: Dealte Bürgermeister mit Karl-Marx-Allee?
■ Bündnis Friedrichshain will Unklarheiten beim Verkauf der Karl-Marx-Allee zur Sprache bringen / Bezirkssondersitzung
Der überraschende und umstrittene Verkauf der 2.950 denkmalgeschützten Wohnungen in der Karl-Marx-Allee in Friedrichshain wird im Bezirk ein parlamentarisches Nachspiel haben. Wie berichtet, war der „sozialistische Prachtboulevard“ am vergangenen Dienstag von der Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain (WBF) an die Depfa Immobilienmanagement AG (DePfa), eine Tochter der Wiesbadener Deutschen Pfandbrief- und Hypothekenbank, verkauft worden. Die DePfa zahlte nach Angaben des WBF-Geschäftsführers Henning von der Lancken schlappe 900 Mark pro Quadratmeter.
Der von Bündnis 90/Grünen, der PDS und Mieterorganisationen kritisierten Privatisierung im Rahmen der Altschuldenhilferegelung hatte offenbar auch Bezirksbürgermeister Helios Mendiburu (SPD) zugestimmt, ohne zuvor die Bezirksverordneten vom geplanten Verkauf zu unterrichten. Mendiburu sitzt für das Bezirksamt im Aufsichtsrat der WBF. Wie die baupolitische Sprecherin der Bündnis-Fraktion, Claudia Hertel, der taz erklärte, habe Mendiburu noch am 8. Dezember auf einer BVV-Sitzung erklärt, weder eine Privatisierung unsanierter Wohnungen komme in Frage noch ein Verkauf in diesem Jahr.
„Einen Tag später“, so Hertel, „hat Mendiburu dann als Aufsichtsratsmitglied den Verkauf abgesegnet.“ Hertel zufolge habe der Bürgermeister bereits seit November von den Kaufabsichten der Wiesbadener Bank gewußt und die Bezirksverordneten dabei bewußt im unklaren gelassen. Claudia Hertel: „Entweder hat Mendiburu die Tragweite des Verkaufs nicht erkannt, oder er hat bewußt gelogen.“ In beiden Fällen müßten sich die Bezirksverordneten fragen, ob sie Mendiburu in seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied bei der Wohnungsbaugesellschaft noch vertrauen könnten. Bürgermeister Mendiburu war gestern nicht zu erreichen.
Auf einer Sondersitzung des bezirklichen Wohnungsauschusses sollen heute sowohl die Rolle des Bürgermeisters als auch weitere Unklarheiten beim vorweihnachtlichen Monopoly zur Sprache kommen. Nach wie vor zurückgehalten werden nach Angaben Hertels nämlich auch die Verträge, die zwischen der WBF und der DePfa ausgehandelt wurden. „Sowohl der genaue Verkaufspreis als auch die Frage, ob die WBF Verwalterin bleibt und wer mit der Sanierung zu welchen Konditionen beauftragt wird, liegen bislang nicht schwarz auf weiß auf dem Tisch“, kritisierte die Bezirksverordnete. Sie will nun Bezirk wie Wohnungsbaugesellschaft dazu drängen, sich möglichst schnell den Fragen und der Kritik der Mieter zu stellen. Zwar habe die WBF vor den Privatisierungen bei einer Umfrage unter Mietern ermittelt, daß nur sechs Prozent der Mieter in der Lage seien, die Wohnungen zu kaufen. Der in der Umfrage genannte Kaufpreis hätte allerdings zwischen 1.800 und 2.400 Mark pro Quadratmeter gelegen. Die MieterInnen der Karl-Marx-Allee seien bei der Befragung von vorneherein ausgeschlossen worden. Uwe Rada
Die Sitzung des Bauausschusses, zu der sich auch Helios Mendiburu angesagt hat, ist öffentlich und findet heute um 17 Uhr im Raum 216 im Rathaus Friedrichshain, Petersburger Platz, statt.
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