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Debatte IranWächter der eigenen Macht

Kommentar von Saba Farzan

Die Revolutionsgarden im Iran sind militärisch und wirtschaftlich sehr mächtig. Eine Öffnung hin zu Demokratie ist mit den Pasdaran undenkbar.

Als Hillary Clinton jüngst im Nahen Osten unterwegs war, sprach sie davon, dass der Iran zunehmend in eine Militärdiktatur abdrifte. Damit hat sie zweifellos recht. Nur fragt man sich, warum die US-Außenministerin diese Entwicklung erst jetzt offen benennt. Für die meisten Iraner stellt sich ihr Land schon lange als eine Diktatur dar. Nur dass die so genannten Revolutionsgarden schleichend die Mullahs von der Macht verdrängt haben. Das zeigt sich etwa daran, dass Mahmud Ahmadinedschad heute mehr als die Hälfte der Ministerposten seiner Regierung mit Exkommandanten der Revolutionsgarden besetzt hat.

Die Anfänge dieser Entwicklung gehen auf die Gründung der Revolutionsgarden im Mai 1979 zurück. Zu diesem Zeitpunkt hatten die regulären Streitkräfte dem Schah bereits das Vertrauen entzogen und sich auf die Seite der Revolution gestellt. Doch Ajatollah Khomeini vertraute dem Militär nicht und hob, quasi als Privatarmee, die "Sepah Pasdaran" (Persisch für "militärische Nachhut") aus der Taufe. Im Grunde beging er damit denselben Fehler wie der letzte Schah. Auch dieser misstraute nach dem Sturz seines Premiers Mohammad Mossadegh 1953 seiner Militärführung und räumte stattdessen dem Geheimdienst Savak eine immense Machtfülle ein. Geholfen hat ihm das letztlich wenig.

Auch für die Islamische Republik entpuppten sich die Pasdaran als Problem. Zunächst nur dazu bestimmt, den Revolutionsführer zu schützen, begannen sie unter der Ägide von Ajatollah Ali Chamenei damit, ihre Macht in allen Bereichen auszubauen. Chamenei, der von 1989 vom Präsidenten zum obersten Revolutionsführer aufstieg, setzte auf die Revolutionsgarden, weil er den schiitischen Klerus entmachten wollte. Denn große Teile der traditionellen Geistlichkeit standen seiner Berufung zum Revolutionsführer kritisch gegenüber, da sein theologischer Grad ihn eigentlich nicht für dieses Amt empfahl. So wurden die Pasdaran zum Staat im Staate.

Nach dem ersten Golfkrieg mit dem Irak wurden die freiwilligen Basij-Milizen in die Revolutionsgarden integriert. Heute unterhalten die Pasdaran eine eigene Luftwaffe, eigene Marineeinheiten sowie die aggressiven Al-Quds-Brigaden, die mit ihren etwa 5.000 Mann überwiegend im Irak aktiv sind. Gegenwärtig umfasst das Budget der Pasdaran rund 6 Milliarden US-Dollar und wird überwiegend auf militärische Aufrüstung verwandt.

Ausgerechnet Ajatollah Rafsandschani, Chameinis Nachfolger als Präsident, beförderte den Aufstieg der Pasdaran noch. Der Pistazienunternehmer wollte, dass sich die Garden weniger in die Politik einmischen, und öffnete ihnen deshalb den Weg in die Geschäftswelt. Revolutionsführer Chamenei und sein Umfeld ließen dieser Entwicklung freien Lauf. Denn diese "Reform" bewirkte das Gegenteil von dem, was Rafsandschani beabsichtigt hatte: Heute haben die Pasdaran nicht nur in politischen Angelegenheiten das Sagen, sondern kontrollieren auch weite Teile der iranischen Wirtschaft. Ob beim Flughafen in Teheran, dem Containerhafen von Bandar Abbas am Persischen Golf oder dem Bau von Atomanlagen - überall haben die Revolutionsgarden ihre Finger im Spiel. Dabei unterliegen sie keinerlei Kontrolle, verantwortlich sind sie allein dem Revolutionsführer. Doch dieser ist mittlerweile selbst zu einer Marionette der Paramilitärs geworden.

Die Revolutionsgarden von heute sind ein Netzwerk, das über Vetternwirtschaft miteinander verbunden ist. Es ist heute nicht mehr so sehr Ideologie, die sie zusammenhält, sondern Geld. Diese Entwicklung hat zu einem Generationenkonflikt innerhalb der Pasdaran geführt. Denn die älteren Pasdaran sind noch stärker reaktionär-ideologisch geprägt und stehen den materiellen Fantasien der Jüngeren skeptisch gegenüber.

Als Generalmajor Mohammad Ali Dschafari im Herbst 2007 zum neuen Mann an der Spitze der Revolutionsgarden aufstieg - er ist erst der dritte oberste Kommandeur innerhalb der letzten drei Jahrzehnte -, gab er den Einheiten in den einzelnen Provinzen größere Machtbefugnisse. Dahinter stand die Absicht, auf eine "samtene Revolution" durch die iranische Bevölkerung vorbereitet zu sein. Dies ist die größte Furcht des herrschenden Regimes, und mit den Protesten nach der Wahl vom Juni 2009 wurde dieser Albtraum beinahe zur Realität.

In der iranischen Bevölkerung sind die Revolutionsgarden zutiefst verhasst. Bei den Protesten nach der Wahl im Sommer 2009 hielten sie sich zwar im Hintergrund. Bei dem enormen Sicherheitsaufgebot, dass die Demonstrationen begleitete, stand stets das Militär an vorderster Front. Dies hat die Abneigung, die den Garden seitens der iranischen Bevölkerung entgegengebracht wird, aber weder mildern noch die Absetzbewegungen aus den eigenen Reihen verhindern können.

Auch die Nachbarländer des Iran betrachten die Aktivitäten der Revolutionsgarden mit Unbehagen. Schließlich wurden sie gegründet, die islamische Revolution zu exportieren, und bis heute stiften sie nur Chaos in der Region. Stabilität im Nahen Osten ist mit ihnen nicht möglich.

Aus diesem Grund hat die US-Regierung im Jahr 2007 die Pasdaran zur terroristischen Vereinigung erklärt. Doch um diese mit 125.000 Mann zahlenmäßig gar nicht so starken Paramilitärs zu entmachten, braucht es strategisch zielgerichtete Sanktionen. Der neue Entwurf für eine vierte UN-Sanktionsrunde geht hier in die richtige Richtung. Mit einem De-facto-Waffenembargo und weitreichenden Finanzsanktionen trifft die Resolution die Pasdaran empfindlich. Handelsbeschränkungen in einem massiven Umgang sind die einzige Sprache, die die Revolutionsgarden verstehen. Es war schwierig genug, mit den Mullahs zu verhandeln, mit den Paramilitärs ist es unmöglich geworden.

Die Frage ist: Wie lange kann die iranische Armee dem Druck noch standhalten, gegen die Pasdaran vorzugehen? Die Pasdaran sind deshalb zunehmend in Panik. Das macht sie nicht weniger gefährlich, aber hierin liegt auch eine Chance. Denn der Weg zu einer friedlichen Zukunft für die Iraner führt nur über die Entmachtung der Pasdaran.

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5 Kommentare

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  • S
    Stefan

    Ein mutiger Artikel - und das in der TAZ!

    Klar ist die Mullah-SS im Volk verhasst, aber das bedeutet noch lange nicht, dass die Ayatollahs die geliebte Alternative sind. Diese Auseinandersetzung dreht sich um einen harten Totalitarismus gegen einen "gemäßigten". Der wahre Kampf ist der Freiheitskampf, den das rot-grün-taz-Lager leider nicht sehen will.

  • R
    Rudolf

    Der New Yorker Autor des Buches "Ayatollah Begs to Differ" Hooman Majd schreibt während seines Aufenthaltes im Iran einen ausführlichen Artikel über seine gewonnene Eindrücke im Iran.

     

    Der Artikel beginnt mit einem Memo an die US-Außenministerin Hillary Clinton, die als erste ranghohe Politikerin von einer Militarisierung des Irans sprach. Er schreibt an sie: "Iran ist weder eine militärische Diktatur, noch ein Polizeistaat."

     

    Die Vorstellung von der angeblichen Stärkung der Pasdaran innerhalb des iranischen Machtgefüges kommt daher, dass man im Westen stets von der Voraussetzung ausgeht, dass die Mehrheit der Iranerinnen und Iraner partei-politische Reformwähler wären. Die iranische Gesellschaft ist jedoch viel zu komplex um sie in dem Schema "entweder Reformer oder Konservativer" einzuzwängen. Da Mahmud Ahmadinejad die Wahlen 2005 überraschend gegen Ayatollah Rafsanjani gewann, musste natürlich eine Begründung dafür gefunden werden. Entsprechend der obigen Denkstruktur ist die Vorstellung der Militarisierung des Irans geboren: Ahmadinejad konnte nur wegen der Pasdaran gewinnen. Dabei war Mahmud Ahmadinejad nie ein bedeutender Pasdaran-Kommandeur gewesen, einige wie sein Chefberater Mojtaba Samareh Hashemi behaupten gar, er war nie in der Pasdaran gewesen. Im Militär und Pasdaran waren jedoch zahlreiche andere hohe iranische Politiker, weil fast eine ganze Generation im achtjährigen Krieg gegen Irak war. Mohsen Rezaei, der Konkurrenz von Mahmud Ahmadinejad bei den Wahlen 2009, war sogar 16 Jahre lang Chef der Pasdaran. Der Parlamentssprecher Ali Larijani, einer der ärgsten Gegner Ahmadinejads im iranischen Parlament, war ebenfalls Pasadaran-Kommandeur. Viele Politiker in den USA, die aus der Vietnam Generation stammen, haben sich zuvor militärisch vor getan, wie John McCain, Barack Obamas Gegner bei den Präsidentschaftswahlen von 2008. Israel ist aufgrund seiner feindlichen Umgebung durch und durch militarisiert.

     

    Der Einfluss der Pasdaran rührt nicht vornehmlich von der Person Ahmadinejad her, sondern historisch von dem achtjährigen Krieg gegen Irak, wo die Pasdaran aufgrund ihrer hohen Anzahl und ihrer (militärisch-)industriellen Fähigkeiten nach dem Krieg für den Wiederaufbau eingesetzt werden konnte und im weitesten Sinne in der unruhigen Region insgesamt. Die acht jährige katastrophale Politik George W. Bush Juniors hat sicherlich nicht zu einer Schwächung dieser Tendenzen geführt.

     

    Es ist zu hoffen, dass Präsident Barack Obama Aspekte von Bush-Politik nicht wiederholt, die einer politischen Öffnung Irans zuwider laufen können. Dazu zählen Sanktionen. So schließt auch Hooman Majd seinen lesenswerten Artikel ab. Der gesamte Artikel ist hier zu lesen: http://www.foreignpolicy.com/articles/2010/05/06/postcard_from_tehran?page=0,0

  • H
    Henning

    Irgendwie kann sich der ansonsten recht gute Artikel an einem Punkt nicht entscheiden. Entweder die Pasdaran sind zum Großteil nur noch an Geld interessiert, oder sie sind weiter ideologen udn destabilisieren alles. Hier wird beides zugleich gesagt. Was den nun ?

  • P
    Patrizia

    Oh mein Gott, wer stoppt diese Frau?

     

    http://www.irananders.de/index.php?id=32&tx_ttnews[tt_news]=130&cHash=dd5af8db16

  • I
    Ingeborg

    Die Bande erinnert einen sehr stark an die SA. Die Parallelen sind zumindestens sehr auffällig