Debatte Korruption: Augsburger Schurkenstück
Wie käuflich war die deutsche Politik? Beim Prozess gegen den Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber wird diese Frage strikt ausgeklammert.
D ie Gleichzeitigkeit der Ereignisse taugt zum Schauspiel. Da schlüpft die CDU/CSU in die Rolle der brutalst möglichen Schwarzgeld-Aufklärerin und lässt - Hehlerei hin oder her - Schweizer Bankdaten potenzieller Steuerhinterzieher beschaffen. Zur gleichen Zeit steht der schwarz-gelben Bundesregierung der massive OECD-Vorwurf ins Haus, Deutschland bekämpfe Geldwäsche nur mit großer Laschheit. Und der Koinzidenz nicht genug: In Augsburg läuft ein Prozess, in dem es just um Schwarzgelder, Steuerhinterziehung und Geldwäsche mit Schweiz- und Liechtenstein-Bezug geht. Nur: dass hier die CDU/CSU selbst involviert ist, wird brutalst möglich auszublenden versucht.
Die Dramaturgie des aktuellen Augsburger Justizschauspiels sieht vor, nach mehr als zehn Jahren einen Komplex abzuschließen, der namentlich für die Union immer wieder Ungemach bedeutet hat: der Fall des Karlheinz Schreiber, jenes ehemaligen Waffenlobbyisten und Strauß-Spezl, der in den 90er-Jahren der Union wiederholt diskret Spenden zukommen ließ, die von der Partei nicht offiziell ausgewiesen wurden.
Jetzt steht Karlheinz Schreiber, nach langjähriger Kanada-Flucht, vor Gericht. Die Rolle, die ihm von Staatsanwaltschaft und Gericht zugewiesen wird, zeichnet sich an fast jedem Verhandlungstag deutlicher ab: der Einzeltäter, der in den Jahren 1988 bis 1993 aus Flugzeug- und Rüstungsgeschäften Millionen-Schmiergelder bezogen, aber dem Fiskus vorenthalten hat. Der gemeine Steuerhinterzieher.
Eine Frage wird dabei fast notorisch ausgeblendet. Dabei liegt seit Jahren gerade in dieser Frage die pikante Pointe: Hat Schreiber, wie er selbst im Prozess von seiner Verteidigung erklären ließ, große Teile der Schmiergelder an Parteien und Politiker, namentlich der Union, verteilt? Waren seine diskreten CDU-Spenden also Schwarzgelder aus Geschäften, bei denen Parteien und Politiker mitverdienen wollten? Man könnte es volkstümlicher formulieren: War deutsche Politik über Jahre hinweg käuflich?
Klingt dieses Thema auch nur leise an, reagiert der Vorsitzende Richter Rudolf Weigell leicht allergisch. Sinnig auch, dass das Gericht bisher einen Zeugen partout nicht laden will: Winfried Maier. Der ehemalige Augsburger Staatsanwalt hatte 1999 eine politisch äußerst heikle Spur entdeckt: Über Konten der - von CDU/CSU kontrollierten - Bonner DSL Bank waren nicht nur Gelder aus dem Schreiber-Komplex geflossen, sondern auch aus dem Fall Leuna. In jener Schmiergeldaffäre waren nach dem Verkauf der ostdeutschen Raffinerie an den französischen Konzern Elf Aquitaine, bei der Anfang 1993 satte 50 Millionen D-Mark "Provisionen" an den deutschen Lobbyisten Dieter Holzer gegangen. Genauer: auf dessen Firmenkonten bei der halbstaatlichen DSL Bank, deren Aufsicht bei den unionsgeführten Bundesministerien Landwirtschaft und Finanzen lag. Von den DSL-Konten wurden die Schmiergelder in einen komplexen Kreislauf geschickt - so wie man es von der Geldwäsche kennt.
Hinweisen französischer und Schweizer Leuna-Ermittler, dass hochrangige CDU-Politiker Teile dieser Schmiergelder erhalten haben, ist bis heute keine deutsche Justizbehörde nachgegangen. Wie auch die DSL Bank für Ermittler tabu blieb. Um es theateraffin auszudrücken: Eher kommt Godot doch noch, als dass dieser brisante Zusammenhang in Augsburg prominent auf den Spielplan gesetzt wird. Und so dürfen sich Liebhaber der Groteske an fast jedem Verhandlungstag neu ergötzen. Schreiber gebe nur den Wichtigtuer und Heiße-Luft-Erzähler, belieben die Vertreter der Anklage regelmäßig zu intonieren, erstaunlich wortgleich mit Prozesskommentaren mancher CSU-Politiker oder medialer Großaufklärer.
Dumm nur, dass Zeugenaussagen so gar nicht dazu passen wollen: Wenn Schreiber angekündigt habe, dass er Provisionen aus wichtigen Geschäften erhalte, seien diese Gelder auch tatsächlich gekommen, sagt etwa sein ehemaliger Banker. Der frühere Chefjustiziar von Thyssen beschreibt Schreiber als "wichtigen Vermittler" bei Rüstungsgeschäften, "mit guten Kontakten" zu verschiedenen Regierungen. Und eine ältere Dame aus der Münchner Society, gut bekannt mit der Familie Strauß, gibt gar zum Besten, man habe "dem Karlheinz" einmal ein Darlehen über 500.000 Mark gegeben, ohne jegliche Sicherheiten zu verlangen. Der "Wichtigtuer" muss in der bayerischen Amigogesellschaft größtes Vertrauen genossen haben.
So genau will man das heute nicht mehr wissen. Vielmehr fragt Richter Weigell bei jeder Gelegenheit und mit größter Intensität nach Belegen dafür, dass Schreiber der wirtschaftlich Berechtigte zweier Domizilgesellschaften in Liechtenstein und Panama war, auf deren Konten die angeblich unversteuerten Schmiergeldmillionen lagen. Dass Schreiber, wie er über seine Anwälte erklären ließ, diese Schwarzgeldkonten für andere gehalten habe, nimmt ihm das Gericht nicht ab.
Da hatte es Ludwig-Holger Pfahls deutlich leichter, als er 2005 vor dem Augsburger Landgericht stand. Der ehemalige CSU-Verteidigungsstaatssekretär gab damals zu, in Zusammenhang mit Rüstungsprojekten von Schreiber 3,8 Millionen D-Mark Schmiergeld angenommen zu haben.
Doch Pfahls hatte nach Erkenntnissen von Schweizer Ermittlern auch im klandestinen Leuna-Schmiergeldkreislauf eine maßgebliche Rolle gespielt - als wirtschaftlich Berechtigter mehrerer zwischengeschalteter Offshore-Firmen, über deren Konten Millionen geflossen waren. Einmal befragte ihn das Augsburger Landgericht dazu, ganz zart und zurückhaltend. Pfahls beachtenswerte Antwort: Er sei von fremder Seite und ohne sein Wissen als wirtschaftlich Berechtigter eingetragen worden. Der damalige Vorsitzende Richter nahms zur Kenntnis - und belästigte den früheren CSU-Politiker nicht mit Nachfragen.
Nicht auszuschließen, dass das hochlöbliche Publikum demnächst einen neuen Akt solch unbändigen juristischen Aufklärungswillens bestaunen kann: Heute wird Ludwig-Holger Pfahls im Schreiber-Prozess als Zeuge auftreten. Das Schauspiel am Augsburger Gericht läuft noch bis Mai.
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