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Debatte Pflanzliche KraftstoffeRaps ist nicht die Lösung

Kommentar von Tobias Münchmeyer

In der Diskussion um pflanzliche Kraftstoffe kritisiert Greenpeace den Vorschlag der Grünen, die Anbauflächen für Biomasse zu vergrößern. Eine Antwort auf Bärbel Höhn.

(Adj.) [zu veraltet Behut = Bewahrung]: sorgsam-vorsichtig, achtsam, rücksichtsvoll". So lautet der Eintrag im Duden für das Wort "behutsam". In ihrem taz-Kommentar von letzter Woche bezeichnete Grünen-Fraktions-Vize Bärbel Höhn den in ihrem Energiekonzept vorgesehenen drastischen Ausbau der Agrokraftstoffnutzung als "behutsam". Von 6 Prozent heute auf 18 Prozent im Jahre 2020 solle der Anteil der Agrokraftstoffe (auch irreführend "Bio"-Kraftstoffe genannt) am Spritverbrauch in Deutschland steigen. Greenpeace hält dies nicht für "behutsam", sondern für unverantwortlich.

Bild: greenpeace

TOBIAS MÜNCHMEYER, geboren 1968 in Bielefeld, studierte Politikwissenschaft und ist derzeit stellvertretender Leiter der Politischen Vertretung von Greenpeace in Berlin. Er ist dort vor allem für den Bereich Energie- und Klimapolitik zuständig.

Vom Sondergutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen über die Stellungnahme der OECD bis hin zu den Forschungsanalysen von Paul Crutzen - alle zeigen: Flüssige Agrokraftstoffe aus Raps, Getreide und Zuckerpflanzen schneiden in ihrer Emissionsbilanz und im Flächenverbrauch erheblich schlechter ab als die Nutzung von Biomasse wie Restholz für Strom und Wärme. Die Grünen formulieren jedoch - wie auch die Bundesregierung entgegen den Empfehlungen ihres eigenen Sachverständigenrates - Ziele, die vor allem einen drastischen Ausbau bei eben dieser Nutzung von Agrokraftstoffen vorsehen.

Bereits heute stößt der Monokulturanbau von 1,2 Millionen Hektar Raps für Agrodiesel, das entspricht einem Zehntel der gesamten Ackerfläche in Deutschland, an natürliche Grenzen. Nachhaltigkeit kann nach Auffassung von Greenpeace nur gewährleistet werden, wenn der Einsatz von Agroethanol und Agrodiesel in Deutschland zurückgefahren würde, während die Produktion von Wärme und Strom aus Biomasse unter bestimmten Umständen noch maximal verdoppelt werden könnte. Bis 2020 würde sich mit den Ausbauzielen der Bundesregierung bzw. der Grünen auch der Flächenverbrauch für den Anbau der energetischen Biomasse verdreifachen. In Deutschland oder - und das ist aufgrund der Kostenstrukturen weitaus wahrscheinlicher - im Ausland. Bereits dieses Jahr wurde rund eine halbe Million Tonnen undeklarierten Genrapsöls (ca. 10 Prozent des deutschen Rapsölbedarfs) aus Kanada - zum Teil über den Umweg Dubai - importiert. Ist das ein "achtsamer" Prozess? Der ineffiziente Raps wird sicherlich in einigen Jahren verdrängt werden. Aber wodurch? Durch Sojaöl aus Brasilien? Durch Palmöl aus Indonesien?

Die schwedische Firma OKQ8 beabsichtigte, als erstes Unternehmen in Europa Palmöldiesel zu 20 Prozent fossilem Diesel beizumischen und mit diesem Palmöldiesel zum Weltmarktführer in Agrodiesel aufzusteigen. Greenpeace hat in Schweden in den vergangenen Wochen eine intensive Kampagne gegen den Einsatz von Palmöl in Agrodiesel geführt - mit dem Erfolg, dass OKQ8 Ende Oktober beschloss und bekanntgab, dass es kein Palmöl in seinem Agrodiesel verwenden werde. Vorerst.

Die Bundesregierung nun bereitet in einer Verordnung, die Anfang Dezember im Kabinett beschlossen werden soll, Kriterien für Nachhaltigkeit und ein Zertifizierungssystem vor. Im vorliegenden Entwurf ignorieren diese Kriterien jedoch den Einsatz von Gentechnik sowie die indirekten Effekte einer Landnutzungsänderung, also die Verdrängung anderer Ackerpflanzen etwa auf Urwald- oder Torfmoorfläche. Darüber hinaus warnen Experten vor einer Überschwemmung mit "Gammelzertifikaten", zu Unrecht erteilten oder gefälschten Zertifikaten.

Höhn hat recht, wenn sie schreibt, dass die Ursache für Hunger hauptsächlich in einer ungerechten Landverteilung liegt. Absehbar ist aber, dass ein extrem rasanter Flächenverbrauch und ein Ansteigen der Lebensmittelpreise durch einen Biomasse-Boom zu enormen sozialen Verwerfungen führen und in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln treten und zu mehr Hunger bei denjenigen führt, die einen großen Teil ihres Geldes für Grundnahrungsmittel ausgeben müssen.

Es geht Umwelt- und Klimaschützern nicht darum, die energetische Nutzung der Biomasse zu "verdammen", wie Bärbel Höhn schreibt. Natürlich ist es richtig, dass verglichen mit den gigantischen Flächen, die für die Fleisch- und Futtermittelproduktion in Brasilien genutzt werden, die Flächen für den Zuckerrohranbau für die Ethanolproduktion noch bescheiden sind. Aber erstens kämpft Greenpeace in Brasilien seit Jahren auch gegen die Ausbreitung der Weide- und Sojaflächen. Zweitens ist die zu erwartende Steigerungsrate hinsichtlich der Ethanolnachfrage weit höher als die bei der Fleisch- und Futtermittelnachfrage. Ethanolimporte aus Brasilien drängen förmlich auf den europäischen Kraftstoffmarkt.

Ähnlich sieht es beim Palmöl aus Indonesien und Malaysia aus: Derzeit wird der Großteil des Palmöls für Nahrungsmittel und Kosmetik eingesetzt. Aber 2005 wurden bereits 4,5 Prozent der Weltproduktion von Palmöl für den Energiemarkt in der EU produziert. Die Nachfrage nach Palmöl zur energetischen Nutzung steigt exponential an. Schon jetzt sind Indonesien und Brasilien wegen ihrer hohen Abholzungsraten hinter den USA und China die größten CO2-Emittenten weltweit. Und da sind wir wieder bei der Verantwortung der potenziellen Importstaaten wie Deutschland. Vor dem Hintergrund dieses Nachfragesogs, den wir erzeugen, und der massiven ökonomischen Interessen der Mineralöl- und Automobilkonzerne allein auf Zertifizierung zu setzen ist entweder naiv oder fahrlässig.

Greenpeace fordert daher von den agrokraftstoffexportierenden Staaten ein Moratorium für einen Anbau von Biomasse, der auf ökologisch sensiblen Flächen, insbesondere Urwald- und Moorwaldflächen erfolgt und/oder gentechnisch veränderte Pflanzen verwendet und/oder soziale Mindestkriterien missachtet. Wir fordern einen Stopp von Biomasse-Importen aus all jenen Staaten, die nicht ein solches Moratorium beschließen.

Es ist die Zeit gekommen für eine Art "globalen Flächennutzungsplan". Wie bekommen wir Ernährung für eine wachsende Weltbevölkerung, Klimaschutz und gerechte Teilhabe an der Weltwirtschaft angesichts begrenzter Ressourcen und begrenzter Flächen unter einen Hut? Ein globaler Flächennutzungsplan würde klarer nachvollziehbar machen, dass es ökonomisch machbar und nachhaltig ist, die Erzeugung von Windkraft bis 2050 weltweit zu verhundertfachen und die der Solarenergie sogar um das 300-Fache zu steigern. Er würde aber auch deutlich machen, dass eine ähnliche Vervielfachung bei der Nutzung von Biomasse nicht geht - oder katastrophale Folgen hätte. Global gesehen kann die Nutzung der Biomasse unter nachhaltigen Bedingungen maximal verdoppelt werden. Dabei sollte die Biomasse aber fast ausschließlich im Bereich der kombinierten Strom- und Wärmeerzeugung zum Zuge kommen. Es wäre schlicht dämlich, diesen wertvollen Rohstoff in ineffizienten Motoren zu verbrennen. Der Ast, auf dem wir sitzen, besteht aus Biomasse. Und den sollten wir uns nicht selbst absägen.

TOBIAS MÜNCHMEYER

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5 Kommentare

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  • BW
    bernhard wagner

    Pardon, im vorletzten Satz muss es "20" % heißen! Statt der 1 also eine 2 vor die Null!

    -- Übrigens könnte auch Ausralien mehr als 250.000 km2 seiner Wüste bewässern und weitere 250.000 heute wenig genutztes Steppenland fruchtbar machen, ohne Gentech, und auch den ggf. verwendeten Kunstdünger mit Solarenergie erzeugen. Elektromotoren sind zwar leise und abgasarm, aber die Akkus brauchen meistens solche Stoffe wie Lithium, und da liegt ein großes Problem - sogar wenn PKW weltweit kleiner & leichter werden.

  • BW
    bernhard wagner

    In Tambogrande, Peru, haben Hunderte Menschen mit einfachen technischen Mitteln und Fachkenntnissen mithilfe von Bewässerung aus steiniger Wüste fruchtbares Land gemacht.

    Das war schon in den 1950ern. Die Weltbank hat hier 'mal 'was Gutes unterstützt.

    Daraus könnte gelernt werden, z.B. mithilfe solarenergetischer Meeresentsalzung an der Küste Afrikas, Australiens, Indiens etc. könnten Hunderttausende km2 Wüste fruchtbar gemacht werden,

    statt die letzten Urwälder für Soja & Palmöl etc. abzuholzen.

    Nur 10% der Fläche z.B. der Länder Mauretanien, Mali, Niger, Tschad, Sudan, Äthiopien, Somalia, sowie Angola, Sambia, Simbabwe, Botswana & Mosambik

    sind zusammen 2,5 Mio km2, auf denen in Mischkulturen sowohl Pflanzen für Nahrung (Datteln, Hirse etc.), als auch für Agrofuels (z.B. schnell wachsendes Elefantengras) angebaut werden können.

    Es ist v.a. eine Frage von Kapitalmacht (Patente für Technologien, Landbesitz etc.), Einsicht und politischem Willen, weltweit.

  • G
    Guest

    Richtig. Das ist immer so mit den "Ich bin dagegen"-Artikeln. Die wichtige Frage ist natürlich, wie Fahrzeuge angetrieben werden können, wenn Erdöl ausfällt. Die Quellen für die mögliche Energierzeugung sind vielfältig - Wasser, Sonne, Wind, Erdwärme, Gezeiten und und und - Agrarrohstoffe stehen aber in Konkurrenz zu anderen Nutzungen.

    Und was ist mit den afrikanischen Bauern, die sich vom europäischen Markt abgeschottet fühlen? Wenn Energie verfügbar wird, könnte man dort auch mit entsalztem Meerwasser bewässern.

  • UL
    Ulrich Lasar

    Um behutsam zu argumentieren:

    1. Entscheident ist die Art des Anbaus - wenn ich bspw. Raps behutsam anbaue - was dann?

    2.Monokulturanbau mit Raps geht eigentlich gar nicht - Rapsanbau ist nur alle drei bis vier Jahre auf dem selben Standort möglich.

    3. Warum denn auch immer die Fixierung auf Raps - in unseren Breiten gedeihen zahlreiche andere Ölpflanzen, deren Öl genutzt werden könnte - wenn sie denn angebaut würden.

    4. Nutzung von Biomasse für Strom und Wärme - warum ist das "behutsamer" als Biomassentreibstoff? Lieber mit Holz heizen und das Erdöl zum Fahren nutzen?

    5.Ist es "behutsamer", die letzten Reste des wertvollen Rohstoffs Erdöls in ineffizienten Verbrennungsmotoren zu verheizen? Ist das nicht (auch)dämlich, obwohl wir es seit hundert Jahren mit Begeisterung machen?

    6.Sicherlich ist eine Verhundertfachung von Wind- und Solarenergie sinnvoll und muss angestrebt werden - aber wo sind die Elektrofahrzeuge, die mit diesem erzeugten Strom gefahren werden müssten? Wo sind die Batterien, die Kapazitäten haben, um auch LKW antreiben zu können?

    7.Autofahren mit Verbrennungsmotoren ist halt kein behutsamer Umgang mit der Umwelt - weder mit Erdöl, noch mit Pflanzenöl oder Alkohol. Auch Bigas als Treibstoff in Gasfahrzeugen stößt bei der Herstellung an Flächenverbrauchsgrenzen.

    8. Kriterien für die Nachhaltigkeit beim Verbrennen von fossilen Öl und Gas werden sich glücklicherweise bald erübrigen: es wird sie einfach nicht mehr geben! Und dann?

  • MK
    Matthias Keller

    Wo sind die Alternativen? Ein drastischer Ausbau der Erdölförderung? Ich bin irgendwo enttäuscht, daß diese Themen immer ziemlich einseitig betrachtet werden. Bei Biodiesel wird z. B. gerne bezweifelt, ob es klimafreundlicher ist als Mineralöldiesel. Für mich ist es aber schon deshalb 'Bio', weil es ungiftig und nicht wassergefährdend ist. Und nachwachsend noch dazu. Und der Raps hat den Vorteil, daß er den Boden mit Stickstoff aus der Luft anreichert. Deshalb braucht er keine Stickstoffdüngung und die Düngung für die nächste angebaute Frucht kann zumindest verringert werden. Weizen, Mais, Gerste, Hopfen, Klee, Erbsen, Rotkohl, Kartoffeln, ... wird in der Regel als Monokultur angebaut. Ist eine Raps-Monokultur eigentlich schlechter?

    Es gibt auch Ölfrüchte, die sehr anspruchslos sind und in Gebieten angebaut werden können, wo Palmen, Soja und dergleichen nicht wachsen. Die hätten auch den Vorteil, daß die Anbauer nicht von der Agrarindustrie abhängig wären.

    Die Idee eines globalen Flächennutzungsplans finde ich sehr gut. Zumindest globale Schutzgebiete, wie Urwälder und dergleichen, müssten ausgewiesen werden.

    Ich denke, letzten Endes müssen wir den Verbrauch von Mineralöl einschränken. Alleine über Effizienzsteigerung wird das schwierig. Und vom umfassenden Wandel des Lebens- und Arbeitsstils sehe ich bislang nichtmal den Anfang.