piwik no script img

DaumenkinoVon gestern

■ betr.: "Jagd auf Schmetterlinge" von Otar Iosseliani

Von Staubmäusen und Menschen erzählt der georgische Regisseur Otar Iosseliani in seiner „Jagd auf Schmetterlinge“. Vor allem Traditionalisten und Nostalgiker werden ihre Freude daran haben, denn der Film ist mit voller Absicht von gestern. In einem französischen Schloß haben sich zwei alte Damen eingerichtet. Der einen gehört das Gemäuer, ein mit alten Möbeln vollgestelltes Museum der Familiengeschichte, auf dessen Parkettboden die Staubflocken Ballett tanzen. Die zweite Dame versorgt die erste, geht auf dem Markt für sie einkaufen (konventionell!) oder schießt mit einer Armbrust Fische für das Abendessen (originell!). Weder die auf ihren Schultern gut abgehangene Karo-Stola noch der Walkman auf dem achtlos zusammengesteckten Haargewirr lassen an ihrer Herkunft aus dem aristokratischen Milieu zweifeln. Doch der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit läßt sich nicht aufhalten: Kaum hat die Schloßbesitzerin ihr irdisches Leben ausgehaucht, rücken die Erbschleicher an. Ausgerechnet eine Farbige läßt die Silberlöffel mitgehen. Die russischen Verwandten verhökern die Immobilie an Japaner. Die können mit dem europäischen Kulturgut – so will es der Regisseur – gar nicht umgehen. Völlig unpassend wirken die Fahnen mit japanischen Schriftzeichen auf den Schloßmauern.

Wie schade. Wenn man die Insektenjagd in die ideologische Schublade steckt, hat sie verloren. Zwar ist es Iosselianis Ziel, sowohl in nostalgisch-poetischer Weise eine verlorene Zeit mit ihrer spezifischen Lebensart zu illustrieren als auch Kritik an einer Gegenwart zu üben, in der (fast) alles vermarktet wird. Doch hätte sich der in einen Anachronismus verliebte Regisseur – selber ein Vertreter der georgischen Oberschicht – sich nicht dazu verleiten lassen dürfen, dies mit Hilfe der geschilderten Rollenaufteilung zu vermitteln. So verspielt die Komödie das Prädikat „Meisterwerk“, das sie ansonsten verdienen würde. Denn der Autorenfilmer („Die Günstlinge des Mondes“, 1984) gönnt dem Kinovoyeur die Muße des Augenblicks. So groß wird die Sehnsucht nach diesem Märchendorf und die Sympathie für die beiden skurrilen alten Schachteln, so atmosphärisch-dicht ist die Stimmung des wortkargen, in sepiafarbenes Licht getauchten Films, daß dies ewig hätte so weitergehen können. SaJa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen