hennigdorf kommt.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Rücktritt des Vorstands

    Auf Grund der desolaten Zustände im öffentlichen Verkehr,hier S-Bahn,wäre ein Rücktritt des Vorstandes angemessen.

    Es ist nicht hinnehmbar,dass Fahrgäste immer Verspätungen in Kauf nehmen müssen.Desweiteren ist nicht hinnehmbar,dass Wagens der S-Bahn nicht beheitzt sind.

    zum Nulltarif sollten alle Fahrgäste befördert werden,bis die schäden behoben sind.

    da der Vorstand nicht in der Lage ist,die Schäden zu beheben sollten sie selbst den Weg frei machen,indem sie ihre Posten räumen.

    Wolfgang Banse

  • IS
    irmgard Schäfer-Schüttig

    Es kann doch nicht sein, dass eine zentrale öffentliche Aufgabe einfach eingestellt wird. Ohne große kreative alternative Lösungen zieht sich das Management der Bahn einfach zurück. Wo bleibt die Übernahme der Verantwortung. Auszubaden haben das alle Fahrgäste, die zu spät zur Arbeit, Schule oder auf privaten Nahverkehr umsteigen müssen. Eine Gutschrift wäre viel zu einfach.

     

    Um die Notlage deutlich zu machen, sollten wir Fahrgäste unseren Protest auf auf der Straße zeigen, z. B. vor dem Bundesverkehrsministerum, der Zentrale der Bahn AG oder dem Berliner Senat.

     

    Noch einmal einfach auf unbetimmte Zeit diese Leistunstreichungen so hinzunehmen kann man einfach nicht mehr erwarten.

  • R
    rugero

    Ein weiteres Beispiel für das katastrophale Bahnmanagement des Herrn Mehldorn, der 10 Jahre lang die Bahn kaputtgespart hat für den Börsengang. Zugunsten kurzfristig positiver Bilanzen (die die Tantiemen erhöhen) wurde der langfristige Erfolg des Unternehmens völlig außer Acht gelassen.

  • J
    JML

    'Wowereit (SPD) forderte am Sonntag... ...die S-Bahn auf, "alles zu unternehmen, um ihre Aufgaben im Interesse der Berlinerinnen und Berliner schnellstmöglich wieder wahrnehmen zu können".'

     

    Na, dann mal los, Herr Vertreter des Volkes. Setzen Sie die Macht ein, die Sie haben und hören Sie auf, mit den Verantwortlichen der Bahn zu kungeln.

  • KH
    Karin Haertel

    Egal welche Bahn, dass dieses Unternehmen noch die Genehmigung zur Personenbefoerderung hat ist sehr bedenklich. Wuerde man mich mit einem derart mangelhaften Pkw in einer Verkehrskontrolle erwischen, dann wuerde man das Fahrzeug sofort stilllegen, mir den Fuehrerschein wegnehmen und ich wuerde wegen Gefaehrdung in den Knast gehen, denn dieses Vergehen wiegt schwerer als das von Kinderschaendern und Moerdern.

  • D
    Daniel

    Den Kontrolleur, der sich in der momentanen Situation traut, die Fahrgäste nach gültigen Tickets zu fragen, will ich erleben!

  • J
    jemand

    schön für gelegenheitsfahrer, wirklich leiden müssen aber alle pendler im berufsverkehr, die haben entweder schon bezahlt oder ihnen wird weiter fleißig monat für monat das geld abgebucht - entschädigungen sind in erster linie an die abobesitzer zu zahlen!

  • G
    godzilla

    es wäre eine schöne geste, wenn die verantwortlichen die 2-h-karte an samstagen und sonntagen wieder als tageskarte gelten lassen - zumindest bis ende februar.