piwik no script img

■ DaumenkinoDas Kartell

Kennen Sie sich mit Ochsenfröschen aus? Nein? Also, bei Ochsenfröschen ist ein äußerst interessantes Phänomen zu beobachten. Da sitzen die männlichen Ochsenfrösche am Rande eines Tümpels herum und geben weithin vernehmbare laute Quaktöne von sich, um Weibchen anzulocken. Die Weibchen suchen sich eine Stimme aus, auf die sie dann zuhüpfen. Je lauter und voller das Quaken ertönt, desto attraktiver wirkt es auf sie. Doch ganz in der Nähe des dominanten Quakers hockt ein kleineres, schwächeres Männchen, ohne einen Ton von sich zu geben. Doch sobald ein Weibchen sich einem Schreihals nähert, springt das stille Männchen blitzartig aus seinem Versteck, verstellt ihm den Weg und beeilt sich, das Weibchen zu begatten. Mit dieser sogenannten Satelliten- oder Erschleichungsstrategie arbeitet auch Hollywood. Kaum hat einer der Brüllfrösche namens John Grisham, Michael Crichton oder Tom Clancy mit einem neuen Buch genug Aufmerksamkeit auf sich gezogen, ist Hollywood da und bespringt das Publikum. Meistens halten die dicken Frösche still, weil sie ordentlich geschmiert werden, nicht jedoch Betonkopf Tom Clancy. Der von keiner Muse der Regiekunst geküßte Philip Noyce hatte auch schon Clancys erzreaktionäres Buch „Die Stunde der Patrioten“ verwässert und sich den Zorn des Autors zugezogen, jetzt, mit dem „Kartell“, hat Noyce sich selbst unterboten und den Vorlagenlieferanten an den Rand eines Herzkasperles getrieben. Denn der stramme Rechtsaußen Clancy („Waffen sind besser als Sex“) hatte in seinem Roman schön spannend dargelegt, wie das US-amerikanische Drogenproblem zu lösen sei: Mr. President schickt die Navy und die Air Force nach Kolumbien und bombt alle Kokainbarone in Grund und Boden. Der Originaltitel „Clear and Present Danger“ bedeutet sinngemäß „eindeutig Gefahr im Verzug“ und bezieht sich auf kriegerische Akte, die nur dann legal sind, wenn der Präsident diese Gefahr für die Nation feststellt. Und wenn aus einem Land ein Gift kommt, so Clancys Credo, daß die amerikanische Jugend versaut, so ist dieses Land flugs in einen Aschehaufen zu verwandeln. Harrison Ford spielt wieder, wie schon in den „Patrioten“, den Jack Ryan. Aber auch diesmal wollte Ford die Rolle nur übernehmen, wenn die Lautstärke von Clancys patriotischem Potenzgeschrei heruntergedreht und der Held halbwegs menschliche Züge bekommen würde. Die bekam er. So blieben nur Explosionen, dumme Dialoge und Dutzende toter Kolumbianer übrig. Schade. Über einen faschistischen Propagandafilm hätte man sich aufregen und die kalifornischen Ochsenfrösche an die Wand nageln können, bei einem 08/15-Actionfilmchen ist selbst Gähnen zu anstrengend. Karl Wegmann

„Das Kartell“, Regie: Philip Noyce, USA, 1994

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen