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Debatte über Laufzeit-VerlängerungStadtwerke gegen Atomkraft

Die kommunalen Versorger sehen den Wettbewerb bedroht, wenn Atommeiler länger laufen. Umweltminister Röttgen will AKWs maximal acht weitere Jahre geben.

"Keine hinreichende Akzeptanz in der Bevölkerung": Atomkraftwerk Grafenrheinfeld.

Die Antiatombewegung bekommt Unterstützung von ungewohnter Seite: Stadtwerke mischen sich in die Diskussion um die Verlängerung der AKW-Laufzeiten durch Schwarz-Gelb ein. Die größten acht Kommunalunternehmen, zusammengeschlossen in einem Verbund namens 8KU, haben sich von der Universität Leipzig berechnen lassen, was ein Ausstieg aus dem Atomausstieg bedeuten würde: "Wettbewerb und Innovation auf dem Energiemarkt", so das Fazit, wären "massiv bedroht". Wenn nämlich die alten Reaktoren von Eon, RWE, Vattenfall und EnBW länger laufen, würde die Macht der vier Energieriesen zementiert und der Strommarkt mit billiger und unflexibler Atomenergie regelrecht überschwemmt.

Die vier großen Stromkonzerne in Deutschland beherrschen bislang rund 80 Prozent der Kraftwerkskapazitäten, das schrittweise Auslaufen der Atomkraft würde also automatisch zu mehr Wettbewerb führen. Im Jahr 2025 hätten die Konzerne bei Wegfall ihrer AKWs laut der Studie des Leipziger Ökonomie-Professors Thomas Bruckner nur noch einen Marktanteil von gut 50 Prozent. Kippt Schwarz-Gelb hingegen den Ausstieg, hielten die Konzerne auch 2025 noch zwei Drittel der deutschen Kraftwerkskapazitäten in ihren Händen. Und bei einer Laufzeitverlängerung um acht Jahre könnten sie sich laut Bruckner über "zusätzliche Deckungsbeiträge" in Höhe von 56,6 Milliarden Euro freuen.

Für die Stadtwerke und andere Konkurrenten hingegen wären die Folgen schmerzhaft. Sie haben in den vergangenen Jahren viel Geld investiert, zumeist in Erdgaskraftwerke. Diese Anlagen sind wegen ihres niedrigen CO2-Ausstoßes relativ klimaschonend, und weil sie flexibel an- und abgefahren werden können, sind sie die ideale Ergänzung für die schwankungsanfällige Windkraft. "Wir haben uns auf das geplante Ausstiegsszenario verlassen", sagt etwa Thomas Prauße, Chef der Leipziger Stadtwerke. Hunderte Millionen Euro habe man beispielsweise in ein Erdgaskraftwerk und erneuerbare Energien gesteckt. "Eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten bedeutet eine Gefahr für deren Wirtschaftlichkeit." Auch der weitere Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung stehe infrage - dabei ist deren Förderung offizielles Ziel der Bundesregierung.

Die streitet gegenwärtig jedoch auch über die Detailregelungen der geplanten Laufzeitverlängerungen. Denn Bundesumweltminister Norbert Röttgen deutete im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung an, dass er die Meiler höchstens acht Jahre länger am Netz halten wolle. "Die Kernkraftwerke sind auf 40 Jahre ausgelegt", sagte er.

Deutlicher Widerspruch kam vom stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs. Er sagte der Welt am Sonntag: "Statt sich den Grünen an den Hals zu werfen, sollte Herr Röttgen lieber versuchen, die Energiepreise in Schach zu halten." Weiter sagte er: "Sichere Kernkraftwerke können weiterlaufen, und zwar nicht nur 40 Jahre, wie Herr Röttgen willkürlich festlegen will, sondern 60 Jahre wie in den USA oder noch länger."

Doch der Bundesumweltminister ging noch einen Schritt weiter: Auch nach 40 Jahren gebe es keine hinreichende Akzeptanz in der Bevölkerung für diese Energieform. Deshalb solle sich die Union als Volkspartei "gut überlegen, ob sie gerade die Kernenergie zu einem Alleinstellungsmerkmal machen will".

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5 Kommentare

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  • H
    Hans

    Viele Stadtwerke haben sich verspekuliert und in viel

    zu teure Stromproduktionsanlagen oft sog. alternative

    investiert.

    Die Rechnung dieser Stadtwerke geht nur auf, wenn der

    Strom fortwährend teurer wird. Das haben ihnen die

    Rotgrünen versprochen.

