Debatte ums freie Netz: Pioniere im Realitätsmodus
Einst kämpften Pirate-Bay-Betreiber Peter Sunde und US-Autor Jaron Lanier für freien Content im Netz. Jetzt propagieren sie die digitale Vergütung. Die Geschichte einer Desillusionierung.
Am Donnerstag und Freitag wurde nur der erste Absatz dieses Textes freigestellt und den taz.de-Usern nahe gelegt, die Print-Taz käuflich zu erwerben, um den ganzen Artikel lesen zu können. Die zum größten Teil verärgerten Kommentare dazu finden sich unter "Netzpioniere für Bezahlinhalt".
Jaron Lanier, Jahrgang 1960, propagiert schon seit einigen Jahren seine Theorie des digitalen Maoismus, feuert in seinem neuen Buch "You are not a Gadget" aber auch gegen die Free Culture-Bewegung. Mehr über seine Ideen gibt es auf: jaronlanier.com
Matteo Pasquinelli ist linker Theoretiker, der einst glaubte, das Netz würde mit Seiten wie Indymedia demokratisch werden. Heute sieht er sich eines besseren belehrt, nachzulesen auf matteopasquinelli.com oder in seinem Buch "Animal Spirits"
Peter Sunde, Jahrgang 1978, wurde in den vergangenen Jahren Held der Free Culture-Bewegung: Als einer der Betreiber der Bittorrent-Tracker-Seite piratebay boten er und seine Mitstreiter der mächtigen Musik- und Filmindustrie die Stirn. Nach dem verlorenen Prozess versucht er nun, über das Webportal flattr.com digitale Kleinstspenden für Künstler zu sammeln -- und bloggt weiterhin auf blog.brokep.com
Leser*innenkommentare
engel
Gast
Manchmal hat man das Gefühl, dass diese ganze Debatte im luftleeren Raum geführt wird. Mit einem leicht überdurchschnittlichen Einkommen, kann man sich heute gerade mal so über Wasser halten. Konzerte, Theater,Kino, Schallplatten, das ist schon seit Jahren nicht mehr drinn - ab und zu mal ein Buch oder eine Zeitung, und das war's dann aber auch. Die Preise haben sich in all diesen Dingen in gut 20 Jahren verdoppelt - und die Gehälter halt nicht. Zahlen - ganz abgesehen davon, dass Computer und Internetanschluss an sich schon ein zusätzliches Budget sind - kommt nicht in Frage; rein finanziell nicht.
Auf Dauer würde das zwar bedeuten, dass es im Netz eine Art offiziellen Raum gäbe (in dem man zahlt) und eine Art "underground", in dem sich Künstler, Intellektuelle und Schriftsteller so "nebenher" produzieren. Es ist aber schon sehr erstaunlich, wenn sich bestimmte Leute Kultur ohne Kulturindustrie gar nicht mehr vorstellen können. Gott sei Dank haben die Musiker früher nicht alle erst auf die Plattenindustrie gewartet.
sand
Gast
Ich sehe nicht wo sich das widersprechen sollte. Genau das ist doch im Sinne der Filesharer: die Künstler und nicht die Content-Mafia sollen entlohnt werden.
Statistisch gesehen geben Filesharer sogar mehr Geld für Musik aus. Wo ist also der Widerspruch?
Ranjit
Gast
Öhm... da hat jemand die Netzkultur vielleicht etwas zu wenig und die PR der Plattenfirmen und Verlage etwas zu sehr beachtet. Alles immer umsonst verlangt niemand. Künstler, Musiker und Autoren dürfen gerne Geld verdienen. Nur brauchen wir dazu keine riesigen Bürokratischen Monster die auf beiden Seiten, also Kunden und Erschaffer, ausbeuten.
Dementsprechend klingt der gesamte Artikel seltsam. Der Unterton der Überraschung und zugleich die Wetung, dass die Aktuere die nun auch Bezahlmodelle vertreten "erwachsen" geworden sind. Oder dass "Sunde einen Wandel vom Saulus zum Paulus vollzogen" habe.
Ich wäre zufrieden, wenn ich mit meinem Geld die Kreativen bezahle, nicht aber BWLer, die Geschäftsmodelle betreiben die allen schaden, Lobbyisten, denen sogar die Demokratie als Opfer recht ist um mehr Geld zu verdienen und Juristen, deren Vorstellung von Gerechtigkeit schwer wie eine Version des Rechts des Stärkeren klingt.
Zusätzlich möchte ich Zitieren und Teilen dürfen. Insbesondere bei Informationen. Eine Zeitung mit Paywall wird extrem nutzlos, da ich mich ja nicht mehr mit anderen vernetzen kann. Heute macht ein Artikel über begangenes Unrecht schnell die Runde. Informieren und mobilisieren ist schrankenlos möglich. Mit eine Paywall wäre das alles weg.
Der Wiederstand gegen Zensursula: Nie passiert, ohne all die aufpeitschenden, ignoraten Artikel der Holzmedien. Der Wiederstand gegen ELENA, ACTA, die Voratsdatenspeicherung, Atomkraft, Gentechnik usw. braucht das Teilen von Information.
Paywalls sind also in einem sehr realen Sinne repressive Methoden. Wollen wir dass? Geht das nicht auch besser? Ich denke durchaus.
Die Taz geht ja voran mit der Genossenschaft. Ansonsten freiwillige Unterstützungsabos. Die Möglichkeit Artikel "abzubezahlen". Jeder der für einen Artikel bezahlt wird Namentlich am Rand erwähnt. Kommt genug Geld zusammen, um den Journalisten für den Artikel zu vergüten, wird der Artikel frei im Sinne der Creative Commons: Namensnennung und Quelle genügt, dann darf man teilen.
planb
Gast
Hallo Redaktion,
konnte mir gestern keine TAZ kaufen, schön, dass es den Artikel doch noch online gibt.
Dafür habe ich mir heute die Sa/So Ausgabe gekauft. :-)
Noch was, hab es schon mal der Redaktion gemailt, die aber nicht darauf einging. Die TAZ kostet hier im Süden 1,50 Euro, am Wochenende 2,30 Euro. Wieso?
Übrigens würde ich 5 Euro im Monat für eine Onlinetaz ausgeben können (kostet jetzt noch 10), mein Nettoverdienst liegt bei 910 Euro, da ist mehr nicht drin, kaufe mir die Printtaz zur Zeit maximal 4 x im Monat.
Gruß
planb
Simon
Gast
Mir gefällt die Idee von Flattr. Es macht es möglich, den Leuten endlich etwas zukommen zu lassen, deren Kreationen man mag. In meinem Kopf habe ich da immer so das Bild des Straßenmusikers. Dessen Einkommen wird durch sein Können und die Anzahl der vorbeikommenden Leute beschränkt. Im Internet ist letzteres aber um ein Vielfaches höher. Wer etwas richtig gutes mit einigen Millionen Views produziert, könnte damit auch finanziell endlich davon profitieren.
Und vor allem würde es die ganzen Labels und Verwertungsgesellschaften vollends überflüssig machen.