STANDBILD: Debatte ohne Wert
■ "Mittwochs um 8", West 3, 20 Uhr
Während parallel die schon lange nicht mehr rein deutschsprachige Hitparade im ZDF über die Showbühne ging, versuchten vor den Kameras des WDR einige Experten das Wesen des deutschen Schlagers zu ergründen. Ein interessantes Thema, zumal die Produzenten deutscher und insbesondere volkstümlicher Klänge in den letzten Monaten einen ungeahnten Aufschwung verzeichnen konnten. Leider gab es schon kurz nach Beginn Anzeichen dafür, daß die Sendung kein Ergebnis zeitigen würde.
Es ist schier unbegreiflich, daß die Gesprächsleiter aber auch aller Sender sämtlich den gleichen Fehler machen und lieber auf Teufel-komm- raus dem Ablaufplan folgen als einmal ein Thema erschöpfend behandeln, eine Kontroverse austragen, ihre Gäste ausdiskutieren zu lassen. Dabei zeichneten sich spannende Gespräche ab: Der — wohlpräparierte — Musikjournalist Frank Laufenberg gab sich herrlich frech bis unverschämt, und er traf absolut ins Schwarze mit seiner überspitzt formulierten Polemik wider die verlogene Gesellschaftskritik des sich ambitioniert gebenden Schlagers. Gewiß war er sich seiner Provokation bewußt, als er behauptete, die Mehrzahl englischer Texte sei anspruchsvoller als die deutschen. Allein seine Bemühung war für die Katz', denn die Gesprächsleitung wußte den Ball nicht aufzunehmen.
Nicht nur wurden die Sängerinnen und Sänger nach ihrem Auftritt und einem Kurzinterview auf den Rang verbannt, von wo aus sie sich nur mit Verzögerung beteiligen konnten, auch innerhalb der Talkrunde kam kaum ein Gespräch zustande. Moderator Müller erbat hier ein Statement, dort eine Replik, und kaum war die Debatte in Gang gesetzt, unterbrach er für einen Film- oder Musikbeitrag.
Exakt diese totale Absenz von Spontaneität, diese beamtenhafte Prinzipienreiterei und krampfhafte Vermeidung jedweder Kontroverse machen deutsche Talkshows unnötig langweilig. Andererseits wundern sich die Fernsehreakteure naserümpfend, warum ein „Blödelheini“ wie Karl Dall so hohe Einschaltquoten erzielt — er ist eben immer für eine Überraschung gut und verfügt über Improvisationstalent. Ein bißchen davon nur wünscht man Sendungen wie dieser — und alle hätten mehr davon. Herr Dittmeyer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen