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Debatte ArbeitsmarktDie neue Mangelwirtschaft

Kommentar von Lars Niggemeyer

Die Arbeitslosenstatistik ist geschönt. Um Langzeitarbeitslose wieder zu beschäftigen, braucht es mehr als hehre Pläne.

Geschönte Statistik, wohlgeordnet. Bild: dpa

D eutschland ist nach wie vor ein Land mit anhaltender Massenarbeitslosigkeit – auch wenn die offiziellen Arbeitslosenzahlen in den letzten drei Jahren gesunken sind. Zwar ist die Lage in vielen Ländern Südeuropas aufgrund der Finanzkrise noch viel schlechter, das berechtigt aber keineswegs dazu, die Lage hierzulande schönzureden.

Zu Recht wird daher wieder verstärkt über einen sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose diskutiert. Der Hochschullehrer Stefan Sell hat in diesem Zusammenhang ein Konzept vorgelegt, das auf große Resonanz beim Paritätischen Wohlfahrtsverband, aber auch bei Teilen von SPD und Grünen stößt. Bis zu 400.000 Langzeitarbeitslose sollen von Unternehmen auf dem ersten Arbeitsmarkt beschäftigt werden.

Der Lohn der Betroffenen wird vom Steuerzahler gezahlt, zum großen Teil finanziert durch eine Umwandlung der bisherigen Hartz-IV-Sätze des Personenkreises in einen Lohnzuschuss („Aktiv-Passiv-Tausch“). Bisher vorhandene Beschränkungen öffentlich geförderter Beschäftigung – die Arbeitsverhältnisse sollen zusätzlich sein und im öffentlichen Interesse liegen – sollen entfallen, da sie sich als wenig praxistauglich erwiesen haben.

So ehrenwert die Intention des Konzepts sein mag – es geht am Grundproblem vorbei. Zudem ist es blind für seine ausgesprochen negativen gesamtwirtschaftlichen Folgewirkungen.

Es liegt nicht am Einzelnen

Warum sind so viele Menschen jahrelang im Hartz-IV-System ohne Chance auf einen regulären Job? Liegt es wirklich an mangelnder Qualifikation und persönlichen Problemen der Betroffenen, wie häufig behauptet wird?

Der Autor

Lars Niggemeyer ist Abteilungsleiter „Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik, Berufliche Bildung, Sozialpolitik“ im Bezirk Niedersachsen/Bremen/Sachsen-Anhalt für den DGB.

Die Antwort ist: Es liegt nicht an den einzelnen Personen, sondern an einem massiven Mangel an Erwerbsarbeit. Die offiziellen Arbeitslosenzahlen von knapp 3 Millionen Betroffenen zeigen nämlich nur die halbe Wahrheit. Rund 1,3 Millionen Personen tauchen hier überhaupt nicht auf, weil sie sich in Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit befinden oder sich aufgrund anhaltender Erfolglosigkeit bei der Arbeitssuche nicht mehr arbeitslos melden.

Genauso schwerwiegend, aber wenig diskutiert: Inzwischen ist jeder dritte abhängig Beschäftigte in Teilzeit erwerbstätig, insgesamt sind das 12,6 Millionen Personen. Nach belastbaren Umfragen würde gut die Hälfte von ihnen ihre Arbeitszeit gerne ausweiten. Rechnet man alle diese Wünsche nach mehr Arbeit zusammen, so fehlen in Deutschland rund 5,2 Millionen Vollzeitarbeitsplätze. Ein Mangel mit Konzept.

Es ist aber schlicht unmöglich, auch nur annähernd jede und jeden zu beschäftigen. Von dieser Tatsache wird versucht abzulenken, indem die Verantwortung für die Arbeitslosigkeit individualisiert wird: Die Betroffenen sind angeblich nicht qualifiziert, motiviert oder leistungsfähig genug. Das ist schlicht Unsinn. Auch wenn die gesamte Erwerbsbevölkerung in Deutschland 30 Jahre alt und topfit wäre sowie ein Studium abgeschlossen hätte – für 5,2 Millionen gäbe es schlicht keine Arbeit.

Arm, aber überqualifiziert

Am Arbeitsmarkt findet folglich ein Verdrängungsprozess statt. Besser Qualifizierte nehmen Jobs weit unterhalb ihrer Qualifikation an: Inzwischen ist jeder fünfte Arbeitnehmer überqualifiziert. Die Unternehmen profitieren von dieser Lage: Beschäftige und Arbeitslose machen sich gegenseitig Konkurrenz, so dass viele gezwungen sind, zu Niedriglöhnen und prekären Bedingungen zu arbeiten.

Immer mehr Beschäftigte müssen ergänzend Hartz IV beziehen, weil ihre Löhne zum Leben nicht reichen. Umgekehrt gilt: In Vollbeschäftigungsperioden – in Deutschland zuletzt von 1960 bis 1973 – findet praktisch jeder Arbeit zu guten Bedingungen.

Die Unternehmen stellen bereitwillig Ältere, gering Qualifizierte und gesundheitlich Beeinträchtigte ein, weil sie sonst niemanden bekommen können. Dann zeigt sich deutlich: Vermittlungshemmnisse liegen in der Regel nicht in den Personen, sondern im Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt begründet. Zentrale Ursache der Langzeitarbeitslosigkeit ist ein Versagen des Marktes und nicht der betroffenen Menschen. Traumhafte Zeiten.

Mehr als Substitute

Eine solche Vollbeschäftigungslage ist derzeit überhaupt nicht absehbar. Öffentlich geförderte Beschäftigung ist daher notwendig – aber nicht nach Sells Modell. Würde das umgesetzt, fände schlicht und einfach eine Substitution von regulärer Beschäftigung durch öffentlich geförderte Beschäftigung statt. Werden 200.000 Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt – also bei privaten Betrieben sowie Unternehmern der Sozialwirtschaft, die Aufträge für reguläre Betriebe ausführen – aus Steuermitteln bezahlt, haben entsprechend viele Langzeitarbeitslose Arbeit.

Dafür sind 200.000 andere Personen arbeitslos. Sie werden entlassen oder gar nicht erst eingestellt, weil sie zu teuer sind – sie erhalten ja keine Lohnzuschüsse. Im Endergebnis würde die Zahl der Arbeitslosen gleich bleiben und die Zahl der Bezieher öffentlicher Transferleistungen sich verdoppeln. Reguläre Jobs wären durch noch mehr Aufstocker ersetzt.

Ein beschäftigungspolitisch und volkswirtschaftlich katastrophales Ergebnis. Stattdessen brauchen wir einen sozialen Arbeitsmarkt, durch den mehr Arbeit geschaffen wird. Unzweifelhaft gibt es enormen gesellschaftlichen Bedarf zur Verbesserung der sozialen Infrastruktur, vor allem in den Bereichen Erziehung, Bildung, Pflege, Gesundheit. Hier könnten hunderttausende Arbeitslose sinnvoll bei Kommunen und Wohlfahrtsverbänden zu regulären, tariflichen Bedingungen beschäftigt werden.

In diesem Zusammenhang ist auch die vorgeschlagene Umwandlung der Transferleistungen in Lohneinkommen wegweisend. Nur: Diese Beschäftigung muss im öffentlichen Interesse sein. Es geht um Tätigkeiten, für die die öffentliche Hand vor Ort aktuell keine Mittel hat. Um eine Verdrängung von Beschäftigung zu vermeiden, sollten in den Landkreisen Ausschüsse der Sozialpartner einstimmig über die Einrichtung entsprechender Arbeitsplätze entscheiden. Auf diesem Weg könnte Arbeitslosigkeit in Deutschland wirksam vermindert werden.

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14 Kommentare

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  • M
    mikeondoor

    gute bestandsaufnahme! danke für den bericht. aber mal eine andere frage: warum immer wieder systheme konfigurieren, die massive staatliche verwaltungen erfordern... was ist mit dem gedanken des grundeinkommens: jeder erhält einen betrag, der es ihm ermöglicht, die grundbedürfnisse zu befriedigen. und wo kommt das geld dafür her? alleine durch das wegfallen des ganzen unzeitgemäßen verwaltungsapparats - angefangen bei den argen (und den enorm gestiegenen sozialgerichtskosten), kindergeldverwaltung, sozialkassen, steuer- und riesen finanzämter (die idee von götz werner mit nur noch einer verbrauchssteuer!)etc... hier wäre ein gewaltiges umschichten in eine politik der zukunft möglich, denn BEDINGUNGSLOSES grundenkommen wäre bezahlbar UND würde für unsere land einen enormen kreativitätsschub an unternehmertum bedeuten...

  • D
    Detlev

    Die Analyse von Lars Niggemeyer greift zwei Sache nicht auf: Zum einen den rechtlichen Rahmen für Ausbeuterarbeitsverhältnisse und den Flurschaden, der durch die 450-EURO-Regelung angerichtet wird.

     

    Die Arbeitslosigkeit wird durch politische Entscheidung bewusst hoch gehalten: Bei Stundenlöhnen von 5 und 6 EURO kommt im 450-EURO-Bereich eine katastrophale Entwicklung zustande, die sich in der Rente dann sogar nochmals in krasse Armut entladen wird. Deswegen müsste es erstes Gebot der DGB-Gewerkschaften sein, den Wahnsinn 450-EURo-Job zu stoppen. Aber da hört und sieht man nichts.

     

    Die Gewerkschaften haben Angst vor den Profiteuren dieser idiotischen Politik. Zwar ringen sie sich inzwischen dazu durch, einen Peer Steinbrück nicht mehr zu hofieren oder ihm irgendeine echte Vision zuzugestehen, aber die echten Konflikte meidet man. So auch hier. Es liest sich wirklich lieb und nett, aber die 5 Mio. Arbeitslosen und die Millionen Unterbeschäftigte können aus eigener Kraft kaum etwas gegen diese Ungerechtigkeit machen, weil der rechtliche Rahmen bewusste Tariflöcher geschaffen hat. Dass der DGB diese Löcher hinnimmt, ist ein mindestens genausogroßes Problem wie die Idiotie aus Statistik, versagenden Jobcentern und mangelnden Hilfestellungen in der Arbeitsmarktpolitik.

     

    Worauf läuft das Alles hinaus?

     

    Wer hat ausreichend privates Vermögen? Wie reich oder am ist jemand?

     

    Diese Frage sagt heute, welche Überlebenschancen Arbeitnehmer in dieser Gesellschaft haben. Der Rest gleicht einem Würfelspiel. Mag sein, dass auch mal ein Arbeitslose Verständnis und Gehör im Jobcenter findet. Mag sein, dass im ALG I-Bereich ein Vermittler nicht trickst, einen Arbeitslosen in eine lange Maßnahme schickt. Das ist die Ausnahme, nicht die Regel. Mit einem DGB im Tiefschlaf und einer SPD unter 30 Prozent und ohne Distanz zu Agenda-2010, ohne wirkliche Läuterung, wird hier erst was passieren, wenn die Linken und Piraten die Etablierten in Alarmbereitschaft versetzen. Solange wird der DGB auch keine Konflikte eingehen, man wartet halt ab und kritisiert, aber tut eben nichts Effektives.

  • KG
    Karl Gernholz

    Die Botox – Jobs

     

    „Massenarbeitslosigkeit in Deutschland“, man höre und staune und das steht in der taz. Alle Achtung, wie Recht Sie doch haben Herr Niggemeyer. Hier zwei Zahlen, die Sie bestimmt interessieren: 2,8 Millionen Arbeitslose und 4,9 Millionen Arbeitssuchende. Diese Zahlen sind vom Juni 2012 und Sie finden sie in der offiziellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Die 2,8 Millionen Arbeitslosen, setzen sich zusammen aus ca, 1,8 Millionen Sozialhilfeempfängern, so wurden sie vor dem Betrugssystem H4 bezeichnet, und ca. 1 Million Ausländern. Die 4,9 Millionen Arbeitssuchenden, haben die Arschkarte, suchen Papierschnipsel in den Fußgängerzonen und ziehen eine Mülltonne hinter sich her, mittlerweile nicht mehr tagsüber, als abschreckendes Beispiel für die arbeitende Bevölkerung, sondern in den ganz frühen Morgenstunden, damit die Ausbeutung, die Diffamierung und der Sozialrassismus, nicht mehr ganz so auffällig ist. Andere be- suchen sinnlose Kurse, die den dubiosen Fortbildungsinstituten Millionen aus der Sozialkasse auf die Konten spülen (Umverteilung). Ein weiterer Teil der Arbeitssuchenden, suchen permanent nach Bussen, Zügen und Bahnen, die sie zu den unmenschlichsten Zeiten, zu Firmen bringen wie Amazon, um am Ende des Monats festzustellen, ich kann mir die Frikadelle nicht leisten und dann suchen sie nach Pfandflaschen und Dosen. Das ist Arbeitsmarktpolitik vom aller Feinsten. Die Massenarbeitslosigkeit betrifft also 7,7 Millionen Menschen, mehr als vor dem Betrugssystem von Rot – Grün.

     

    Herr Niggemeyer Sie schreiben, „dass zu Recht über einen sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose diskutiert wird und der Vorschlag auf große Resonanz beim paritätische Wohlfahrtsverband, sowie Rot Grün trifft. Sie scheinen den Schlag immer noch nicht gehört zu haben. Die einen profitieren vom Niedriglohnsektor und die anderen haben ihn installiert. Diese ganze H4 Scheiße gehört weg. Da können Sie noch soviel Botox reinspritzen, aus Ausbeuterjobs werden keine wunderschönen sozialversicherungsfähigen Arbeitsplätze, mit einem mehr als auskömmlichen Gehalt. Sie sollten besser über Entschädigungszahlungen für Langzeitarbeitslose nachdenken und über nachträgliche Beiträge zur Rentenkasse. Sie und andere lavieren an einem Betrugssystem herum, dass einen riesigen Volkswirtschaftlichen Schaden angerichtet hat und zukünftig noch anrichten wird (Altersarmut, Krankheit usw.) und kommen auf die absurdesten Jobideen.

     

    Ist ein Arbeitsplatz wirklich so wichtig, wie es immer dargestellt wird oder müssen wir mit der Arbeitslosigkeit einfach anders umgehen? Angeblich haben ja die Harzer Deutschland vor dem Abgrund gerettet. Jetzt zeigt Euch mal für das begangene Unrecht und die verursachten Leiden erkenntlich. Die Zeit ist Reif für Entschädigungszahlungen und nachträgliche Rentenbeiträge. Den seelischen Schaden, der bei den Betroffenen verursacht wurde, kann sowieso kein einziger Euro wieder gut machen.

     

    „Der Lohn der Betroffenen wird vom Steuerzahler bezahlt“, schreiben Sie Herr Niggemeyer. Jetzt ist aber gut, jetzt reicht’s aber mit dem neoliberalen Mist. Die Sache ist ganz einfach Herr Niggemeyer und geht so: Arbeitgeber bezahlen Lohn und der Steuerzahler, bezahlt Steuern. Jetzt schon werden aus der Sozialkasse für viele Arbeitgeber Lohnkosten ausbezahlt. Dieser Unsinn muss endlich mal aufhören.

     

    Was Sie wieder richtig erkannt haben, ist nicht die mangelnde Qualifikation der Betroffenen, obwohl man in diesem Bereich zielgerichteter vorgehen könnte und überhaupt erst mal anfangen muss, individuell zu fördern, das findet ja überhaupt nicht statt. Der jahrelange Bezug von ALG II liegt vor allem daran, dass die Jobcenter den Auftrag haben, den Niedriglohnsektor auszubauen, dass ist ja das erklärte Ziel von H1-4. Sozialversicherungspflichtige Jobs meiden die Jobcenter wie der Teufel das Weihwasser. Ausbeuterjobs und Ausbeuterfirmen werden doch mit Geldern aus der Sozialkasse voll gestopft. Das ist doch schon zum gängigen Geschäftsprinzip geworden, Herr Niggemeyer.

     

    Teilzeitjobs, auch so ein Krebsgeschwür von Rot – Grün. Die Bäckereien und kleinen Geschäfte, auch REWE, verdienen sich doll und dusselig an diesen Jobs. Manche Statistiken sprechen deutschlandweit von 15 Millionen Minijobs. Man müsste die Unternehmer verpflichten, jeden 3 Minijob in einen sozialversicherungspflichtigen Job umzuwandeln und siehe da, wir hätten mit einem Streich 5 Millionen feste Arbeitsplätze. Das passt den Faulen und Gierigen da oben aber nicht.

     

    Das „individuelle Versagen“, wird von den vielen kleinen Diktatoren in den Jobcentern und den Politikern, wie eine Monstranz vor sich hergetragen. „Selber Schuld, Du kannst nichts, rassiere Dich, wasch Dich usw., ist das gängige Vokabular der kleinen Diktatoren in den Amtsstuben. Clement nennt das „in den Arsch treten“ und ist davon überzeugt, dass diese Demütigungen motivieren. Die Rezepte haben noch nie funktioniert, sind aber die Basis von H1-4.

     

    Das ganze Hartz- Betrugssystem, gehört weg. Hören Sie bitte mit diesen Botox – Jobs auf. Sie können ein Krebsgeschwür oder einen Kropf, nicht mit kosmetischen Kleinoperationen kaschieren.

  • S
    Schoko

    Die Arbeitslosenzahlen sind gefälscht, und die Bürger wissen es seit Jahren.

    Aber die Medien von Spiegel und Tagesschau bis FAZ verkünden die gefälschten Bilanzen jeden Monat kommentarlos.

     

    Dass die TAZ hier mal klartext redet, ist lobenswert. Das müsste sie eigentlich zu jedem Monatswechsel so machen, so auf diese Art:

     

    "Arbeits"agentur beleidigt Leser mit gefälschten Bilanzen.

  • S
    Sklave

    Ich denke nicht, dass es nicht genügend Arbeit gäbe, es

    ist nur leider so, dass nicht genügend Geld vorhanden ist,

    um diese Arbeit angemessen zu bezahlen. Das könnte vielleicht

    auch daran liegen, dass Arbeit sehr mit Abgaben belastet ist

    und den größten Teil des Gesundheitssystems samt Pharma-Mafia,

    den größten Teil der Rentenkassen sowie einen ordentlichen

    Anteil der Steuergelder finanzieren soll. Auf meine Arbeit

    werden somit ca 108,3% einer Art von Mehrwertsteuer fällig.

    Das Geld muss zwar so oder so irgendwo herkommen, allerdings

    würden die Personalkosten bei geringeren Abgaben auf Arbeit

    nicht gar so garstig aussehen.

  • UH
    Underclass Heroine

    In gewisser Weise gibt es trotz Arbeitslosigkeit tatsächlich einen "Mangel an qualifizierten Fachkräften". Das bedeutet nicht, dass Arbeitslose grundsätzlich schlecht qualifiziert seien, sondern dass sich gerade dadurch dass viele Menschen in Deutschland immer besser ausgebildet sind, am Arbeitsmarkt ganz neue Möglichkeiten aufzutun scheinen. Das zumindest soll man glauben. Damit wird (Arbeitsmarkt-)Politik gemacht.

    Die Callcenter-Branche zB MÖCHTE extrem belastbare und stressresistente Menschen, die ein tadelloses, akzentfreies Deutsch sprechen, möglichst auch ebenso gut Englisch beherrschen, gut argumentieren und "unternehmerisch" denken können, über eine hohe Intelligenz und eine rasche Auffassungsgabe verfügen, für die ständig wechselnde Schichten und Nachtarbeit kein Problem sind und die dennoch nicht mehr als den Mindestlohn erwarten.

    Sie KRIEGT allerhöchstens Menschen, die aus welchen Gründen auch immer gezwungen sind, solche Arbeiten zu übernehmen und meist natürlich nicht lange durchhalten. Klar, wer könnte das schon!

    In einer solchen Branche herrscht also ein "Mangel". Dieser ließe sich durch gute Arbeitsbedingungen (zB Teilzeitjobs, keine Wechselschichten) und eine angemessene Entlohnung problemlos beheben. Aber das wäre TEUER.

  • HZ
    harald Zorn

    Warum ruft Lars Niggemeyer - bzw. der hinter im stehende DGB - immer noch nach mehr Arbeit? Diese Forderung ist höchstens sinnvoll in den erwähnten sozialen Bereichen, in denen es an Pflegekräften, Lehrpersonal etc. mangelt. Ansonsten gibt es keine Mangelwirtschaft oder hat schon mal jemand vor einem leeren Supermarkt-Regal gestanden?

     

    Das Gegenteil ist der Fall. Wir produzieren für den Export und wir produzieren und verbrauchen mehr als unser Planet hergibt und können uns dabei leisten auf die Arbeitskraft von 5,2 Mio. Menschen zu verzichten.

     

    Die Lösung, die von Gewerkschaften leider nach wie vor abgelehnt wird, besteht zum ersten in einer allgemeinen Senkung der Arbeitszeit auf 30 Std./Woche mit vollem Lohnausgleich und zum zweiten in der Schaffung eines Bedingungslosen Grundeinkommens.

     

    Ersteres würde davor sorgen, dass Arbeit gleichmäßiger verteilt werden kann und mehr Menschen eine Beschäftigung hätten. Außerdem würde auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf davon profitieren.

     

    Letzteres würde für eine Existenzsicherung aller Menschen sorgen. Da wir wie gesagt eine Gesellschaft sind, die Waren im Überfluss produziert, kann diese Forderung nicht an fehlender Finanzierbarkeit scheitern. Die Menschen wollen schließlich kein Geld essen, sondern Brot.

     

    Leider findet eine solche Diskussion in den Gewerkschaften nicht statt.

  • S
    Synoptiker

    Gute Arbeit, Lars Niggemeyer! Nun müssen wir nur noch klären, warum Fr. Merkel diese hohen Sympatie-Werte aufweisen kann. Es liegt offenbar nicht an den großen Fähigkeiten dieser Dame, denn das Lavieren spricht da eine andere Sprache. Es muss an den Deutschen liegen oder an den Medien und Demoskopen. Gute Journalisten müssen hier nacharbeiten, klaffen doch immer mehr Abläufe und Lebensvollzüge auseinander, wie auf dem Arbeitsmarkt. So kann eine Gesellschaft auf Dauer nicht existieren!

  • H
    Horsti

    Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist hausgemacht. Solange immer mehr Frauen auf den deutschen Arbeitsmarkt kommen, und darüberhinaus stetig Gastarbeiter gleiches tun, bekommt eben nicht jeder Arbeitswillige einen Job. Die aktuell 41.5 Millionen Arbeitnehmer sind so viel wie nie zuvor, und diejenigen die einen Job haben, müssen demzufolge immer öfter mit geringen Löhnen Vorlieb nehmen.

  • S
    Sikasuu

    Vor 2 Jahren einmal 3 Monate Auszeit zu Hause!

    .

    Nach einer Woche, ohne es zu wollen, in der Sauna ein Jobangebot.

    .

    Der Schulleiter der örtlichen Oberstufe "erpresste" mich zu einen 2 monatigen Leistungskurs DEUTSCH.Mit Honorar!

    .

    So geht das!

    Meint

    Sikasuu

    .

    (Hat Spass gemacht!)

  • W
    Wombat

    Das ist eine statische Erklärung, die dem Problem nicht gerecht wird.

     

    Wenn für den ersten Arbeitsmarkt Lohnzuschüsse vom Staat gezahlt werden, dann werden nicht einfach 200000 Arbeitsplätze gegen 200000 Arbeitsplätze getauscht. Dadurch, dass der Staat einen Teil des Einkommens übernimmt, kann der Lohn sinken und es wird für Arbeitgeber attraktiver, diese Leute einzustellen. Aber warum sollten dafür bisherige Arbeitskräfte entlassen werden? Die, die bisher arbeitslos waren, sind jetzt so günstig zu beschäftigen, dass sie netto dazu kommen.

     

    Deswegen ist der Vorschlag ok. Warum soll man nur öffentliche Beschäftigung einrichten und den ersten Arbeitsmarkt außen vorlassen?

  • E
    ehrlicheAnalyse

    Die Skandinavier haben 1/3 der Arbeitnehmer im ÖD. Wer nach Norwegen geht als Einwanderer, z.B. aus DE bekommt z.B. sehr oft eine Stelle an der Schule oder in der Kita als Schulhelfer, z.B. hilft derjenige dann bei der Betreuung der Schüler als Assistent mit, das ist natürlich nur für Interessierte. In Norwegen bekommt man dafür ca. 1100 Euro netto.

     

    Allerdings ist das Misstrauen gegenüber den Fähigkeiten von Arbeitslosen in DE höher als in den nordischen Staaten mit ihrem recht gleichmäßigen Bildungsniveau. Deshalb ist evtl. fraglich, ob sowas in DE durchführbar wäre. Auf der anderen Seite könnte man am ehesten in solchen Einrichtungen und in Pflegeheimen Stellen schaffen, man sollte aber nur Leute wählen, die Interesse daran haben und ihnen zeitgleich auch eine Ausbildung in dem Bereich anbieten.

     

    so ein Zwangssystem wo man Leute zwingt brauchen wir nicht, das ist nur was für Freiwillige.

     

    Das Weiterbildungssystem muss auch in DE flexibler werden, in DE kommt man aus einem einmal erlernten Beruf ja kaum wieder raus.

    Also da sind manche andere Länder aber flexibler und man hat da mehr Möglichkeiten, z.B. mit Kurzstudiengängen und anderem. DE steht da ziemlich schlecht da.

     

    Ich hab schon mitbekommen, dass Menschen jahrelang nur deshalb arbeitslos sind, weil man denen keine Aus- und Weiterbildung anbietet. Unter anderem war ein Bekannter von mir jahrelang 1 EuroJobber in einer kita, obwohl er Interesse an der Ausbildung hatte. Tut mir leid, aber das Schulgeld hätten wir ihm noch bezahlen können, Begründung der Ablehnung: er hatte schon mal BAB und Bafög gehabt in einer anderen schulischen Ausbildung.

     

    auf jeden Fall sollten wir endlich die jubelpropaganda von Vollbeschäftigung einstellen. Erstens weil es nervt und 2. weil es eh keiner mehr glaubt und 3. weil allein in meiner Stadt noch 12% arbeitslos sind und in meinem Studienberuf um die 9%. Außerdem muss man nur einen Blick in die Engpassanalse der ARGE werfen, um zu sehen, dass es damit nicht weit her sein kann. In den meisten berufen keinen Mangel, die meisten Niedriglöhner haben auch noch eine Ausbildung.

     

    in manchen Landkreisen arbeiten schon 35% aller Arbeitnehmer im Minijob, teilweise sogar schon bis zu 45% der Frauen, viele unfreiwillig.

  • H
    habnix

    Deutschland braucht noch mehr Akademiker als Taxifahrer. Um das Einkommen von Taxifahrern und anderen fleißigen Leuten weiter zu drücken, ruft man einfach einen "Fachkräftemangel" aus. Den kann niemand belegen aber er ist gur für´s "Geschäft". Mit vielen prekären Jobs aus aufgesplitteten Vollzeitstellen wird die Binnennachfrage sicher nachhaltig gesteigert. Der Neoliberalismus in seiner nachhaltigen Art lässt grüßen.

  • A
    Anon

    Danke für diesen sachkundigen und kritischen Beitrag, wir müßen viel mehr über die Mitnahmeeffekte unserer "Eingliederungsmasnamen" diskutieren!