: Debakel im Triumph
Chinas Sportler dominieren die Asienspiele. Honoriert wird das kaum, denn die Fußballteams versagen
PEKING taz ■ Für Chinas Athleten sollten sie der große Probelauf für die Olympischen Spiele 2008 in Peking sein: die 15. Asienspiele, die gestern in Doha, der Hauptstadt Katars, zu Ende gingen. Tatsächlich brachten die 647 chinesischen Sportler, die an den Spielen teilnahmen, gleich kiloweise Edelmetall nach Hause: 165-mal Gold, 8-mal Silber und 63-mal Bronze. Damit gewann China 40 Prozent aller Goldmedaillen und übertraf den eigenen Medaillenrekord von den Asienspielen 2002 in Südkorea. Die chinesische Nationalhymne kennt in Doha jetzt jeder.
Doch komischerweise wollte sich der Jubel zuhause nicht so recht einstellen. Zwar berichtete der staatliche Sportsender CCTV 5 ununterbrochen und ausführlichst aus Katar. In öffentlichen Bussen, Bahnhöfen und Flughäfen flimmerten in China landauf, landab 14 Tage lang die eigenen sportlichen Siege über die Bildschirme. Doch siehe da: Niemand schaute hin. Typisch für die vergebene Müh der Berichterstatter war eine Titel des Parteiblattes China Daily zum 400-Meter-Hürden-Lauf der Frauen. „Niemand in Asien kann mich schlagen“, wurde die Siegerin Huang Xiaoxiao in großen Buchstaben zitiert. Doch wen interessiert eine Hürdenläuferin, die es international bisher nur einmal in einen Finallauf bei den Weltmeisterschaften brachte? Etwas enttäuscht musste sogar China Daily gegen Ende der Spiele feststellen: „Chinas Dominanz bei den Asienspielen stieß bei Medien und Fans kaum auf Interesse.“
Dafür gab es handfeste Gründe. Schon seit 24 Jahren führt China die Medaillenspiegel der Asienspiele an. Da fehlten Konkurrenz und Nervenkitzel – und vor allem die bekannten Namen. Bis auf Hürdenweltrekordler Liu Xiang und die dreifachen Turnweltmeister Cheng Fei und Yang Wei blieben die Superstars des chinesischen Sports den Asienspielen fern. Basketball-Recke Yao Ming war in der NBA gebunden, die bekannten Olympiasiegerinnen Xing Huina (10.000-Meter-Lauf) und Luo Xuejuan (100 Meter Brustschwimmen) durften sich ausruhen. „Sie hatten in letzter Zeit viele Wettbewerbe“, entschuldigte Vize-Sportminister Duan Shijie seine Stars.
Stattdessen kam in Doha der chinesische Nachwuchs zum Zuge. Zwei Drittel der chinesischen Teilnehmer traten als Teenager ohne internationale Wettbewerbserfahrung an. Von den Turmspringern, die in ihrer Disziplin alle zehn Goldmedaillen abräumten, waren 10 von 14 Sportlern sechzehn Jahre oder jünger. Wie viel ihre Erfolge in Doha für die Spiele in zwei Jahren in Peking bedeuten, wollte jedoch auch in China niemand voraussagen. Einzig Nationalheld Liu gab sich nach seinem erwarteten Sieg über 110 Meter Hürden selbstsicher: „Wenn Athleten und Trainer als Team arbeiten, können wir die Nummer eins werden“, sagte Liu mit Blick auf den Medaillenkampf in Peking 2008.
In Wirklichkeit aber ist das Selbstbewusstsein Chinas als Asiens führender Sportnation längst nicht so ausgeprägt, wie es der Medaillenspiegel von Doha vermuten lassen könnte. Turmspringen, Schießen und Turnen, wo China dominiert, sind eben auch in der Volksrepublik keine großen Publikumssportarten wie etwa der Fußball. Er ist vor Tischtennis die beliebteste Sportart in China. Doch auch in Doha mussten die Fußballfans des Landes erneut mit ansehen, wie sich ihre Männer- und Frauenmannschaften von Mitbewerbern deklassieren ließen. Japans Frauen spielten die Chinesinnen mit überlegener Technik in Grund und Boden. Besonders aber fiel der planlose Einsatz des 17-jährigen Nationaltorwarts Wang Dalei beim verloren gegangenen Elfmeterschießen der Männer gegen den Iran auf. Zumindest aus fußballerischer Sicht erlebte China in Doha ein Debakel, das auch noch so viele Goldmedaillen in anderen Disziplinen nicht aufwiegen konnten. GEORG BLUME, BABAK TAVASSOLIE