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Debatte VerarmungsangstTrost im "Schonvermögen"

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Alle Parteien wollen, dass Hartz IV gezahlt wird, auch wenn noch ein kleines Vermögen vorhanden ist. Ist dieser Vorschlag vernünftig?

W ahlkämpfe sind immer auch Phasen der Werbung um die Mittelschichtmilieus. Und deren Empfindlichkeiten. So überschlugen sich die Parteien in den vergangenen Wochen mit ihren Ankündigungen, unbedingt das "Schonvermögen" erhöhen zu wollen, also den Freibetrag, den ein Bürger sich nicht anrechnen lassen muss, wenn er Arbeitslosengeld II (Hartz IV) bezieht.

SPD-Sozialminister Olaf Scholz hat angekündigt, künftig alle Ersparnisse, die erst zum Rentenbeginn gebraucht werden, zu diesem "Schonvermögen" zählen zu wollen. Die CDU hat in ihrem Wahlprogramm eine "wesentliche" Erhöhung der Freibeträge versprochen. Die FDP fordert eine Anhebung des Schonvermögens auf 750 Euro pro Lebensjahr, will dabei aber auch die bisher anrechnungsfreie Riester-Rente mit hineinnehmen. Grüne und Linke sprechen sich schon länger für eine Stärkung der Freibeträge für die Altersvorsorge aus.

Selten gab es bei einem Sozialthema eine solche Einigkeit. Das "Schonvermögen" ist das politische Trostpflaster für die Mittelschichten in Zeiten, in denen die privaten Ausgaben für die Gesundheit steigen und die gesetzlichen Renten sinken. Die Vorschläge der Parteien greifen Sorgen auf, die jene Milieus umtreiben, übrigens als Folge ebenjener Reformen, die einige dieser Parteien mit auf den Weg brachten.

Gegenwärtig dürfen die Empfänger von Hartz IV nur sehr begrenzte Freibeträge behalten, ohne dass dieses Geld auf den Leistungsbezug angerechnet wird. Der Freibetrag liegt bei 150 Euro pro Lebensjahr für Geldvermögen plus 250 Euro pro Lebensjahr für eine Altersvorsorge, die erst mit Rentenbeginn angetastet werden kann. Das Angesparte der "Riester-Rente" bleibt bis zum Rentenbeginn anrechnungsfrei, wie eine selbst genutzte Immobilie auch.

Wer heute 40 Jahre alt ist, vielleicht aus einer Erbschaft oder sonstigen Quellen ein paar zehntausend Euro auf dem Konto hat, der bekommt ein Problem, sobald er in eine Phase des Hartz-IV-Bezuges rutscht. Denn alles Vermögen, das über 16.000 Euro liegt, muss abgeschmolzen werden, bevor der erste Euro vom Jobcenter fließt. Das erzeugt Ängste gerade bei einer Generation, der die Rente mit 67 zugemutet wird. Der späte Ruhestand verstärkt die Sorge, irgendwann im Arbeitsleben mal eine Phase "auf Stütze" durchzumachen. Auch Alleinerziehende müssen ihr Sparbuch weitgehend auflösen, wenn sie nicht mehr umhinkommen, Hartz IV zu beantragen, selbst wenn es nur ergänzend zum Teilzeitverdienst ist.

Beim "Schonvermögen" von Arbeitslosengeld-II-Beziehern geht es also weniger um Privilegien als vielmehr um Restautonomie. Zur Debatte steht nicht die Schonung der 200.000 Euro auf dem Konto eines Erben in München, sondern die Reisen, die Zahnimplantate oder die Heilmittel, die sich eine 50-jährige geschiedene Sekretärin in Hannover auch noch im Alter leisten möchte, selbst wenn sie länger arbeitslos wird.

Das Schlagwort "Mittelschicht" ist daher längst zu pauschal. Es findet vielmehr eine Aufspaltung der Mittelschicht statt, erklärt der Sozialforscher Berthold Vogel in seinem Buch "Wohlstandskonflikte". Die Mittelschichtmilieus leben heute in höchst unterschiedlichen Sicherheitszonen. Beispielsweise werden die kaum kündbaren Beschäftigungen im öffentlichen Dienst abgebaut. Im öffentlichen Dienst gibt es heute die höchste Quote an Befristungen. Immer mehr BürgerInnen erleben die Risikolagen von Soloselbständigen, befristet Beschäftigten oder Geschiedenen.

Der Privatbesitz bleibt da das letzte Refugium - gegen die Gefahr, sich eine medizinische Behandlung nicht mehr leisten zu können oder im Alter durch Verarmung ausgeschlossen zu sein. Das erlebt heute schon jeder, der sich einen gewünschten Zahnersatz nicht leisten kann, weil die 2.000 Euro dazu fehlen. Der Zuwachs an Sicherheitsgefühl ist größer, wenn man nur ein kleines Vermögen hat und davon 10.000 Euro mehr behalten kann, als für die Wohlhabenden, bei denen diese Summen keinen spürbaren Unterschied mehr machen.

Der Besitz von Kleinvermögen rettet ein Gefühl von Handlungsfähigkeit, vielleicht vergleichbar der Subsistenzwirtschaft in Schrebergärten, die früher der Arbeiterschaft und dem Kleinbürgertum ein Gefühl von Eigenständigkeit gaben. Nach Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) verfügen Facharbeiter übrigens im Durchschnitt über ein Vermögen von 46.000 Euro, Immobilienwerte eingerechnet.

