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Debatte JugendkriminalitätSolche Männer wollen wir?

Mit Lust stürzen sich gerade konservative Männer auf das Problem "gewalttätige männliche Jugendliche". Und verschweigen dabei wortreich dessen eigentliche Ursache.

In der aktuellen Aufladung des Wahlkampfthemas über die Gewaltbereitschaft bei männlichen Jugendlichen fällt die Lust auf, mit der dieses Thema besonders von konservativen Männern diskutiert wird. Diese Lust verweist auf einen wesentlichen Erkenntniskontext der Geschlechterforschung, den Verdeckungszusammenhang.

In der aktuellen Debatte wird der entscheidende Konflikt ausgeblendet - der Konflikt der jungen Männer mit den von ihnen erwarteten Männlichkeitsdarstellungen. Männlichkeit ist eine tradierte, gesellschaftliche Festlegung von Werten, Verhaltensweisen und Zielen. Sie entfaltet sich durch vielschichtige Dynamiken, die über Institutionen wie Kindergarten, Schule oder Betrieb wirksam werden und im Prozess der Selbstsozialisation angeeignet werden. Dabei treten zahlreiche Widersprüche auf. Jeder Mann muss sich mit diesen Widersprüchen auseinandersetzen und ist unwiederbringlich mit den gesellschaftlichen Festlegungen verstrickt - es sei denn, er widersetzt sich denselben.

Nun wird im Wahlkampf die Angst vor den männlichen, unterprivilegierten Jugendlichen betont. Wie im Kopftuchstreit auch, wird die Furcht vor diesen Jugendlichen als wirksames Wahlkampfthema geschürt und damit die Abgrenzung vom männlichen Machismo oder gewalttätigen Vater in türkischen Familien als vermeintliche Lösung gehandelt. Reduziert auf den Strafvollzug wird Ratlosigkeit mit rechtspopulistischen Durchgreifparolen kaschiert.

Was sich in der aktuellen Diskussion zeigt, ist die Abgrenzung gegenüber einer Suche nach angemessenen Lösungen für die Problemlagen der männlichen Betroffenen. Die Diskussion über das unzureichende Jugendstrafrecht lenkt von dem Problem ab, dass Zusammenhänge zwischen der gesellschaftlichen Übereinkunft männlicher Darstellungsweisen und den Problemlagen der betroffenen Männer und ihrer Opfer bestehen.

Die zentralen Widersprüche in der Männlichkeitskonstruktion sind geprägt davon, dass es verschiedene männliche Dominanzhaltungen gibt, die als solche anerkannt sind. Da gibt es die legitimierte machtvolle Haltung des Global Players, aber auch den soldatisch geschulten Krieger, der sich im Kampf bewährt. Verdeckungszusammenhänge kaschieren, wo und wie Letzterer eingefordert oder überflüssig geworden ist.

Der Wert des Mannes hängt von seinem erworbenen Status ab, das heißt, der Mann erwirbt seine Definition arbeitend und sich durchsetzend. In der Männlichkeitskonstruktion wird die Selbststählung erworben. Intimitätsbezogene Erfahrungen, assoziiert mit Gefühl, Intuition, Schwäche, Fürsorge und Nachgiebigkeit, werden als vermeintlich weiblich abgewehrt. Die Unvereinbarkeit der Widersprüche manifestieren sich in den Problemen, die Männer machen und haben. Männer müssten eigentlich darauf aufmerksam machen, dass die gesellschaftlichen Anforderungen sie latent krank und verrückt machen.

Das Dilemma beginnt darin, dass Männlichkeitserziehung eine (Selbst)erziehung zur Durchsetzung- und Dominanzhaltung verlangt, in der der (vermeintliche?) Genuss männlicher Privilegien öffentlich inszeniert wird. Der Preis für diese Privilegien, den viele Männer zahlen, ist bedingt durch die verleugneten Widersprüche, die sich aus vielfältigen Diffamierungs- und Delegationsprinzipien im männlichen Leben ergeben.

In der Schule, und auch schon im Kindergarten, werden Kinder und Jugendliche einem Verfahren von Auslese und Ausgrenzung unterworfen. Nun wird neuerdings in der frühkindlichen Erziehung die große Chance zur Prävention gesehen. Und in diesem Kontext lässt sich angeblich auch Männlichkeit neu definieren. Wie die Veränderung männlicher Darstellungsweisen gemeint ist, welche Dominanzhaltungen als erwünscht und welche als überflüssig betrachtet werden sollen, wird jedoch oft der einzelnen pädagogischen Fachkraft überlassen.

Wenn der Kriminologe Christian Pfeiffer nun immer wieder auf den Konsum von Killerspielen bei Hauptschülern verweist und vorträgt, dass diese im Schnitt fünfeinhalb Stunden pro Tag mit solchen Spielen die Abstumpfung gegenüber dem Leiden der Opfer trainieren, ist dies wichtig - greift jedoch zu kurz.

Nicht der Medienkonsum ist das Problem. Es besteht viel mehr darin, dass nur einigen männlichen Jugendlichen Erfolg bescheinigt ist in der Aneignung einer machtvoll dominanten Haltung - nämlich denen, die Männlichkeitskonstruktionen im Rahmen der gesellschaftlichen Vorstellungen von männlicher Karriere und Erfolg einfließen lassen können.

Tätigkeitsfelder (etwa angelernte Tätigkeiten und Handlangerdienste) sind verloren gegangen, nicht aber die identitätsstiftenden Kontexte soldatisch kämpferischer Zusammenhänge. Jugendliche, denen Sinnzusammenhänge abhanden kommen, greifen auf alte, vermeintlich sinnstiftende Bilder zurück und finden diese bestätigt in einschlägigen Medienangeboten. Die meisten Gymnasiasten verweigern den Wehrdienst. Deren Männlichkeitskonstruktion ist folglich nur bedingt korreliert mit der Vorbereitung auf soldatische Tugenden des Tötens, die bekanntlich die Fähigkeit voraussetzen, die Leiden des Feindes nicht in Rechnung zu stellen. Brennende Vorstädte und andere Reaktionsweisen der männlich Ausgegrenzten spiegeln den Zorn der betroffenen Personen - die Betroffenen fühlen sich outgesourct. Militärisch sind sie so überflüssig geworden wie ökonomisch. Nur in den Medien scheint der Held des Kampfes zu überleben und verbindet die Lust an der Gewaltausübung mit der Sinnsuche und Verunsicherung männlicher Jugendlicher.

Folglich kann die Antwort nicht in Trainingscamps liegen. Hier wird die Unterwerfung im Sinne althergebrachter Männlichkeitserwartungen durch Drill und Unterwerfung geübt. Die Betroffenen aber scheitern an der Komplexität und den Widersprüchen ihrer Lebenswelten, in denen angesichts hochgradiger Frustrationspotenziale dennoch Eigenmotivation und Lernlust gefordert sind.

Begleitung im Umgang mit Veränderungen in der Arbeitsmarktsituation und eine angemessene Flankierung von männlichen Kindern und Jugendlichen setzt die Kenntnis fachlich relevanten Genderwissens voraus. Prävention und Intervention zu trennen ist nachweislich unsinnig; vielmehr sind Konzepte gefordert, die männlichen Jugendlichen angemessene Anerkennungserfahrungen zur Seite stellen. Insofern sind nicht nur Bildungsmaßnahmen unerlässlich, sondern darüber hinaus ist eine Qualifikation von männlichen und weiblichen Fachkräften erforderlich für Kindergarten, schulische und außerschulische wie berufsbegleitende Bildungskontexte. Es gilt althergebrachte Vorstellungen über männliche Karrieren zu hinterfragen und Jugendliche so zu begleiten, dass sie nicht auf sich und ihre Überforderung im Umgang mit den Widersprüchen in der Männlichkeitskonstruktion zurückverwiesen werden.

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