    Wenn die Stromproduktion der Konkurenten günstiger

    wird, gehen die Stadtwerke pleite. Davor haben sie

     

    zurecht Angst wegen des Bürgerzorns.

    Die Politik der Stadtwerke die auf hohe Energiepreise

    setzten ist Bürgerfeindlich.

    Jetzt rufen sie nach Wettbewebsbegrenzung.

    Wie die Zuckerrübenbauern.

    Die Liberalisierung des Stommarktes wird die Tante-

    emmaerzeuger wegputzen.

  • S
    Sebas

    Die Aussage ist irgendwie entlarvend: "Wenn nämlich die alten Reaktoren von Eon, RWE, Vattenfall und EnBW länger laufen, würde die Macht der vier Energieriesen zementiert und der Strommarkt mit billiger und unflexibler Atomenergie regelrecht überschwemmt"

     

    Es geht den Stadtwerken also nicht darum, dass wir und unsere Arbeitsplätze billige Energie haben, sondern darum, diejenigen, die einfach besser und billiger produzieren können, zu behindern.

    Es wäre ja eine Katastrophe, wenn wir weniger für Energie zahlen müssen, gell?

    Wobei auch die Aussage von wegen unflexibler Strom aus Kernkraftwerken nicht stimmt: Kernkraftwerke sind von der Lastwechselgeschwindigkeit erwiesenermaßen in etwa so flexibel wie Gaskraftwerke, etwa dreimal so schnell wie Kohle.

     

    Noch @Jim Bob: Theoretisch könnte man schon - aber die Frage ist welche Menge. Leider denken viele Leute, dass man, wenn man 100 MW mit einer Energiequelle erzeugen kann, automatisch auch 100.000 MW erzeugen kann. Das ist etwa so, wie damals mit dem Biosprit: Theoretisch kann man natürlich rein mit dem fahren. Praktisch hätten wir aber, selbst wenn wir vollständig aus der Lebensmitelproduktion in der Landwirtschaft ausgestiegen wären und nur noch dafür produziert hätten, mit 100% der Ackerfläche in Deutschland gerade mal 20% unseres Treibstoffe produzieren können. An die Folge des Biosprit-Hypes werden sich hier einige wohl noch erinnern: Regenwald wurde Branntgerodet, damit man darauf Zuckerrohr- (Bioethanol) oder Ölpalmplantagen pflanzen kann und in Mittel und südamerika sind Leute verhungert und es kam zu Unruhe, weil sich dort keiner mehr den Mais zum Essen leisten konnte: Westliche Ökos zahlten viel mehr dafür, daraus subventionierten Bioethanol herzustellen.

     

    Ich bin zwar durchaus dafür, soweit es geht Biogas einzusetzen, aber man kann sich leicht ausrechen, dass wir da - genau wie beim Biosprit - selbst mit unserer gesamten Anbaufläche nur Bruchteile unseres Energiebedarfes decken können.

     

     

    Ach, und noch nebenbei: Wer hier weiß, dass Gaskraftwerke selbst im "abgeschalteten" Zustand, wenn sie kein Watt Energie erzeugen, Gas verbrennen (wenn natürlich auch erheblich weniger als bei Volllast)? Das ist auch CO2 und Geld, das wir alle bezahlen müssen.

  • JB
    Jim Bob

    @symphatisant, sie werden ihr Erdgas wohl auf dem freien Markt besorgen.

    Aber im Gegensatz zum Uran lässt sich das Erdgas auch langfristig durch Biogas ersetzen ! ;-)

    http://www.naturstrom.de/fileadmin/rheinmedia_basic_template/media/pdf/energiezukunft_2009-7.pdf

     

    Erneuerbare Grüße Jim Bob

  • FG
    Friedrich Grimm

    Vielleicht sollte Herr Michael Fuchs sich einmal die Stellungnahme dieser vereinigten Stadtwerke anhören. Jedoch, so mein Eindruck, ist Herr Fuchs derart von Atom-Euros vollgedröhnt, dass wohl kaum ein vernünftiger Gedanke an ihn heran kommen mag; er ist eben, wie die gesamte Union, inklusive FDP, wahnsinnig wirtschaftskompetent.

    Noch 'nen Satz zum Vorkommentar. Möchte der Schreiber die Laufzeit der Atommeiler vielleicht gar davon abhängig machen, wer der Gaslieferant der Stadtwerke ist?

  • S
    symphatisant

    Na prima, da können sich die Grünen ja nun die Hände reiben. Aber irgendwie fehlt mir in dem Artikel ein Hinweis darauf, wo diese Stadtwerke ihr Erdgas her beziehen? So unabhängig, wie sie sind.