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■ DaumenkinoIm Namen des Vaters

Womöglich eignet sich nichts besser für gutes Ödipalkino als der Justizirrtum: He was my man, but he was doin' me wrong. Hier nun, in Jim Sheridans Im Namen des Vaters, der Verfilmung des Justizskandals um die irischen Guildford Four, wird das Ganze noch einmal verknäult, indem Vater und Sohn gemeinsam einsitzen, gemeinsam einem atavistisch strafenden Zornespapa gegenüberstehen.

Beide sind bekanntermaßen unschuldig und gleichzeitig aneinander irgendwie schlappwanzmäßig schuldig geworden: Gerry Conlon hat nicht gepaßt, daß sein Vater Guiseppe hieß und keinen Mumm in den Knochen hatte, und Guiseppe hat Gerry für einen Taugenichts in Schlaghosen gehalten.

Yes, Sir: Schlaghosen. Die Seventies werden, zu Anfang des Films, noch im Jim-Morrison-Galopp genommen; da sind Sonnenbrillen, Federboas und korrekte Absätze, und da sind die, die man früher Mädchen nannte, so liebe, wie in „Mein Mädchen, sie ist gut zu mir“.

Das alles und noch viel mehr gönnt man Danny Day- Lewis aufs energischste, der so eine Art hat, ins Leben zu marschieren, daß man einfach mittun möcht', und wenn so jemand dann so furchtbar entsetzt wird, dann wacht ein Muttertier in einem auf und will über verschwitzte Haare streichen, und wo er dann auch noch so hübsch ist und so weiter...

Was sich in den „Commitments“ schon anbahnte, aber irgendwie unter den Sledge Hammer geraten war, tritt hier durch den hart geschnittenen Skandal um die Guildford Four mit Macht hervor: Die Iren außerhalb der IRA sind einem Terror von links, rechts, oben und unten ausgesetzt, aus dem sie kein höhres Wesen mehr rettet.

Da gab es offenbar eine Art „Britischen Herbst“: Bombenattentate auf zwei Londoner Pubs im Oktober 1974 lösen eine Hetzjagd gegen alles irgendwie auch nur irisch Aussehende aus, mit Sicherheitsgewahrsam, Schlafentzug, Einzelhaft, Schlägen und echtem englischem Humor. Gerry und sein Freund hatten das Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein – die grausame Umkehr des Hippie-Fluxus –, und ihre erzwungenen Geständnisse reißen die gesamte Familie rein, mit Vater, Tante und den Mädchen, von denen eine deshalb ihre ganze Jugend im Knast verbringt, bis schließlich ein bloßer Zufall eine Revision erzwingt. Zack, zack, zack: der Film taugt als Politfilm à la Costa Gavras, als Jail House Rock und als griechische Tragödie, und trotzdem denkt man im nachhinein plötzlich an den „Snapper“: Wenn alle Stricke reißen, und für die Iren sind sie alle gerissen, dann bleibt als letztes Refugium nur noch die Familie. Zu katholisch? Wohl kaum. mn

„Im Namen des Vaters“. Regie: Jim Sheridan, mit Daniel Day-Lewis, Emma Thompson, Peter Postlethwaite. USA, 1993, 127 Min.

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