Debatte um schärferes Jugendstrafrecht: Koch droht bösen Kindern mit Knast
Weil Hessens Ministerpräsident Koch auch Kinder mit Jugendarrest belegen will, attackiert ihn die SPD scharf. Auch die Kanzlerin bekommt ihr Fett weg.
Der Vorschlag von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), notfalls auch unter 14-jährige Kinder einzusperren, hat Empörung hervorgerufen. Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy sagte, Kochs Äußerungen seien "ausländerfeindlich" und trügen zur Sache nichts bei. "Je härter sie mit perspektivlosen Jugendlichen umgehen, desto verzweifelter und roher werden sie."
Auch die Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen wandte sich gegen ein hartes Vorgehen gegen Jugendkriminalität. Das stehe im Widerspruch "zu sämtlichen Ergebnissen der Forschung", heißt es in einer Resolution, die rund tausend Jugendrichter und Kriminologen unterzeichneten. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass härtere Sanktionen oder längere Strafen die Rückfallquote reduzieren würden.
Roland Koch hatte in Bild am Sonntag gefordert, gegen eine sehr aggressive und sehr kleine Gruppe von Menschen unter 14 Jahren mit dem Jugendstrafrecht vorzugehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützte die Forderungen Kochs erneut. Sie sprach sich für eine Erhöhung der Höchststrafe auf 15 Jahre, beschleunigte Gerichtsverfahren und den Warnschussarrest aus. Auch sollten über 18-Jährige nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt und ausländische Gesetzesbrecher schneller abgeschoben werden, sagte sie.
Die Koch-Debatte trübt immer stärker das Klima der Koalition. SPD-Chef Kurt Beck nannte es eine "Schweinerei ersten Ranges", dass ausgerechnet der Ministerpräsident eines Landes die Debatte anheize, in dem die Verurteilung eines Täters nach einer Straftat im bundesweiten Vergleich am längsten dauere. "Es ist ein Armutszeugnis, dass sich die CDU-Vorsitzende", sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, "vor den schäbigen Wahlkampfkarren von Roland Koch spannen lässt."
Als Wahlkampftaktik verurteilte auch Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) die Forderungen von Angela Merkel und der Union. Die "Antiausländerdebatte" der CDU erschwere den Dialog mit Migranten und Muslimen, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Entgegen allen Erkenntnissen reduziere Koch das Thema auf die Formel, Ausländerkinder seien besonders anfällig für Kriminalität.
Auch der Vizekanzler äußerte Kritik an der CDU-Vorsitzenden: Koch führe einen verantwortungslosen Wahlkampf, sagte Frank-Walter Steinmeier (SPD). Es sei gefährlich, mit den Ängsten der Leute zu spielen, anstatt sie ernst zu nehmen. Der Grünen-Politiker Kai Gehring sprach sich für mehr präventive Maßnahmen gegen Kinder- und Jugendkriminalität aus: "Gewaltkarrieren dürfen gar nicht erst entstehen, präventiv geht vor repressiv - das ist wirksamer." Vielschichtige Ursachen erforderten vielschichtige Präventionsansätze. Statt "Kochs Wahlkampfgetöse à la Kinderstrafrecht" sei auch eine bessere Erziehung nötig.
Den härtesten Angriff auf die Union hatte bislang SPD-Fraktionschef Peter Struck gefahren. Er hatte gesagt, er glaube, "dass Roland Koch ja eigentlich von Herzen froh war, dass dieser schreckliche Vorfall in München in der U-Bahn passiert ist". Eine Aufforderung der Union, sich zu entschuldigen, wies der SPD-Fraktionschef zurück. "Die kann mich mal."
Die Wut über die Kochschen Ausfälle ist aber auch außerhalb der Politik anzutreffen. Hamburgs Ver.di-Chef Wolfgang Rose sprach von einer "kalkulierten und medial begleiteten Ausländerhetze aus wahltaktischen Motiven". Die Gewerkschaft der Polizei warf der Union wahltaktischen Populismus vor. Die Landesbischöfe von Baden und Württemberg sprachen sich gegen "wohlfeilen Populismus" und "hysterische Strafverschärfung" aus. Auch Literaturnobelpreisträger Günter Grass kritisiert die Union.
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