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Debatte um Krachts "Imperium"Mehr brav als braun

Debatte? Wirklich? Es geht doch eher um Narzissmus als um Nazis. Aber wie demokratisch die platzanweisende Kritik ist, lohnt dann doch zu diskutieren.

"Imperium" ist eine eher brave als finstere Parodie auf den Kokosnuss-Kolonialismus. Bild: photocase / bonsai

Christian Kracht und seinen Roman "Imperium" muss man nicht verteidigen. Das ist bereits flächendeckend geschehen. In FAZ, SZ und anderen Blättern wurde der Vorwurf zurückgewiesen, den Spiegel-Autor Georg Diez gegen diese eher brave als finstere Parodie auf Kokosnuss-Kolonialismus und deutsche Aussteigerträume erhob.

Vor allem aber richtete er sich ja gegen Kracht selbst, den Diez als "Türsteher der rechten Gedanken", ja als eine Art Edelrassist und Demokratiefeind darstellte.

Also Schluss mit dem, was Debatte zu nennen doch reichlich übertrieben wäre. Denn es geht dabei weniger um Aufklärung als um Aufmerksamkeitsgewinn, weniger um Nazis, als um Narzissmus - und das ist naturgemäß immer der eigene. Dass ein Kiepenheuer & Witsch-Autor (Diez) gegen einen anderen (Kracht) zu Felde zieht, ist eine Bizarrerie am Rande.

Dass Kracht seine Lesereise nun abgesagt hat, weil die Vorwürfe ihn so sehr trafen, ist bei all dem Zuspruch, den er erhielt, nur schwer nachzuvollziehen. Dem Verkauf wird aber auch dieser Rückzug in die Empfindsamkeit nicht schaden.

Differenzierungsarbeit der selbsternannten Grenzposten

Und doch lohnt es sich, die zentrale Passage in Diez' Artikel noch einmal nachzulesen. Sie lautet: "Krachts Koordinaten waren immer Vernichtung und Erlösung. Er platzierte sich damit sehr bewusst außerhalb des demokratischen Diskurses." Das klingt bedrohlich, zeigt aber vor allem, dass Diez nicht nur Krachts frei flottierende Ironie nicht begriffen hat, sondern noch nicht einmal seinen eigenen Text.

So sprechen Platzanweiser, die über die Grenzen des demokratischen Diskurses offenbar ganz genau Bescheid wissen und dort ihren schweren Job als Hüter der öffentlichen Ordnung versehen. Sie entscheiden mit einem Halbsatz darüber, wer dazugehört, und wer mit einem Platz "außerhalb" vorlieb nehmen muss. Diese Differenzierungsarbeit der selbsternannten Grenzposten ist selbst nicht unbedingt demokratisch.

Diez befindet nun, dass die "Koordinaten von Vernichtung und Erlösung" jenseits des demokratischen Diskurses lägen. Dabei geht es in der Menschheitsgeschichte seit Jahrtausenden um nichts anderes, und die Erfindung der Demokratie hat daran nichts geändert. Das Christentum ist die Basisgeschichte von Vernichtung und Erlösung; die kapitalistische Wirtschaftsordnung, die unentwegt vernichten muss, was sie hervorgebracht hat, kommt ohne Erlösungsphantasien auch nicht aus. Der Fortschrittsglaube entspricht doch in etwa der Möhre, die man dem Esel vorhält, damit er brav weitertrottet, bis er nicht mehr kann.

Ein demokratischer Diskurs, der diese Fragen ausblendet oder als "Todessehnsucht" denunziert, wäre vor allem eins: langweilig. Ernst Jünger, den zu zitieren in diesem Zusammenhang vielleicht auch von Demokraten genehmigt werden wird, hat nach einem Besuch in New York in den 1950er Jahren über die USA geschrieben: "Die Uhren gehen dort vor - und wie seinerzeit Tocqueville so können auch wir heute ablesen, was uns blühen wird - eine Welt, die den Tod und die Liebe nicht kennt. Das hat mich unendlich bestürzt, obwohl es ja nur eine Bestätigung war."

Es fehlt die Ernsthaftigkeit

Krachts "Imperium" ist nicht deshalb fragwürdig, weil es darin um Vernichtung und Erlösung geht, sondern weil auch das für Kracht, wie alles, was er schreibt, nur Spiel, nur Stil, nur Attitüde ist. Seine ironischen Distanzierungsübungen laufen ins Leere. Kracht ist darin ein Nachfolger Thomas Manns, dessen Ironie auch immer aus der eigenen Überlegenheit kam. In "Imperium" kultiviert Kracht eine dem Thema durchaus angemessene, arroganzgewürzte Herrenprosa, ohne sich in Gefahr zu begeben.

Ihn wie Diez als "Céline seiner Generation" zu bezeichnen, ist deshalb völlig abwegig. Dazu fehlt ihm eine ganze Menge, vor allem Ernsthaftigkeit. Wie man wirklich, bis in die Tiefen der Seele und des Körpers hinein, über Vernichtung und Erlösung schreiben kann, zeigt vielmehr Péter Nádas in seinem gewaltigen, die Abgründe des totalitären 20. Jahrhunderts auslotenden Roman "Parallelgeschichten". Wer den gelesen hat, muss nicht mehr über Kracht debattieren.

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6 Kommentare

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  • AV
    Achim von Arnim

    Auch dieser Artikel beweist wieder, dass die Übung der Journalisten darin zu bestehen scheint, den einen Autor gegen den anderen, bzw. den anderen Journalisten auszubeuten. In den wenigsten Fällen geht es um den Text selbst, stattdessen wird die biographische Lesart bis zum Umkippen betrieben. Kracht sei dies, er sei das. Es fehle ihm die Ernsthaftigkeit einerseits, andererseits bewege er sich auf den Spuren von Thomas Mann?!? Es handelt sich doch - soweit das der normale Leser, der den Text ja noch nie in den Händen hatte - um einen historischen Roman mit rhetorischer Distanznahme (Ironie), der an einer historischen Stelle angesiedelt ist, an der der `demokratische Diskurs`(über welchen Diskurs reden wir? Habermas oder Fourcault?) vielleicht garkeine Rolle spielen sollte. Im übrigen, und das könnte man fast allen Rezensenten ans Herz legen, lernt bereits der Erstsemester Literaturwissenschaft, dass es mehr um den Text als um den Autor geht. Der Erstsemester liest dann Barthes "Der Tod des Autors" oder Foucault "Was ist ein Autor". Die Reaktionen auf das Buch sind fragwürdig, nicht das besprochene Buch (?) oder vielmehr der besprochene Autor, dem man "Tristesse Royal" bis heute nicht verziehen hat. Das ist eher ein Symptom für den Journalismus, die Debatte verrät mehr über den sog. Kulturjournalismus als über das Buch, sie bezeugt, dass noch kein Weg zu zeitgemäßer Literaturkritik gefunden wurde.

  • D
    dr.marder

    hr.kracht hat vor allem ein problem, er kann nicht schreiben. schon in "Ich werde hier sein ..." hat er eine originelle plotidee durch seine armselige écriture zuschanden gefahren, und nach den zitierten stilblüten zu schliessen, ist er vom status des absoluten unvermögens ohne aufenthalt in das idyll des nicht mehr können wollens hinübergeglitten.

    sonst ist ihm nichts vorzuwerfen.

  • H
    HamburgerX

    @2010sdafrika: Es ist auch linkes Gedankengut salonfähig. Rechts und links sind Bestandteile der Demokratie. Schon vergessen?

     

    Es geht doch hier um extremistische Ansichten. Nicht ob jemand rechts oder links ist.

  • AW
    Alexander Wallasch

    Ach Quatsch – Sie verkennen hier doch völlig den von nichts mehr zu übertreffenden Vorwurf den Diez da ausgesprochen hat. Wer hier nicht die Fürsprecher hat, die Kracht hat, ist doch nach dem Vorwurf für den Literaturbetrieb erledigt. Für immer. TAZ Autor Süßelbeck hat hier an selber Stelle "Deutscher Sohn" von Ingo Niermann und mir als Buch für junge NPDler machen wollen. Nur kompromisslosestes Intervenieren konnte eine Öffentliche Entschuldigung des Autors erzwingen. Nein, die Sache ist nicht so harmlos, wie sie sie hier darstellen wollen.

  • H
    HamburgerX

    Was ist ein "demokratischer Diskurs"? Ein guter Diskurs lebt von der Bandbreite der Meinungen, und selbstverständlich lässt sich auch über die Demokratie diskutieren. Mehr noch: Ohne solche Diskurse wäre ja auch gar keine Selbstvergewisserung möglich, ob das politische System, in dem man lebt, im Großen und Ganzen das Richtige ist. Dann wäre es nur noch ein vorgegebene Glaubensformel.

    Auch schon bei Sararzin wurde gerne die Formel vom Verlassen des "demokratischen Konsens" bemüht, aber solche Ausgrenzungsformeln sollten wirklich vorsichtig verwendet werden, sonst etabliert sich tatsächlich so etwas wie eine antidemokratische Atmosphäre: Das Verbieten von Meinungen.

  • 2
    2010sdafrika

    Das Problem ist, das rechtes Gedankengut auch bei Journalisten salonfähig geworden ist, wie im aktuellen Fall zu Bartholomäus Grill im Hinblick auf Schwarze in Südafrika: http://t.co/8sdoVzXG.