De-novo-Mutationen: Schizophrenie in den Genen
Mit einer neuen Methode haben sich Forscher von der Université de Montreal der Schizophrenie genähert. Ihr Ziel: mögliche Ansatzpunkte für neue Therapien zu finden.
Schon lange gingen Fachleute davon aus, dass Schizophrenie genetisch bedingt ist. Anstatt jedoch die DNA in Familien zu analysieren, bei denen die Krankheit gehäuft vorkommt, ging ein internationales Team unter Guy A. Rouleau von der Université de Montréal nun den umgekehrten Weg.
Die Wissenschaftler untersuchten gerade solche Familien, bei denen diese Krankheit erstmals auftrat. Im Fachmagazin Nature Genetics präsentierten sie jetzt ihre Ergebnisse.
Insgesamt hatten sie für ihre Studie 14 PatientInnen im Alter zwischen 17 und 41 Jahren ausgewählt. Andere Ursachen für die beobachteten psychischen Abweichungen, wie etwa Traumen oder Drogensucht, wurden ausgeschlossen. Bei jeder dieser Personen verglichen sie etwa 20.000 Gene mit deren Entsprechungen bei den leiblichen Eltern. Bei acht Probanden entdeckten sie insgesamt fünfzehn sogenannte De-novo-Mutationen, das heißt Gene, die sich von denen beider Eltern unterscheiden. Bei vier von diesen fünfzehn Genveränderungen handelte es sich zudem um sogenannte Nonsense-Mutationen, die zum vorzeitigen Abbruch der Peptidkettensynthese führen. Rouleau zufolge liegt dieses Resultat über dem aus Zufallsrechnungen zu erwartenden Anteil.
Alzheimer-verdächtiges Gen LRP1
So fand man Deformationen eines Gens namens LRP1, das schon früher mit der Alzheimer-Krankheit in Verbindung gebracht wurde. Ein anderes dieser Gene mit der englischen Abkürzung KPNA1 spielt eine wichtige Rolle im menschlichen Immunsystem. Falls Veränderungen dieses Gens eine Rolle bei der Entstehung von Schizophrenie spielten, so trüge diese auch Züge einer Autoimmunkrankheit.
Schizophrene leiden stark und sind sozial isoliert. Wer an den schweren Formen erkrankt, hört zum Beispiel Stimmen oder fühlt sich von Aliens verfolgt. Nach Einschätzung der WHO sind weltweit 24 Millionen Menschen betroffen.
Simon Girard, der als Stipendiat die Mehrzahl der Experimente im Rahmen dieser Studie durchführte, wies darauf hin, dass die meisten dabei entdeckten abweichenden Gene bisher von niemandem mit Schizophrenie in Verbindung gebracht worden seien. Ob sie tatsächlich mit zum Ausbruch der Krankheit beitragen, soll jetzt eingehender untersucht werden. Die Forscher hoffen, dass sie so mögliche Ansatzpunkte für neue Therapien finden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg