Debatte Währungskrise: Wie hart ist der Euro?

Immer mehr Deutsche wünschen sich die alte DM zurück. Doch wenn der Euro zerbricht, könnte Deutschland der größte Verlierer sein.

Was passiert eigentlich, wenn der Euro auseinanderbricht? Diese Frage stellt sich nicht hypothetisch, sondern real. Kanzlerin Merkel hat zwar am Mittwoch verkündet, dass der Euro "krisenfest" sei, doch tatsächlich ist keineswegs gesichert, dass die Währungsunion überlebt. Europaweit wird debattiert, dass es demnächst einen starken "Nordeuro" und einen schwachen "Südeuro" geben könnte. Viele Deutsche hätten es gern noch radikaler: In Umfragen wollen 48 Prozent ihre alte DM wieder haben.

Diese Bundesbürger scheinen sich vorzustellen, dass der Euro wie ein Kaufhaus funktioniert - man geht rein und wieder raus. Doch leider ist der Euro kein Laden mit Drehtür. Es ist zwar relativ einfach, dem Euro beizutreten - doch ein Austritt wäre wie ein Sprung aus dem zehnten Stock.

Wer den Euro verlassen will, muss dies irgendwann bekannt geben. Das klingt banal und ist brisant. Denn schon das Gerücht, dass sich Deutschland aus dem Euro verabschieden könnte, würde die Finanzmärkte ins Chaos stürzen. Sofort nämlich würden die Bewohner der schwachen Euro-Länder zu ihren Banken eilen, um ihre Guthaben abzuheben und in ein starkes Euro-Land zu transferieren. Es würde höchstens ein paar Stunden dauern, bis alle südlichen Kreditinstitute schließen müssten, weil ihnen das Geld ausgeht. Denn die Panik würde nicht nur die Griechen und Iren erfassen, sondern auch Spanier, Portugiesen und selbst die Italiener würden versuchen, ihr Erspartes in Sicherheit zu bringen.

Sturm auf die Banken

Diese Panik in den südlichen Euro-Ländern wäre keineswegs Wahnwitz, sondern höchst berechtigt. Sobald Deutschland allein oder aber gemeinsam mit anderen wirtschaftlich starken Nationen aus dem Euro austritt, können sich die Bewohner der schwachen Euro-Länder ausrechnen, was ihnen geschieht: Im Vergleich zur DM oder zum "Nordeuro" wäre ihr Geld nichts mehr wert. Ihr "Südeuro" oder ihre Einzelwährungen wie Drachme, Lira und Escudo würden dramatisch abstürzen. Da liegt es überaus nah, die eigenen Euros noch schnell in ein sicheres, also starkes Euro-Land zu transferieren. Geeignete Zielgebiete wären Deutschland, aber auch Österreich, die Niederlande und Finnland. Frankreich und Slowenien könnten sich ebenfalls anbieten.

Dieser Sturm auf die Banken ist kein abwegiges Szenario, sondern findet bereits statt. Zu besichtigen ist dieser (noch) schleichende Prozess in Irland. Dort haben die Gläubiger der Pleitebanken allergrößte Zweifel, ob diese Katastropheninstitute nicht demnächst zusammenbrechen. Selbst die immensen Rettungspakete der irischen Regierung können die Anleger nicht beruhigen. Also wird das Geld aus Irland abgezogen. Eigentlich hätten die irischen Banken längst zusammenbrechen müssen. Sie sind nur noch lebensfähig, weil sie sich bei der Europäischen Zentralbank (EZB) Geld leihen dürfen. Diese permanenten "Liquiditätshilfen" sind zwar regelwidrig, doch hat die EZB gerade angekündigt, diese Geldspritzen bis Ende März zu verlängern. Denn zu Recht fürchtet die EZB das Chaos, falls irische Banken unkontrolliert schließen müssten. Noch immer sitzt der Schock tief, dass der Zusammenbruch der kleinen US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 eine weltweite Finanzkrise auslösen konnte.

Insel in einem Meer aus Geld

DM-Fans sind von derartigen Argumenten meist nicht zu beeindrucken. Frohgemut denken sie sich, dass es ihnen doch egal sein kann, falls Banken in Irland, Griechenland, Spanien, Portugal oder gar Italien das Geld ausgeht. Schließlich haben sie ihre Ersparnisse im sicheren Deutschland angelegt. Diese DM-Fans scheinen sich die Bundesrepublik als eine Insel vorzustellen, die allein und unabhängig in einem Meer voller Geldscheine schwimmt. Die Realität sieht anders aus.

Die Deutschen könnten sogar die größten Verlierer sein, wenn der Euro auseinanderbricht. Denn einen großen Teil ihrer Auslandsguthaben dürften sie nicht wiedersehen. Als Exportnation hat Deutschland enorme Überschüsse aufgehäuft und dann wieder nach Irland, Griechenland oder Spanien verliehen - in Euro natürlich. Wenn aber plötzlich diese überschuldeten Länder den Euro verlassen müssen und nur noch eine schwächelnde Währung besitzen, dann können sie diese Euro-Schulden niemals zurückzahlen. Auf die deutschen Banken und Lebensversicherungen würden Milliardenverluste zukommen. Wieder einmal müssten die Hypo Real Estate oder die Commerzbank vom Steuerzahler gerettet werden.

Neidischer Blick nach Norden

Die Griechen, Iren oder Portugiesen hingegen wären ihre Schulden los, schlicht weil sie zahlungsunfähig wären. Die Staatspleite hat daher durchaus Charme für viele Randeuropäer, denen auch schon aufgefallen ist, dass sie mit ihrem Steuergeld vor allem ausländische Gläubiger retten sollen. Längst wogt in den irischen Blogs eine Debatte, ob man nicht den Euro verlassen und es wie die Isländer machen sollte: Die Isländer haben sich schlicht geweigert, ihre Auslandsschulden komplett zu begleichen, und zugelassen, dass ihre Krone gegen den Euro abstürzt. Durch diese Wechselkursverluste ist Island jetzt wieder international konkurrenzfähig, und die Wirtschaft wächst. Neidvoll gucken die Iren nach Norden.

Die DM-Fans sind also keineswegs die Einzigen, die sich einen Abschied vom Euro wünschen. Die länderübergreifende Koalition von Euroskeptikern macht es so wahrscheinlich, dass die Währungsunion zerbricht.

Die Risiken für die deutschen Firmen wären immens. Sie würden sofort ihre internationale Konkurrenzfähigkeit verlieren - egal, ob das neue Geld dann "Nordeuro" oder wieder DM heißt. Diese starke Währung wäre weltweit so gefragt, dass sie um 20 bis 30 Prozent aufwerten würde - was nichts anderes bedeutet, als dass die Löhne drastisch sinken müssten, falls Deutschland seine Exportmärkte erhalten will. Die deutschen Arbeitnehmer wären die Verlierer.

Der Euro treibt auseinander. Doch Kanzlerin Merkel diskutiert in Brüssel lieber, wie ein Krisenmechanismus ab 2013 aussehen könnte. Dabei ist gar nicht sicher, ob die Währungsunion bis dahin durchhält.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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