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■ DaumenkinoAntonia & Jane

Die eine ist hübsch, die andere häßlich. Die eine macht Karriere, die andere steht im Schatten. Die eine ist tüchtig, die andere verwegen. Die eine hat Pech in der Liebe, die andere Pech im Beruf. Als Kinder haben sie sich ewige Treue geschworen, und noch im Alter liegen sie einander in den Armen. Unzertrennlich, unentbehrlich, unzerstörbar – das sind Frauenfreundschaften im Kino. Ob Beaches oder Grüne Tomaten, Thelma & Louise oder die Lemon Sisters: Im Film passen Freundinnen niemals zusammen und halten immer zueinander. Welten mögen sie trennen, Liebhaber aufkreuzen, Biographien auseinanderdriften, egal. Frauen sind halt die besseren Menschen, garantiert zuverlässig, solidarisch, fair – eine Männerphantasie. Verrat und Eifersucht, Konkurrenzkampf und Psychokrieg bleiben vorübergehende Erscheinungen im Dienst des Happy-End. Das Leid, das Frauen einander zufügen können, taugt nicht für die Leinwand. Mein erster großer Liebeskummer galt meiner ersten besten Freundin. Da war ich sechs, und es war eine Tragödie. Solche Geschichten schreibt nur das Leben.

Bei „Antonia & Jane“ ist das ein bißchen anders. Die Psychiaterin will wissen, wie alles anfing. „Mit drei hat sie mir eine Milchflasche an den Kopf geschmissen, mit fünf begrub sie mich lebendig im Garten, mit sieben gründete sie einen Geheimclub, dem ich nicht beitreten durfte. Ich verehrte sie“, skizziert Jane den Beginn einer lebenslangen Bekanntschaft. Haßliebe ist gar kein Ausdruck. Ein Jahrzehnt später beneidet die erfolgreiche Antonia die exzentrische Freundin um ihre Abenteuer: „Ich stecke in der Tretmühle, und sie entwickelt sich weiter.“ Klar, das richtige Leben führt immer die andere. Nun liegen sie bei der gleichen Therapeutin (ganz in Rosa: Brenda Bruce) abwechselnd auf der Couch, denn die nächste Verabredung steht ins Haus. Warum die beiden sich jedes Jahr einmal zum Essen treffen – sie wissen es nicht. Aus diesem Achselzucken entwickelt die britische Regisseurin Beeban Kidron das groteske Potential ihres Films: aus dem Wissen, daß viele Menschen ein Leben führen, das sie verabscheuen, ohne sich über die Motive ihres Handelns im klaren zu sein und ohne es zu ändern.

Jane verdingt sich als Discjockey im Altersheim. Sie haßt die Tanzveranstaltungen und den Mohnkuchen, aber sie legt lächelnd Platten auf und mampft Backwaren. Antonia schnappt der Freundin den romantischen Künstler Howard weg und rackert sich als Literaturagentin ab, dabei steht sie mehr auf SM und haßt den Verlagschef. Imelda Staunton als Jane bringt den Mut zur Häßlichkeit auf: zu viele Locken, ein aufgedunsenes Gesicht, dicke Brille, Dufflecoat und Hippie- Klamotten. Die Geschichte beginnt in den sechziger Jahren. Gnadenlos karikiert Staunton die Accessoires jener Epoche und die Mischung aus Aufbegehren und Verklemmtheit, die die Achtundsechziger kennzeichnet. Saskia Reeves als Antonia sieht blaß aus dagegen. Wie nebenbei verkörpert Staunton eine Generation, die kaum begriff, daß es bei der Freiheit, um die sie kämpfte, vor allem um die eigene ging. Zuletzt sah man die Schauspielerin in Peter's Friends als verhuschte Jingle-Schreiberin Mary, die krankhaft um ihren kleinen Sohn besorgt ist, aber am Ende als einzige der Frauen ihren Spaß hat (und außerdem wunderbar singen kann). Im Vergleich wird klar, woran Branaghs Achtundsechziger- Komödie krankte: an Selbstverliebtheit.

Auch Die Herbstzeitlosen, die erste Hollywood-Produktion der britischen Filmemacherin, lebte vom unbarmherzigen Blick auf die Komik des Alltags. Das Kammerstück Antonia & Jane, eigentlich eine BBC-Produktion, erinnert darüber hinaus an die Zeiten des „New British Cinema“. Kidron verzichtet auf eine stringente Handlung zugunsten eines locker gefügten Episodenfilms, dessen Pointen sich manchmal fast zu provisorisch aneinanderreihen. Aber wenn Jane ihren ersten Liebhaber Howard bei seiner Fotoausstellung von Hinterbacken kennenlernt („Verstehe, Sie sind Spezialist!“), wenn sie sich ihre ärgsten Widersacher beim Zappen durchs TV-Programm auf den Bildschirm phantasiert oder wenn Antonia das Eifersuchtsdrama um Howard als Résistance-Melodram im Kino wiederfindet, wird man selbst affiziert von der Lust am Verrückten. Drehbuchautorin Marcy Kahan hat eher drei Ideen zuviel als eine zu wenig, und die Regisseurin nimmt sich die Freiheit zu improvisieren und inszenieren, was immer ihr in den Sinn kommt.

Daß man manchmal nicht so genau weiß, warum sie es tut, mag am Thema liegen. Diesmal wird sie nämlich verraten, die Wahrheit über die beste Freundin. Natürlich kriegen sie sich doch ... Solche Geschichten schreibt nur das Kino. Christiane Peitz

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