Nun könnte man argumentieren, mit höheren Freibeträgen sollte nur die "Mittelschicht" auf Kosten aller Steuerzahler geschont werden. Doch das ist nicht so. Wer kein Vermögen besitzt, hat in der Regel wenig Einkommen und zahlt daher kaum Steuern für Hartz-IV-Empfänger. Außerdem spart der Staat Sozialhilfe für die Älteren, wenn diese unter Umständen in späten Jahren weniger Leistung beanspruchen, weil sie etwas Geld auf dem Konto haben.

Es macht daher Sinn, die "Schonvermögen" bei Hartz IV zu erhöhen - aber nur dann, wenn nicht etwa Geldanlagen in beliebiger Höhe geschützt werden, die nur irgendwie mit dem Fälligkeitsdatum des Rentenbeginns versehen sind. Und nur dann, wenn klar ist, dass diese Debatte nichts zu tun hat mit dem Streit über eine Vermögen- oder Erbschaftsteuer. Die Schonung von Kleinvermögen im Falle von längerer Arbeitslosigkeit ist etwas ganz anderes als das Aussparen von Familienvillen bei der Erbschaftsteuer oder die Nichtantastung von dicken Bankdepots durch eine Vermögensteuer, wie es die großen Parteien zu verantworten haben.

Wer sich mit der gesellschaftlichen Verteilung von "kleinen Sicherheiten" beschäftigt, der muss auch die Debatte aufmachen über die unterschiedlichen Sicherheitsprivilegien in der Bevölkerung. Die Anhäufung von Besitz erfüllt andere Wünsche als der Schutz vor Absturz in die Exklusion. Die Debatte über die "Schonvermögen" sollte daher zum Anlass genommen werden, auch über die neuen Spaltungen in der Mittelschicht zu reflektieren. Das ist eine politische Aufgabe für die Zukunft.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

4 Kommentare

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    klaus baum

    Die Sache mit dem Schonvermögen für das Rentenalter hat einen Haken. Fällt man mit dem Eintritt in dieses Alter unter den Hartz-IV-Satz, dann gibt es ergänzende Grundsicherung. Die erlaubt einen Freibetrag an Vermögen von zirka 2.500.-- Euro.

    Alles, was man darüber besitzt, muss erst einmal aufgebracht werden, und zwar nicht willkürlich und großzügig, d.h. man lebt trotz dieses relativen Vermögens schon an der Armutsgrenze.

    Die Forderung seitens einiger Politiker nach Erhöhung des Freibetrages wird im Rentenalter zum Bumerang. Sparen lohnt sich nur wenn absehbar ist, dass man eine höhere Rente als den Hartz-IV-Satz bekommt.

  • GC
    Gabriel Cyron

    Beim Bundessozialgericht ist zur Zeit anhängig

    was Einkommen und was Vermögen ist.

    Im vergangenen Jahr wurde mir eine Erbschaft

    mit einem nicht allzugroßen Betrag zugesprochen.

    Das Job-Center hat mir mittgeteilt, dass es sich hier um Einkommen handelt. Obwohl ich es in eine

    Kapitalanlage zur Altersicherung auf fünf Jahre angelegt hatte, wurde ich vom Sozialgericht Berlin und Landessozialgericht entschieden, den Sparvertrag aufzulösen, davon zu leben und ab

    Januar 2010 wieder einen Antrag auf ALG II stellen. Mein Rechtsanwalt teilte mir mit, sollte das Bundesozialgericht zu meinen Gunsten entscheiden, würde ich das Geld vom JobCenter

    zurückerhalten. Das glaube ich nicht. Was nützen Freibeträge, die an das Vermögen gekoppelt sind, wenn entschieden wird, es sei Einkommen ?

  • S
    Spartaner

    Selbst „Gut verdienende“ sind mittlerweile gut beraten, keine kleinen Vermögen mehr anzusparen. Mit meinen heute über 40 Lebensjahren, stehen mir immer noch über 25 Arbeitsjahre bevor! Bis zum heutigen Tage war ich immer Vollzeitbeschäftigt. Meine voraussichtliche Rente wird aber trotzdem nur knapp über dem derzeitigen Grundbetrag (ca. 800€) liegen und das nur bei fortgesetzter Vollzeitbeschäftigung ohne Unterbrechungen bis 67 Jahren.

    Ja wie wahrscheinlich ist das denn?????

    Also gibt es eine immer größere Anzahl Gutverdienender Nichtvermögender. Auch ich zähle dazu. Ich bin so egoistisch und gönne mir viele angenehme Dinge im hier und jetzt. Denn jetzt kann ich noch gut sehen, hören, laufen und bin relativ gesund. Jetzt mache ich all diese Dinge für die ich im Alter vorsorgen solle. Ja für wie blöd halten uns die Politiker eigentlich. Da sitze ich lieber im Alter blind taub und dumm unter einer Brücke!

  • WS
    wolfgang stein

    Vorhandene Vermögen sollten geschont werden, wenn sie eindeutig für die Alterssicherung verplant sind.

    Trotzdem ist eine Reform der Hartz IV Gesetze längst

    überfällig. Die leistungen für Kinder müssen erhöht

    werden. es sollten aber verstärkt Sachleistungen

    und Bildungskosten für Kinder übernommen werden.

    Barauszahlungen ist bei vielen Eltern stark einzu-

    schrenken, da dies Geld bei bildungsfernen Menschen

    füe Elektronikschrott, Alkohol und Zigaretten

    ausgegeben wird. Da nachsehen haben die Kinder

    dieser Schichten.Die dann auch noch sehr oft

    Arbeifaunwillig sind und dies an ihre Kinder

    vererben. Dieses Problem ist sehr defiziel, aber

    es muß mal endlich auf den Tisch kommen.Das hat

    auch nichts mit Diskriminierung zu tun.