Debatte: Warum wir ein Ausbildungssicherungsgesetz brauchen : Aufruf für eine Azubi-Umlage
Die einzige Wirkung ist über ein ökonomisches Druckmittel zu erzielen. Deshalb brauchen wir jetzt endlich ein Ausbildungsumlagegesetz
1996 wurde in Nordrhein-Westfalen der Ausbildungskonsens geboren. Doch im Ergebnis stellen wir fest, dass in NRW, wie im gesamten Bundesgebiet das Angebot an Ausbildungsplätzen kontinuierlich sinkt. Gleichzeitig steigen die Schulabgängerzahlen an. Auch im vergangenen Vermittlungsjahr blieben über 7.000 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz übrig. Nicht einmal jeder zweite Jugendliche, der beim Arbeitsamt eine Lehrstelle suchte, erhielt am Ende einen Ausbildungsvertrag!
Bis heute versuchen die Beteiligten im Ausbildungskonsens die unversorgten Jugendlichen in Ersatzmaßnahmen unter zu bringen. Bislang vergeblich. Viele Jugendliche wandten sich ab und hoffen auf eine erfolgreiche Bewerbung im neuen Ausbildungsjahr. Die meisten Jugendlichen reagieren irgendwann nicht mehr auf das Arbeitsamt und fallen aus der Statistik heraus – in Ausbildung gelangen die wenigsten. Letztendlich wird hier mit der Wahrheit gelogen.
Die Arbeitgeber halten sich weiterhin kontinuierlich zurück. Allen Versprechungen der Arbeitgeberverbände in Konsensrunden, Bündnissen für Arbeit, Runden Tischen zum Trotz. Doch trotzdem setzt die Politik immer noch auf so genannte freiwillige Lösungen und wartet seit Jahren vergeblich darauf, dass die Arbeitgeber ihrer Ausbildungsverpflichtung nachkommen. Mittlerweile bildet bundesweit nicht einmal mehr jedes vierte Unternehmen aus. Mit sinkender Tendenz. Die Nürnberger Bundesagentur für Arbeit hat in einer Studie vorgestellt, dass es alleine in Nordrhein-Westfalen über 100.000 Betriebe gibt, die zwar ausbilden könnten, es aber nicht tun.
So sind zunehmend die ausbildenden Betriebe die Dummen, da sie alleine die Kosten der Berufsausbildung für die Gesamtwirtschaft tragen. Als Wettbewerbsverzerrer handelt die weitaus größere Gruppe der Arbeitgeber und lässt als Trittbrettfahrer für sich ausbilden.
Der Mechanismus eines Ausbildungssicherungsgesetzes ist denkbar simpel. Für alle Unternehmen, Betriebe und Verwaltungen soll auf Bundesebene eine Ausbildungsquote festgelegt werden, die sich an den erwarteten Schulabgängern orientiert. Weiter wird vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) ermittelt, wie hoch die Kosten für die Berufsausbildung sind. Die Betriebe haben dann die Wahl, die erforderliche Ausbildungsquote zu erbringen, oder einen Umlagebetrag in einen Bundesfonds zu zahlen, oder aus diesem Bundesfonds Mittel zu beantragen, wenn sie mehr als die erforderliche Quote ausbilden.
Der Praxis-Test beweist: Die Umlage funktioniert In einigen Branchen ist es den Gewerkschaften bereits gelungen, ein Umlageverfahren mit dem Tarifpartner zu vereinbaren. So zahlen Deutschlands Landschaftsgärtner bereits seit 26 Jahren eine Ausbildungsplatzabgabe und denken nicht daran, sie abzuschaffen. Auch im Bauhauptgewerbe ist eine Umlage seit Jahren selbstverständlich. Beide Regelungen haben eines gemeinsam: Sie verhindern, dass Trittbrettfahrer fertig ausgebildete Gesellen von anderen abwerben, ohne selber eine Gegenleistung erbracht zu haben und sie sorgen nach Aussagen aller Beteiligten für eine bessere Qualität der Ausbildung. Denn mit den Fondsmittel können überbetriebliche Teile der Ausbildung finanziert werden, die kleine Betriebe so nicht tragen könnten. Obwohl im Baugewerbe in den letzten Jahren ein Großteil von Arbeitsplätzen vernichtet worden ist, bleibt der Ausbildungsbereich sehr stabil und steht gegenüber anderen Branchen überdurchschnittlich gut da. Fazit: Die Ausbildungsumlage stellt das einzige verfügbare Instrument dar, um die gesellschaftliche Ausbildungsverantwortung der Arbeitgeber wirksam einzufordern.
Letztlich ist die Einführung der Ausbildungsumlage somit der Versuch, den faktisch längst eingetretenen Ausstieg der Arbeitgeber aus dem dualen System aufzuhalten und die Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft durch die Ausbildung qualifizierten Nachwuchses zu sichern. Wer eine Umlage ablehnt muss daher sagen, was er stattdessen für die Jugendlichen und für die Zukunft des dualen Systems tun will. Sicher ist aber: Die Zeit der Appelle ist vorbei. Zu viele Versprechen aus Kanzlergesprächen und Konsensrunden sind nicht eingehalten worden. Zu viele Jugendliche befinden sich bereits in Warteschleifen und werden Jahr um Jahr vertröstet. Die einzige Wirkung ist über ein ökonomisches Druckmittel zu erzielen. Deshalb brauchen wir jetzt endlich ein Ausbildungsumlagegesetz – im Interesse der gesellschaftlichen Zukunftschancen von jungen Menschen und im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes.