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Debatte ÖlpreisPeak-Oil macht kreativ

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Der Ölpreis wird auf 200 Dollar pro Barrel steigen. Die Politik muss sofort umdenken: Neue Autobahnen werden nicht mehr gebraucht - und neue Landebahnen auch nicht.

Bild: privat

Bernward Janzing ist studierter Geowissenschaftler und arbeitet als freier Journalist in Freiburg. Die Energiemärkte sowie die effiziente - und kostensparende - Nutzung von Energie zählen seit Jahren zu den Schwerpunkten seiner Arbeit.

In der konservativen Politik und Wirtschaft pflegt man ein Tabu. Auch wenn der Ölpreis steigt - wie zuletzt auf über 146 Dollar je Barrel -, wird eisern über Peak-Oil geschwiegen. Es wird die Tatsache geleugnet, dass die weltweite Ölförderung ihr Maximum soeben überschritten hat.

Ein fataler Fehler. Denn die schwindenden Ressourcen werden einen enormen Wandel der Industriegesellschaften auslösen. Und dieser Umbau wird nur sozialverträglich ablaufen, wenn wir uns frühzeitig darauf einstellen. Alle langfristigen Entscheidungen sind umgehend daraufhin zu überprüfen, ob sie auch noch richtig sind, wenn der Ölpreis die 200-Dollar-Marke dauerhaft überschreitet.

Erste Voraussetzung dafür ist, dass die Verdummung der Menschen aufhört. "Ein Ölpreis von über 60 oder gar 80 Dollar pro Barrel wird durch die Fundamentaldaten der Ölindustrie nicht gedeckt", hatte zum Beispiel im vergangenen Oktober der leitende Energieanalyst beim New Yorker Investmenthaus Oppenheimer gesagt und hinzugefügt: "Die Ölblase wird platzen." Auch andere Analysten benutzen diese Phrasen. Doch natürlich ist nichts "geplatzt".

Unterdessen schwadroniert die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe darüber, dass die weltweite Ölförderung erst im Jahre 2020 ihr Maximum erreichen werde. Und die Internationale Energieagentur macht sich lächerlich mit der Prognose, im Jahr 2030 werde man eine globale Förderung von 116 Millionen Barrel pro Tag erleben, gegenüber 85 Millionen heute. So wird suggeriert, der hohe Ölpreis sei ein vorübergehendes Phänomen - was am Ende falsche Politik provoziert.

Die Energy Watch Group hat hingegen berechnet, wie es mit der Ölförderung abwärts geht: 2007 lag sie weltweit bereits um gut 0,5 Prozent niedriger als im Jahr zuvor. Nach Erkenntnissen der Forscher wird sich der Abschwung beschleunigen, die verfügbare Menge bald um 3 Prozent jährlich sinken. Im Jahr 2020 wird die Förderung nur noch bei 70 Prozent der heutigen Menge liegen, im Jahr 2030 bei der Hälfte.

Die Werte sind solide recherchiert; man muss nur die Förderkurven aller Ölregionen addieren. Die Fördermengen beschreiben für jedes Ölfeld nämlich eine ähnliche Glockenkurve und sind daher gut fortzuschreiben. In der Summe ergibt sich eine Kurve, die jetzt eindeutig abwärts weist. Der amerikanische Erdöl-Geologe Kenneth S. Deffeyes hatte im Herbst 2005 den Feiertag Thanksgiving zum "World Oil Peak Day" erklärt, und gesagt: "Von jetzt an geht es zurück mit der Ölförderung auf der Erde, erst langsam, dann immer schneller." Er dürfte Recht behalten.

Statt die Fakten zu ignorieren, sollten wir die Wirtschaft so schnell wie möglich fit machen für die 200-Dollar-Epoche. Der Staat darf also den steigenden Energiepreisen nicht mehr hinterhersubventionieren. Er muss vielmehr fördern, was Energie spart, nicht was Energie kostet.

Beispiel Verkehr: Statt den Spritverbrauch per Pendlerpauschale zu subventionieren, muss die Stadt der kurzen Wege zum politischen Leitbild werden. Jeder verhinderte Großmarkt in der Peripherie ist ein Fortschritt, weil damit die Verkaufslagen in den Innenstädten gestärkt werden. Auch jedes Mischgebiet, in dem Wohnen und Kleingewerbe nebeneinander existieren, ist ein Gewinn. Weil solche Umbauprozesse jedoch Jahre brauchen, müssen wir sofort mit ihnen beginnen.

Oder nehmen wir den Stromverbrauch: Sinnvoller als Zuschüsse zur Stromrechnung für Arme sind Finanzierungskonzepte, die es ebendiesen Menschen ermöglichen, sich einen sparsameren Kühlschrank zu kaufen. Oder einen Gasherd statt eines Elektroherds. Mikrokredite sind hier eine Lösung.

Die öffentliche Hand wird zudem ihre gesamten Investitionshaushalte umbauen müssen. Um beim Verkehr zu bleiben: Wer heute noch Flugplätze ausbaut, veruntreut Steuergelder. Denn der Luftverkehr wird bei weiter steigenden Ölpreisen nicht mehr wachsen können. Wozu also neue Start- und Landebahnen?

Ähnliches gilt für den Straßengüterverkehr. Alle Zuwachsprognosen, die heute kursieren und die als Legitimation für Autobahnbauten herhalten müssen, sind nicht mehr haltbar, sobald der Dieselpreis die Marke von 2 Euro pro Liter knackt. Und dieser Preis ist absehbar. Stattdessen muss das Eisenbahnnetz wieder den Stand der Sechziger erreichen, als fast jeder Ort per Zug erreichbar war. Denn nur so bleibt Mobilität für alle Menschen erschwinglich. Automobilität für alle wird jedenfalls nicht mehr zu garantieren sein.

Die Verknappung der Ressourcen wird einige Branchen hart treffen wie etwa die Automobilindustrie. Ein normaler Prozess übrigens: Es war immer das Wesen der Ökonomie, dass Geschäftsmodelle durch Änderungen des Marktumfeldes von neuen abgelöst wurden. So wie die Schreibmaschine einst dem Computer weichen musste, werden in den nächsten Jahren Firmen weichen, die auf die 200-Dollar-Epoche nicht vorbereitet sind.

Auch viele Bürger werden die Entwicklung an ihrem Eigentum spüren: Häuser, die schlecht gedämmt sind, werden dramatisch an Wert verlieren. Wohnlagen, die keinen Schienenanschluss besitzen, werden ebenfalls deutlich an Attraktivität einbüßen. Was das politisch heißt, liegt auf der Hand: Für die Wärmesanierung von Altbauten und für bessere Anschlüsse an den öffentlichen Nahverkehr muss der Staat viel mehr Geld bereitstellen. Denn staatliche Mittel sind immer dort gut angelegt, wo sie künftigen Energieverbrauch vermeiden. Also lieber die Wärmedämmung der Häuser finanzieren als die hohe Heizkostenrechnung der Bewohner.

Natürlich werden zahlreiche der heutigen Arbeitsplätze verschwinden, etwa in der Autoindustrie oder in der Luftfahrt. Doch Pessimismus und Larmoyanz ist fehl am Platz. Denn die Energieknappheit wird einen enormen Innovationsschub hervorbringen. Für neue sparsame Technologien und für clevere Dienstleistungen wird ein grandioser Markt entstehen. Die Kreativen im Lande werden profitieren.

Auch die Heimarbeit wird zunehmen. Die Vernetzung der Verkehrsmittel wird sich verbessern: Der Fahrgast nutzt die Bahn, so weit sie reicht; für den Rest der Strecke steht dann das Car-Sharing-Fahrzeug oder das Fahrrad bereit. Liefersysteme für größere Einkäufe werden sich etablieren, weil sie effizienter sind als Individualfahrten.

Arbeitsplätze wird es vor allem im Bausektor ausreichend geben. Etwa für kreative Architekten und gute Handwerker, die den Gebäudebestand an den hohen Ölpreis anpassen. Denn Immobilien zählen heute zu den größten Energieverschwendern.

Ob die 200-Dollar-Epoche eine schöne Welt der Energieeffizienz hervorbringt oder aber soziale Unruhen - das wird davon abhängen, wie zügig wir mit der Effizienzwirtschaft beginnen. Dafür müssen wir aber die Illusion aufgeben, Energie sei nur vorübergehend knapp.

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Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.

2 Kommentare

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  • DG
    daniel g.

    "...oder aber soziale Unruhen..." *gg*

     

    Dieser Halbsatz steht aber ziemlich verloren in diesem rundweg positiven Artikel, der lediglich ein wenig politisches Handeln fordert und der Rest durch die "Kreativität der Krisenmeisterung" erledigt wird.

     

    Ein, zwei Sätze zur Erklärung bspw. ein Verweis auf die landesweit streikenden indischen Lastkraftfahrer oder die in Brüssel protestierenden Fischer hätte ihn nicht so verloren dastehen lassen.

     

    Und seien wir mal ehrlich: Können wir die Dimensionen, in all seinen Schockwirkungen und Traumatisierungen auf die Menschen (die ja schon panisch werden wenn der Dieselpreis auf 1,50€ springt)und seinen dadurch nicht rational erklärbaren Folgewirkungen, abseits aller greifbaren wirtschaftlichen Ergebnisse, wirklich abschätzen?

     

    Das Ende des Ölzeitalters ist in seinen vermutlichen Folgen vergleichbar mit dem ersten Weltkrieg. Zuerst schreien alle "Huchhej" (1910-13 und 1900-1970), dann Jahre des Hoffens und Bangens das noch alles gut geht (1914-16 und 1970-2008/10), dann die Jahre des totalen Niedergangs (1917/18 und 2010-2030) und das Ergebnis ist in der Erdölfrage noch offen. Im Falle des ersten Weltkrieges führten die schwer lösbaren Folgeprobleme geradewegs in den Zweiten... (Oh, da fällt mir ein, was ist mit Wasser, Nahrung etc. pp.?)

  • NR
    Norbert Rost

    Peak Oil wird unser wirtschaftliches Leben komplett umstrukturieren. Öl ist in dermaßen vielen Bereichen mit uns und unserer Wirtschaftsweise verknüpft, daß es schwer wird, schnell von dem Rohstoff zu lassen. Umso wichtiger wird es, nicht nur nach dem Staat zu rufen, sondern auch auf individueller, kommunaler und unternehmerischer Ebene mit Alternativentwicklungen zu beginnen. Sonst könnte es ein böses Erwachen geben...

     

    Norbert

    http://www.peak-oil.com