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Debatte um die hässliche HauptstadtTatort Berlin-Mitte

Zwei "Tatort"-Schauspieler finden Berlin hässlich, Klaus Wowereit klagt über die leere Mitte. Hat die Sehnsucht nach der heilen Stadt nun die politische Mitte erreicht?

Hässliche Stadt: "Komissar" Boris Alinovic in einer Szene des letzten Tatorts am Potsdamer Platz Bild: Julia Terjung/rbb Fotograf rbb/Julia Terjung

Tatort Berlin

Oben und unten" hieß der "Tatort", in dem es am Sonntagabend um den Mord an einem Baulö- wen ging. Dazu lief der Soundtrack von Peter Fox Song "Schwarz zu blau". In dem heißt es: "Guten Morgen Berlin, du kannst so hässlich sein …"

"Hässliche Stadt. Tatort-Stars beleidigen Berlin" schlagzeilte der Kurier am Morgen nach der Sendung. Anlass war ein Interview mit den "Tatort"-Schauspielern Boris Aljinovic und Dominic Raacke, in dem Raacke sagte: "Berlin ist wirklich keine schöne Stadt."

Nicht schön findet Berlin auch der Regierende Bürgermeister. Vor allem dann, wenn er aus dem Roten Rathaus schaut. Deshalb will Klaus Wowereit (SPD) auf dem Platz mit dem "Marienviertel" ein Stück Altberlin neu erbauen.

Ähnliches hatte zuvor schon Kulturstaatssekretär André Schmitz gefordert. Das Problem: Laut Senatsbeschluss soll der Platz zwischen Fernsehturm und Spree Freifläche bleiben.

Die Touristen stehen auf Berlin, die Berliner sowieso. Trotzdem hat die Stadt mal wieder eine Imagedebatte am Hals. Schuld daran ist der RBB-Tatort "Oben und unten" vom Wochenende. Und vor allem seine Kommissare. Die Schauspieler Dominic Raacke und Boris Aljinovic haben in einem Interview Berlin als hässlich bezeichnet und damit die Hauptstadtpresse auf Trab gebracht. "Tatort-Stars beleidigen Berlin", titelte der Berliner Kurier und ließ Volkes Seele gegen die Schauspieler pöbeln.

Normalerweise könnte man das Ganze ins Schubfach mit dem Aufkleber Boulevard stecken. Doch der Kurier ist nicht der einzige, der sich derzeit um Schönheit oder Hässlichkeit der Stadt sorgt. Auch der Regierender Bürgermeister spielt mal wieder den Stadtplaner. Nach einem Blick aus dem Roten Rathaus kam Klaus Wowereit zu der Erkenntnis, dass die Leere rund um den Neptunbrunnen "nach neuen Lösungen schreit". Sein Kulturstaatssekretär André Schmitz hatte zuvor schon eine Bebauung der Fläche angeregt - mit dem Argument, dass gegenüber dem Schloss nie eine Brach- und Grünfläche war.

Nun könnte man Schmitz vorwerfen, dass er in den letzten 20 Jahren mit geschlossenen Augen durch die Stadtmitte gelaufen sein muss. Doch Schmitz Blindheit für die real existierende Stadt ist symptomatisch. Es geht - mal wieder - um die Sehnsucht nach einem längst verlorenen Berlin. Heimelig, kuschelig, sauber und schön.

Noch betont Wowereit, dass es sich bei seinem Leiden an der Leere um einen Einzelfall handele. Doch vor exakt zehn Jahren schaute schon einmal ein Regierungschef aus seinem Fenster und gab damit der Debatte um Berlins Mitte die entscheidende Wende. Da hatte der frisch nach Berlin gezogene Gerhard Schröder gejammert: "Von meinem Übergangsbüro im ehemaligen Staatsratsgebäude muss ich immer auf den Palast der Republik gucken". Er hätte da lieber ein Schloss. Mittlerweile sind der Palast und der Kanzler Geschichte. Die Rückkehr zum Kaiserschloss aber ist beschlossene Zukunft.

Zwar hat sich die von Exsenatsbaudirektor Hans Stimmann propagierte "gute Stube" am Pariser Platz längst zum Schlossplatz ausgedehnt. Doch das ist den Retro-Freunden nicht genug. Nun soll der Wiederaufbau über die Spree schwappen - Richtung Alexanderplatz.

Doch das würde das Bild Berlins nicht nur verändern, sondern sogar beschädigen. Um dies festzustellen, muss man keineswegs die Stadt durch eine ostalgische Brille sehen. Im Gegenteil: Wie schon bei der Debatte um den Palast der Republik trübt eine ideologische Sicht auf Berlins Mitte nur den klaren Blick. Den bekommt man viel eher, wenn man auf die T-Shirts schaut, die sich all die jungen Berlin-Touristen in ihre Koffer packen. Das Motiv, das die Jugend der Welt auf dem Herzen mit nach Hause trägt, ist nicht das Brandenburger Tor, es ist der Fernsehturm. Und das hat sicherlich keinerlei ideologische Gründe.

Vielleicht könnte man den Neubauplänen etwas abgewinnen, wenn nur ein Fünkchen Hoffnung bestünde, dass dort Architektur entstehen würde, die einem modernen Berlin entspräche. Doch dafür bräuchte es mehr als ein Bauchurteil à la Wowereit und Schröder. Es bräuchte eine Stadtplanung, die ihren Namen verdient - anspruchsvolle, öffentliche Diskussionen. Und einen ergebnisoffenen Streit über Schönheit. Vielleicht sogar über die Schönheit des angeblich Hässlichen. Und über die Qualität einer aus der Geschichte gewachsene Leere in Berlins Mitte.

Die Koryphäen der Stadtplanung jedoch haben sich längst aus den Debatten verabschiedet. Das darf nicht verwundern, weil am Ende immer nur Entwürfe zum Zuge kommen wie die schmerzhaft banale Stadtschlosskopie des italienischen Architekten Franco Stella. Dabei hätte selbst die rückwärtsgewandte Bauaufgabe Schlossrekonstruktion eine Chance sein können. Das haben die Wettbewerbsentwürfe gezeigt, die an den vom populistischen Bauchgefühl der Politiker bestimmten Vorgaben gescheitert waren.

Stattdessen wird alles, was Ecken und Kanten hat, als hässlich diffamiert. Dabei ist es gerade diese "Hässlichkeit", die Berlin so wunderbar macht. Das haben nicht nur die beiden "Tatort"-Schauspieler begriffen. In einem weiteren Interview hat Dominic Raacke gerade gesagt: "Berlin sieht toll aus. Und es sieht scheiße aus. Berlin ist nicht umsonst die Hauptlocation für Filme heutzutage."

Noch deutlicher bringt es der Sänger Peter Fox in seiner im letzten "Tatort" zu hörenden Berlinhymne "Schwarz zu blau" auf den Punkt: "Du bist nicht schön und du weißt das auch / dein Panorama versaut / Siehst nicht mal schön von Weitem aus / doch die Sonne geht gerade auf / Und ich weiß, ob ich will oder nicht / dass ich dich zum atmen brauch".

Der Song steht derzeit hoch oben in den Hitparaden. Er besingt allerdings weniger die ganze Stadt als die wunderbare Ranzigkeit rund ums Kottbusser Tor in Kreuzberg. In Berlins Mitte bleibt einem zunehmend die Luft weg.

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9 Kommentare

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  • MK
    Michael Klein

    Ende April 1987 bin ich von Hamburg nach Berlin gezogen und habe diesen Umzug bis heute nicht bereut. Berlin ist eine herrliche Stadt, auch wenn sie nach der Wende an einigen Orten sehr verschandelt wurde, wie schon erwähnt der Potsdamer und der Leipziger Platz oder die Friedrichstraße und das gräßliche Kranzler-Eck! Faszinierend an Berlin ist nämlich, dass Hässlichkeit und Schönheit hautnah beieinander sind, z.B. der nicht schöne Alexanderplatz und kurz dahinter das herrliche Nikolaiviertel! Zudem gibt es wenig Städte mit soviel Grün wie Berlin, lediglich Hamburg kommt an Berlin in dieser Sache heran. Hamburg sieht man die Schönheit sofort an, in Berlin muss man die Schönheiten schon suchen und sich darauf einlassen, dann merkt man mit Sicherheit, dass Berlin eine traumhaft schöne Stadt ist. Sicher gibt es Städte, die im konventionellen Sinne schöner sind z.B. München, Köln, Düsseldorf, Stuttgart, Bremen oder Nürnberg, aber was Faszination und Weltoffenheit betrifft, da kommt an Berlin nur Hamburg heran, vielleicht auch noch Köln, aber sonst kann keine deutsche Stadt Berlin das WAsser halten. Im Übrigen gibt es eine Stadt, die wirklich fürchterlich gräßlich und hässlich ist, nämlich Frankfurt am Main!

  • K
    Karina

    Ich habe 94/95 ein Jahr in Berlin am Kotti gewohnt. Dieses Frühjahr war ich seitdem zum ersten Mal wieder in Berlin und war erschüttert.

    Zur Mitte, rund um den Potsdamer Platz und den Reichstag fiel mir nur ein Wort ein: Betoninferno.

    Wenn man wissen möchte, wie ein Bauwahn eine Stadt verschandeln kann, dann sollte man sich dort umsehen.

    Hoffentlich wachen die verantwortlichen endlich auf.

  • T
    Tobbe

    Hört doch ma uff zu nörjeln. Berlin ist mit oder mit ohne Kotti, mit und mit ohne Potsdamer Platz schön.

    Und das schon, seit ich in dieser Stadt lebe. Und das ist schon ein ganzes Leben lang.

  • HE
    Holger Elf

    Gepfuscht: das ist nicht der Potsdamer Platz, sondern der Leipziger! (Es denn, Gereon Asmuth wollte damit andeuten, dass ein Platz mit der Hälfte der "Häuser" aus Plastikplane die Bezeichnung Platz nicht verdient).

  • KB
    Karl Bold

    Mein Aha-Erlebnis war nach einer Lesung im Berliner Dom. Anschließend wandelte ich in der warmen Sommernacht zum Alex und verspürte null Gemütlichkeit. Die Grünfläche am Rathaus hat abends nicht den geringsten Charme.

     

    Eine kleinteilige Bebauung am Neptunbrunnen wäre eine Chance. Die Begeisterung für Peter Fox'sche Häßlichkeit sinkt mit dem Lebensalter.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Es ist schon eklig. Da pupst die Schickeria und schon verwertet die TAZ den Stoff.

  • JF
    J. Frank

    Eine Stadt, die es zulässt, dass in ihre historische Mitte ein pfuiteufelhässliches Shopping-Ufo wie das Alexia gepflanzt wird (und nein, über Geschmack lässt sich in diesem Fall nicht streiten), hat es nicht besser verdient: Berlin, Hauptstadt des Augenkrebs'. Wozu gibt es eine Stadtplanung und Bauverordnungen, wenn dabei trotzdem Gebäude herauskommen, die 9 von zehn Befragten als hässlich bezeichnen?

  • SM
    S. M. Berner

    Äh, wie bitte??

    "...die wunderbare Ranzigkeit rund ums Kottbusser Tor in Kreuzberg". Eine der verkommensten Ecken Berlin, in der sich vor allem Dealer, Junkies und türkisch/arabische Jugendbanden die Hand reichen ist alles anderes als "wunderbar ranzig". Sie ist einfach Scheisse.

  • MC
    michel cratz

    hallo herr asmuth,

     

    ja, hässlichkeit kann schön sein. Vor zwanzig Jahren war berlin kaputt und wunderschön. aber heute? ist der leipziger platz schön? Ist die friedrichstraße schön? Ist schicki-mitte schön? ja? nein?

     

    sehnse.