piwik no script img

■ DaumenkinoThe Selling of a Female Serial Killer

Zugegeben, dieser Film kommt zunächst etwas verschrumpelt daher, die Kopie ist nicht besonders, die Farben verwaschen. Zugegeben auch, daß er nur in wenigen Off-Kinos der großen Städte zu sehen ist. Aber Ihr da draußen in Buxtehude: Überredet Euren Lieblings- Kintopp, den Film zu besorgen! Er ist die notwendige Ergänzung, die kleine Fußnote zum inzwischen so arrivierten Thema Massenmörder. Wo jede Videothek, die etwas auf sich hält, mittlerweile extra Sortimente von Selbstzeugnissen bereithält, von Henry über Jack bis zu Lee, die den Genet-haften Eindruck erwecken, man habe es mit Künstlerbios zu tun, da kommt The Selling gerade recht. Erzählt wird, in Real-TV-Farben, die Real- Geschichte der Stricherin Aileen Wuornos, die mit einigen Herren Dinge erlebt hat, die man nicht einmal seiner Schuhsohle zumuten würde. Daher ist sie beim Trampen irgendwann dazu übergegangen, sieben dieser Herren zu erschießen, erstechen, erschlagen. Und was Sie noch nie über Thelma and Louise wissen wollten: Irgendwann trifft sie auf eine Frau, in die sie sich heftig und ungestüm verliebt, groß, weiß und blond wie Aileen. Die Frau kooperiert beizeiten mit der Staatspolizei und verhökert darüber hinaus die Filmrechte dieser Moritat an einen Produzenten aus Hollywood und diverse Buchprojekte.

In diesen Deal verwickelt ist auch eine Farmerin, die in ihrer sommersprossigen Schafsnasigkeit an Sissy Spaceck erinnert und deren Freund, ein großer Haufen weißes Fleisch, der sich als Anwalt ausgibt und Credence Clearwater Revival singt. White Trash legt los: Die Farmerin hat Aileen beim Court-TV im Fernsehen gesehen und beschlossen, sie zu adoptieren (!), von Sternzeichen ist die Rede; der Anwalt „verteidigt“ Aileen währenddessen, was faktisch hieß, daß dieses reizende Gespann ebenfalls in einen Deal mit Hollywood eingeklinkt war. Deshalb nämlich haben sie Aileen geraten, auf Schuldig zu plädieren. Es gäbe die deutlich bessere Story ab und würde außerdem dafür sorgen, daß Aileen nie nie wieder das Tageslicht erblickt. Der Film spielt schließlich nur noch zwischen Farm, Anwaltsauto und Todeszelle, ab und an noch einmal Gerichtsverhandlungen, bei denen einem die Magengeschwüre explodieren, und schließlich, amazing grace, wird einem noch der elektrische Stuhl erklärt.

Der letzte Blick fällt auf die Scheibe etwa einen Meter vor dem Stuhl, hinter der die Angehörigen oder sonstwelche Interessierten der Hinrichtung zusehen können (keine Einwegscheibe).

„Aileen Wuornos: The Selling of a Female Serial Killer“. Regie: Nick Broomfield. USA 1993, 97 Min. Kontakt zum amerikanischen Verleih über das Berliner Eiszeit Kino: 030/611 60 16.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen