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Debatte um ChatGPTDie KI-Zukunft im Musikjournalismus

ChatGPT fehlt die sinnliche Konzerterfahrung des Musikjournalisten. Man könnte auch Künstler und Journalisten im Interview durch Bots ersetzen.

Ein Konzert mit allen Sinnen erleben? Das kann die KI leider nicht Foto: Robert Kohlhuber/imago

I nterviews zu machen habe ich immer gehasst. Außenstehende sehen darin gern den glamourösen Höhepunkt des Musikjournalismus, aber in Wahrheit ist es eher so, dass sich bislang geheiligte Groß­künst­le­r*in­nen als maulfaule Miesepeter entzaubern, dass sie nur über ihr aktuelles Produkt sprechen möchten und nicht über ihre Großtaten vor zwanzig Jahren und dass auch untadelige Men­schen­freun­d*in­nen mitunter schlechte Laune haben.

Am allerschwierigsten waren aber immer die Gespräche mit Newcomer*innen, die gerade mal zwanzig Jahre alt sind und nun ihr Debüt produziert haben. Über dieses Werk und die seine Entstehung begleitenden Ereignisse und Anekdötchen ist schnell alles gesagt – wie fülle ich die restlichen 25 Minuten meines 30-minütigen Interviewslots?

Aber der Beruf des Musik-„Journos“ ist ja ohnehin dem Untergang geweiht, und bald werden wir alle ersetzt durch künstliche Intelligenzen. Oder nicht? Der Streaming-Service „Tidal“ beauftragte kürzlich den britischen Musikjournalisten Simon Reynolds, dieser Frage nachzugehen. Ergebnis: Entwarnung. Sein Auftrag an ChatGPT, den Text im Reynolds-Stil zu verfassen, zeigte ihm, dass die KI noch nicht mal überzeugend einen vorgegebenen Duktus imitieren kann!

Weitere Versuche ergaben, dass KIs offensichtlich nicht korrekt recherchieren können (oder wollen?), keine emotional gefärbten Texte hinbekommen, daher weder verreißen noch abfeiern können, Konzertbesprechungen ohne die sinnliche Konzerterfahrung nicht funktionieren, Interviews ohne die Fähigkeit, auf die Mimik und allgemein das Gesprächsverhalten des Gegenübers eingehen zu können, ebenfalls nicht, und überhaupt habe eine KI weder ein Verhältnis zur Musik noch das Sendungsbewusstsein, dieses Verhältnis mit der Öffentlichkeit zu teilen.

Technologie entwickelt sich schnell

Noch mag das alles richtig sein, aber man sollte das Tempo nicht unterschätzen, in dem sich die Technologie weiterentwickelt. Spe­ziell für den Interviewbereich sehe ich Einsatzmöglichkeiten – allerdings weniger als Ersatz für den/die Journalist*in, sondern für den/die Künst­le­r*in (bzw. das Management/Agentur/Plattenfirma).

Denen fallen die immer gleichen Fragen von mehr oder weniger gut vorbereiteten Jour­na­lis­t*in­nen natürlich genauso lästig – warum sich also nicht vertreten lassen durch eine gut trainierte KI, die immer im vorher eingeübten Sinn antwortet, und das vielleicht noch mit einer sprachlichen Spritzigkeit, die dem/der Interviewten eigentlich abgeht.

Bedenkt man, dass Interviews heutzutage ohnehin nicht selten per Zoom, Skype oder gar Mail geführt werden, fällt auch das von Reynolds angeführte empathische Defizit von KIs kaum noch ins Gewicht. Man könnte den Künstler-Bot auch noch realistischer machen, indem man ihm verschiedene Launen antrainiert, die dann per Zufallsgenerator zum Einsatz kommen.

Frage-Bot und Antwort-Bot

Richtig spannend würde es, wenn dieser brillante, aber launische Antwort-Bot von einem ebenso gut und komplex programmierten Frage-Bot gegrillt würde. Sicherlich ein Gewinn für den Musikjournalismus.

Wird nicht passieren? Wird passieren müssen. Denn die Künst­le­r*in­nen der Zukunft sind Composer-Bots, die derzeit noch hinter den Kulissen der Streaming- und Videodienste an den Geschmäckern der Kun­d*in­nen trainiert werden.

Man sollte das Tempo nicht unterschätzen, in dem sich die Technologie entwickelt

Schon bald werden diese Dienste nicht nur weitere Tracks vorschlagen, die einem nach der Datenlage auch gefallen müssten, sondern werden alle Titel im Sinne des Konsumenten mehr oder minder stark modifizieren, Titellängen, Tempi und Frequenzgänge anpassen, vielleicht den Beat verstärken, den Refrain häufiger wiederholen, irgendwann die Stücke komplett umbauen, schließlich und endlich gleich selbst komponieren und produzieren. Und das so individuell optimiert und geil, dass die Abon­nen­t*in­nen vor Wonne kreischen.

Ist doch klar, dass diese Genies dann auch interviewt werden müssen, oder? Also.

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3 Kommentare

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  • Kunst und Kultur werden noch lange KI verschlossen bleiben!!!!!



    ChatGBT war nicht auf dem Konzert ... hat nicht siene erste Liebe bei dem Song kennen gelernt... usw



    Die gesamte KI-Diskussion ist zu emotional. KI (was man so KI nennt) wertet nur zur verfügung stehende Daten aus... also was im Netz ist... Sortiert und setzt zusammen (und das ist schon beägstigend).. Also immer nur ein Plagiat des exisrierenden Wissens und kann niemals eine Idee oder eine Schöpfung hervorbringen

    • @Tomas Poetsch:

      >>kann niemals eine Idee oder eine Schöpfung hervorbringen

      Können Sie es? Es ist recht einfach sich einzubilden, dass das was man so denkt und meinetwegen schreibt sei Emanation des eigenen Geistes. Zugleich ist allen, die das tun offenbar nicht klar, dass alles was in diese Art Produktion fällt (Gedanken, Sätze whatever) niemals Schöpfung sui generis ist. Man benutzt gebrauchte Wörter, verbindliche Syntax, gehörte Phrasen, man ist ein menschlicher ständiger Wiederverwender und Neupantscher, der stückelt, zusammenfügt und allenfalls neu arrangiert. Warum also einbilden, es sei etwas gänzlich anderes als die Neupantscherei der KIs? Versuchen Sie mal einen Satz aus vier Wörtern zu bilden, der gegoogelt keine Treffer liefert... Ist gar nicht einfach! Warum? Weil die Menge solcher Sätze aus einem überschaubaren endlichen Wortschatz ebenfalls überschaubar ist. Nimmt man die Begrenzungen durch Syntax, durch Notwendigkeit von Sinnzusammenhängen, durch unserer Kapazitäten und thematische Limitierungen, wird klar, dass wir uns mit unserem gewöhnlichen sprach- und denk-produktiven Tun in relativ abgezirkelten Bereichen bewegen. Eigentlich ist der Raum, den die KI überschaut und beherrscht sogar enorm größer, so dass eigentlich relativ rasch ihre vollkommene Überlegenheit sichtbar werden sollte. Der jetzige Stand (von ChatGPT4 beispielsweise) ist bereits deutlich über dem, was ein durchschnittlicher Erdenbewohner von seinen - kaum geordneten und noch weniger kohärenten - Gedanken zu erzählen imstande ist. In 5 Jahren werden wir die KIs in jeder Lebenslage fragen, was zu tun ist. Und gewiss bessere und kreativere Antworten bekommen als unsere eigenen gängigen Phrasen. Eigentlich kann es nur besser werden.

    • @Tomas Poetsch:

      Es ist richtig, dass KI derzeit noch nicht in der Lage ist, Kunst und Kultur vollständig zu verstehen oder selbst zu schaffen. Es fehlt der KI an der Fähigkeit, menschliche Emotionen, Kreativität und Originalität zu imitieren. Allerdings hat die KI in der Kunst- und Kulturbranche bereits beeindruckende Leistungen erbracht, wie z.B. das Erstellen von Musik und Kunstwerken. Es ist wichtig zu beachten, dass KI in der Kunst und Kultur nicht als Ersatz für menschliche Kreativität betrachtet werden sollte, sondern als eine Ergänzung, die neue kreative Möglichkeiten eröffnet. Letztendlich wird es immer die menschliche Note und den menschlichen Geist geben, die die Kunst und Kultur vorantreiben.



      (Kommentar generiert von ChatGPT)