■ Daumenkino: Geheimnisse
Dieser Film beginnt wie ein klassischer Kriminalroman von Agatha Christie. Eine junge Frau restauriert ein Gemälde aus dem 15. Jahrhundert, auf dem man einen alten und einen jungen Mann Schach spielen sieht. Im Hintergrund sitzt eine schöne junge Frau am Fenster und liest ein Buch. Während die Restauratorin, Julia Darro, vorsichtig alte Farbe abspachtelt, bemerkt sie, daß auf dem Bild eine Inschrift übermalt worden ist: Quis necavit equitem. Von einem befreundeten Kunsthistoriker, ein ehemaliger Liebhaber, erfährt sie, daß der alte Mann auf dem Bild der Auftraggeber des Malers war und daß er eine junge Ehefrau hatte, deren Liebhaber ermordet worden war. Die Inschrift ist ein Hinweis auf den Mord. Nicht „Wer nahm den Springer (knight)“, sondern „Wer tötete den Ritter (knight)“ oder – knapper – whodunit?
Die Lösung des Rätsels liegt in der Schachpartie, die die beiden Männer auf dem Bild spielen. Julia engagiert einen jungen Mann, einen Freak, der in den Parks sein Geld mit Schachspielen verdient und der die Partie auf dem Gemälde rückwärts auflösen soll. Kurze Zeit später ist der Kunsthistoriker tot. Weitere Leichen folgen.
Der Film hat ein ausgesprochen britisches Gepräge, vor allem weil die Drehbuchautoren Michael Hirst und Jack Baran die Schachpartie ernst nehmen. Diese Taktik erinnert ein wenig an die wunderbare Dorothy Dunnett, die in ihren Kriminalromanen über den Porträtmaler Johnson Johnson so genau über Dinge wie Segeln und Golf schreibt – Aktivitäten, für die sich in der Regel nur Segler und Golfspieler interessieren –, daß sich auch der Laie dafür erwärmt, einfach weil da jemand erzählt, der von einer Sache wirklich etwas versteht.
Ziemlich abseitig sind auch die Rollen, die Regisseur Jim McBride (The Big Easy) seinen Figuren zuweist. Julia ist sehr hübsch, ebenso ihr Schachgenie Domenec. Daß die beiden sich nach einigen Querelen verlieben, ist vorauszusehen, tatsächlich würde sich niemand sonst in sie verlieben. Sie ißt den ganzen Tag rohes Gemüse und muß in sexuell anregenden Situationen niesen. Domenec trägt entsetzlich bunte Hemden, und seine Hosen sind bis zu den Knien aufgerollt. Das farbenfrohe Ensemble wird durch Sandalen komplettiert. Nur Jugend kann über solche Dinge hinwegsehen. Weit entfernt davon sind die älteren Figuren, wie Julias Freundin Menchu, eine Kunsthändlerin, oder Julias väterlicher Freund Cesar. Rätsel gibt es nur, weil sie exzentrisch und voller Geheimnisse sind. Besonders Cesar (James Wood). Es gibt eine Szene, in der Wood einen anderen Mann bei den Hoden packt und dabei auf eine Art die Augen verdreht, daß man jedes Wort von Gabriele Goettles Bericht am letzten Montag glaubt. Selbst den Backofen. as
„Geheimnisse“, Regie: Jim McBride, USA, 1994
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