Debatte Ökobonus: Nullsummenspiel mit Gewinn
Der Ökobonus ist sozial, gut für die Umwelt und einfach umzusetzen. Wenn die Grünen sich für ihn starkmachen, können sie sich wieder gegen Linke und SPD profilieren.
Warum so zögerlich? Eigentlich müssten die Grünen den Ökobonus mit Begeisterung in ihr Wahlprogramm schreiben. Denn er verbindet eine ökologische Lenkungswirkung mit sozialen Wohltaten. Das ist grün, weil es der Umwelt hilft. Das ist links, weil es umverteilt von oben nach unten. Und das ist sogar marktliberal, weil man jedem Bürger die individuelle Entscheidungsfreiheit über sein Konsumverhalten belässt. Zudem ist es gerecht, wenn man als Maßstab für Gerechtigkeit das Verursacherprinzip heranzieht - wer Umwelt verbraucht, soll auch dafür zahlen. Kurz: Der Ökobonus ist grüne Politik, wie sie im Buche steht.
Zur Erinnerung: Der Ökobonus, wie er derzeit diskutiert wird, ist eine Fortschreibung der Ökosteuer mit einem entscheidenden Zusatz. Das eingenommene Geld verschwindet nicht im Staatshaushalt oder in den Rentenkassen, sondern es wird komplett wieder ausgeschüttet, und zwar pro Kopf.
Sinnvoll ist zwar auch die Ökosteuer immer gewesen, doch sie hat seit je ein Imageproblem. Das kommt, weil die Ausgaben für die Bürger transparent sind - beim Kauf von Heizöl oder Erdgas, auf der Stromrechnung und beim Tanken wird immer wieder klar: hier wird Ökosteuer bezahlt. Der Rückfluss des Geldes an die Bürger hingegen ist recht diffus, man bemerkt ihn kaum, denn das Geld aus der Ökosteuer fließt großteils in die Rentenkasse. Gleichwohl wurden die Rentenbeiträge nicht gesenkt, sondern es wurde lediglich ein Anstieg des Beitragssatzes verhindert. Um fast 2 Prozentpunkte läge der Beitrag heute höher, wenn es die Ökosteuer nicht gäbe. Doch das ist weniger gut zu kommunizieren als der Aufschlag auf den Benzinpreis.
So ist der Gedanke, die Einnahmen einer Ökoabgabe an die Bürger zurückzuzahlen, nur folgerichtig. Plötzlich werden Millionen Bürger erkennen, dass sie ökonomisch gesehen Profiteure des Umweltschutzes sind - dann nämlich, wenn die Gutschrift zum Jahresende höher ist als die Summe, die sie per Ökoabgabe während des Jahres bezahlen mussten. Jeder, der weniger Energie verbraucht als der Durchschnittsbürger, gehört zu den Gewinnern, und das macht den Ökobonus zu einem faszinierenden Instrument. Er macht ökologische Fortschritte greifbar, von denen heute noch niemand zu träumen wagt.
Natürlich müssen viele praktische Fragen geklärt werden, doch häufig sind die Antworten einfach. Ist das Projekt finanzierbar? Klar. Schließlich legt der Gesetzgeber nicht vorab den Betrag fest, der ausgezahlt wird. Sondern man erhebt einfach die Ökoabgabe und schüttet das Geld anschließend in voller Höhe aus, gleichmäßig verteilt auf alle Bundesbürger. Wie viel dann jeder kriegt, hängt von den Einnahmen ab; für die öffentlichen Haushalte bleibt das ein Nullsummenspiel.
Dass dieses Verfahren praktizierbar ist, beweist schon seit neun Jahren der Schweizer Kanton Basel-Stadt. Als sogenannte Lenkungsabgabe wurde dort im April 1999 die Steuer auf Strom erhöht, und im Gegenzug bekommt jeder Bürger, egal wie alt, jährlich einen Betrag ausbezahlt, der sich aus der Höhe der Einnahmen ergibt. Für 2007 sind das 60 Schweizer Franken, umgerechnet knapp 40 Euro. Und auch für die Basler Betriebe gibt es Geld, weil die von den Unternehmen erhobene Lenkungsabgabe auch an diese wieder ausgeschüttet wird. Hier bemisst sich der Bonusbetrag an der Lohnsumme eines jeden Betriebs; auch dabei gewinnt, wer sparsam mit Strom umgeht.
Die Transaktionskosten des Projektes werden in Basel durch die Zinserträge finanziert: Weil der Kanton das Geld während des Jahres stetig einsammelt, es aber erst nachträglich ausschüttet, erzielt er Zinsgewinne, die sogar höher sind als die Verwaltungskosten. Zinsüberschüsse werden im Folgejahr mit ausgeschüttet.
Damit ist auch die zweite Frage zum Ökobonus, nämlich wie aufwendig dessen Verwaltung ist, fast schon beantwortet. In Deutschland dürfte die Erhebung der Abgaben sogar noch weniger Mühe bereiten, weil es die Ökosteuer ja bereits gibt. Eine schlichte Erhöhung der Sätze würde - von der einmaligen Umstellung abgesehen - keinen Mehraufwand bringen.
Auch die Ausschüttung kann elegant gelöst werden - über die Steuererklärung. Dann gibt es mit dem Steuerbescheid den Bonus. Wer keine Steuererklärung abgeben muss, kann den Bonus separat beantragen, am besten ebenfalls beim Finanzamt. Auch im Hinblick auf die Kinder ist das Verfahren einfach: Da die Steuererklärung ohnehin eine "Anlage Kind" hat, die über die Familiensituation des Steuerpflichtigen aufklärt, ist die Zahl der Bonusberechtigten ohne Zusatzaufwand festzustellen.
Bleibt schließlich die Frage, wie es um die soziale Komponente steht. Und auch diese Frage ist schnell beantwortet: Es profitiert nach mathematischer Logik jeder, der weniger Energie verbraucht als der Durchschnittsbürger. Es zahlt zugleich drauf, wer in überdurchschnittlichem Maße natürliche Ressourcen verbraucht. Wer also arm ist, wird kaum einen überdurchschnittlich verschwenderischen Lebensstil pflegen - muss also durch das Konzept zwangsläufig gewinnen. Und Familien profitieren, weil der Ökobonus pro Kopf ausgezahlt wird. Nebenbei bemerkt: Der sozialpolitische Gewinn lässt sich durch die Abgabenstruktur sogar noch verstärken - eine Abgabe auf Flugreisen zum Beispiel tangiert die Armen nicht, bringt aber eine erhöhte Ausschüttung.
Die Verlierer des Systems werden zwei Gruppen sein. Das sind zum einen jene Bürger, die einen großspurigen Lebensstil pflegen, der hohen Energie- und Umweltverbrauch hervorruft - doch ihnen gebührt sozialpolitisch gesehen wirklich kein Mitleid. Und es sind jene, die Energie vergeuden durch unüberlegtes Handeln. Doch auch sie haben es in der Hand, durch umsichtiges Wirtschaften künftig zu sparen. Das ist ja das Schöne am Ökobonus: Wer sich Mühe gibt, sein Leben umweltgerecht zu gestalten, kann selbst dafür sorgen, dass er am Ende zu den ökonomischen Gewinnern gehört. Und die Umwelt profitiert zudem.
In einer Zeit, wo Klimawandel und Artensterben längst sichtbar sind, wo zugleich alle Welt über Lösungen redet, aber die Politik kaum etwas tut, bietet der Ökobonus den Grünen die Chance, wieder eigenes Profil zu zeigen. Das Projekt hat das Zeug, international so wegweisend zu werden, wie es das Erneuerbare-Energien-Gesetz zugunsten des Ökostroms inzwischen geworden ist.
Für die Grünen ist die Ökobonus-Idee ein Geschenk des Himmels. Sie können sich mit dieser neuen Idee absetzen gegen die Linke, die viele grüne Themen übernommen hat. Und sie können sich damit auch von der SPD abgrenzen, nachdem man sich in den Berliner Regierungsjahren doch oft sehr nahe gerückt ist.
Um mit der Idee einerseits Erfolg in der Sache, andererseits aber auch bei den Wählern zu haben, müssen die Grünen den Ökobonus geschlossen vorantreiben. Zaudern hilft weder der Umwelt noch der Partei.
BERNWARD JANZING
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