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Datenschützer über Mobilfunk-Auswertungen"Demonstrationsfreiheit ist bedroht"

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar kritisiert so genannte Funkzellen-Auswertungen durch die Polizei: Damit werde erfasst, wer an Kundgebungen teilnimmt.

Bei Anruf Überwachung? Mobilfunkanbieter sammeln Handydaten ihrer Kunden, die auch die Polizei interessieren. Bild: dpa
Paul Wrusch
Interview von Paul Wrusch

taz: Herr Schaar, was genau geschieht eigentlich bei einer Funkzellenauswertung durch Ermittlungsbehörden?

Peter Schaar: Dabei werden Verbindungsdaten von Mobilfunkteilnehmern erfragt, die sich in einem bestimmten Zeitraum in einer bestimmten Funkzelle aufgehalten haben und dort telefoniert oder SMS geschickt oder empfangen haben.

Wie viele Menschen kann das im Einzelfall betreffen?

Je nach Größe der Funkzelle, je nach Tageszeit und örtlichen Gegebenheiten sind sehr viele davon betroffen. In ländlichen Gebieten mal einige tausend, in dicht besiedelten Gegenden auch mal mehrere zehntausend oder bei Demonstrationen noch viel mehr.

Wie beurteilen Sie diese Ermittlungsmethode?

Bild: dpa
Im Interview: 

PETER SCHAAR, 56, ist Volkswirt und Mitglied der Grünen; seit Dezember 2003 Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Im November 2008 bestätigte der Bundestag mit großer Mehrheit Schaar im Amt. 2007 erschien sein Buch "Das Ende der Privatsphäre. Der Weg in die Überwachungsgesellschaft".

Diese Maßnahme hat eine erhebliche Streubreite und Eingriffstiefe. Es sind dabei auch Personen einbezogen, die in keinerlei Beziehung zur Straftat stehen. Deshalb ist eine solche Maßnahme immer unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu prüfen.

In dem konkreten Fall ging es um die Ermittlung wegen schweren Landfriedensbruchs bei der Dresdner Anti-Nazi-Demo im Februar dieses Jahres. Wie schätzen Sie hier die Verhältnismäßigkeit ein?

Den konkreten Fall kann ich nicht beurteilen. Aber grundsätzlich halte ich es für kritisch, wenn dieses Instrument bei der Aufklärung von Demonstrationsdelikten eingesetzt wird. Denn unvermeidlich werden dann auch die Daten anderer Demonstrationsteilnehmer erhoben. Die Polizei erfasst also, wenigstens vorübergehend, wer an der Demonstration teilgenommen hat. Ich sehe hier die Demonstrationsfreiheit bedroht.

Warum?

Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt klargestellt, welch hohes Gut es ist, frei von Beobachtung und Registrierung zu demonstrieren. Insofern wäre zu fragen, ob diese verfassungsrechtliche Vorgabe im konkreten Fall beachtet wurde.

Was geschieht normalerweise mit den gewonnen Daten?

Es gibt hier keine klaren Vorgaben. Es gibt auch kein "normalerweise", das ist das Problem. Die Strafprozessordnung ist da außergewöhnlich zurückhaltend. Sie sagt zwar sehr verklausuliert, dass es das Instrument der Funkzellenabfrage gibt. Aber es steht nicht im Gesetz, wie mit den Daten umgegangen wird, ob sie sofort wieder gelöscht werden müssen, wie unterschieden wird zwischen Beteiligten und Unbeteiligten und wie die Verhältnismäßigkeit geprüft wird.

Wie häufig finden solche Funkzellenabfragen statt?

Darüber haben wir keine Informationen.

Sind die juristischen Vorgaben in Bezug auf die Funkzellenabfrage ausreichend?

Nein. Hier ist der Gesetzgeber gefordert. Er müsste die Funkzellenabfrage wegen der immensen Streubreite und der Eingriffstiefe stärker als bisher eingrenzen. Außerdem sind klare Vorgaben für die Verwendung der dabei gewonnenen Daten notwendig.

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13 Kommentare

 / 
  • R
    Realist

    Wer sein Handy zu Hause läßt oder Abseits vom Demonstrationsort kann nicht erfasst werden und somit auch nicht von der Polizei überwacht werden.

    Es ist grundsätzlich davon auszugehen, das der Staat überwacht legal oder illegal, das ist ihm gleich.

    Man muß dieses nur wissen und sich darauf einstellen.

     

    Jeder intelligente Demonstrant wird sich entsprechend verhalten.

  • I
    informatnix

    Und was ist nun, wenn ich nur rein zufällig dort vorbeikomme,

    nur weil ich eben mal von von A nach B reisen muß, mit

    Umsteigen genau am Demo-Ort ? Dabei will ich mit der ganzen

    Auseinandersetzung überhaupt nichts zu tun haben, werde aber

    von der Polizei dann registriert, nur weil ich dummerweise

    ausgerechnet dort langfahren musste, und eben mein Handy

    anhatte... ???

     

    So können unbeteiligte Personen zwangsweise in Konflikte

    verwickelt werden, mit denen sie absolut nichts zu tun

    haben möchten - das ist unerträglicher Mißbrauch !!!

  • D
    Demokratin

    Ja lieber Herr Zyniker, genau so ist es. Das trifft es genau auf den Punkt...wenn wir uns nicht bald alle wehren, auf die Straße gehen, haben wir wieder DDR-Zeiten. Willkommen in der Diktatur! Darauf hin zielt doch alles nur ab. Die ganze Welt soll überwacht und gesteuert werden. Von einigen wenigen Reichen, die jetzt schon über den Finanzmarkt bestimmen und spekulieren. Und dazu gehören auch Deutsche, allen voran die Deutsche Bank!

     

    Herrlichkeit lässt grüßen....

  • K
    Kommentator

    @ Herr Schaar:

    "Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt klargestellt, welch hohes Gut es ist, frei von Beobachtung und Registrierung zu demonstrieren."

     

    Wann waren Sie denn das letzte mal auf ner Demo?

    Mein Tipp: kommen Sie mal nach Bayern auf ne Anti-Nazi- oder Anti-Burschi-Demo, Herr Schaar, dann wissen Sie welch hohes Gut dies besonders HIER ist.

     

    @bigkelle

    Ist schon wieder Männer-Fußball-WM?

    Oder was meinen Sie mit dem Wort "Aufstand" in Bezug auf Deutschland

  • A
    aurorua

    Ich hatte noch nie ein Handy, dies hat mir jede Menge überhöhte Kosten erspart, meine Gesundheit womöglich geschont und wie ich schon immer ahnte ein wenig TOTALÜBERWACHUNG (Bewegungsprofile usw. usf.) vom Halse gehalten.

    In die Tonne mit der kapitalistischen Ausbeuter und Überwachungsscheisse.

    Dieser Schar quasselt im Übrigen auch nur rum, wobei er noch Zeit hat nebenher Bücher zu schreiben, alles unnütze Kosten, denn wirklicher Schutz geht von dieser Knallcharge garantiert nicht aus. Der nickt doch auch bloß alles nur ab, genau wie seine Parteikumpane unter SCHRÖDER/FISCHER.

  • S
    schreiber

    man nimmt auf demos grundsätzlich keine handis mit ... bzw. schaltet diese (durch das entfernen des akkus!!!) aus. als hamburger weiß man das ;O)

  • B
    bigkelle

    Ich frage mich nur noch, wann es losgeht! ich meine der aufstand...

  • GS
    Günter Schütz

    Hallo,

     

    ich denke, es ist naiv anzunehmen, dass vorhandene Daten nicht auch für alle denkbaren Fragen benutzt werden, unabhängig davon, was im Gesetz steht. Es darf halt nur niemand merken. Daher ist es auch egal, ob es ein Gesetz gibt und was dort steht.

     

    Die technischen Möglichkeiten sollten und werden genutzt, alleine schon, weil es geht und sei es nur, um zu testen, ob es geht. In Zeiten von Netzwerken und weltweitem Internet bekommt das niemand mit.

     

    Schwierig wäre es für mich, wenn die Polizei an der Tür klingelt, weil sie mit einer "verbotenen" Aktion Daten über mich gesammelt hätten.

     

    Gruß, Günter

  • L
    Lisa

    sorry, wenn ich jetzt so naiv frage, das heißt jetzt aber nicht, dass auch die Inhalte von Telefonaten/SMS erfasst wurden?

    So oder so hoffe ich inständig, dass die damit nicht einfach so durchkommen.

  • N
    NaSoWas

    da hilft nur noch, VOR der Demo/Gegendemo alles abzusprechen und dann OHNE Mobiltelefon (Handy) hinzugehen, so wie wir das früher auch getan haben.

    Und weiters sollte halt jeder gegen den Innenminister des Landes und oder des Bundes Klage einreichen (je nach Vorfall). Eine Rechtschutzersicherung ist da Gold wert. Und bei der nächsten Wahl besser überlegen, wo das Kreuzchen gemacht wird.

  • S
    Steve

    Diese Schleichwerbung in dem Photo zum Artikel ist schon merkwürdig, schreibt die Taz gerne auch über Schleichwerbung in anderen Medien: http://taz.de/1/archiv/detailsuche/?tx_hptazsearch_pi1[search_term]=schleichwerbung&tx_hptazsearch_pi2[submit_button].x=0&tx_hptazsearch_pi2[submit_button].y=0

  • HV
    Hans van Aken

    Funkzellen-Auswertung? Es ist schon haarsträubend,

    was sich staatliche Stellen immer wieder Neues

    einfallen lassen, um die Privatsphäre des Bürgers

    auszuspionieren. Die Unverdächtigen sind dann wohl

    so eine Art "Kollateralschaden". Werde irgendwie den

    Verdacht nicht los, daß da noch viel altes Denken

    aus DDR-Zeiten im Spiel ist.

    Und wo bleibt der Gleichheitsgrundsatz vor dem Gesetz,

    wenn man nur die Handy-Nutzer (und von denen auch nur

    die, die ihr Gerät benutzt haben) bespitzelt, die ohne

    aber nicht (oder die, die auch ohne ständiges Gequassel

    auskommen), dafür aber die Anwohner ringsum gleich mit,

    obwohl die ja nun garnichts mit der vor dem Hause stattfindenden Demo zu tun haben.

    Der Deutsche scheint eine unselige und unausrottbare

    Tendenz zum Totalitären zu haben. Ich wünsche Peter

    Schaar viel Erfolg in unser aller Sinne diesen

    Mißbrauch zu bekämpfen.

  • Z
    Zyniker2

    Und als nächstes verbieten die sogenannte Flashmob Versammlungen. Danach ist aufgrund des Schutzes der öffentlichen Einrichtungen und privaten Grundes die Zusammenrottung von mehr als 5 Leute verboten. Findet dann auch der Spießer gut, weil ja sonst schließlich die Kosten für Säuberung, Renovierung und Polizeieinsatz der Steuerzahler tragen muß. Und wenn es um unsere Steuergelder geht, sind wir ja auch bereit die Demokratischen Freiheiten einzuschränken. Überwachung gehört damit logischerweise dazu. Ein ehrlicher Bürger (einer der alles mitmacht, sich nicht wehrt und friedlich kräftig konsumiert) hat ja schließlich nichts zu befürchten. Wer sich ordentlich verhält, kann sich auch mit ruhigen Gewissen überwachen lassen. Das sind alles Vorbereitungen auf die totale undemokratische Unterdrückung der Bürger, damit wenn es hier demnächst so richtig ab geht, weil unser System und unsere Werte und Währung zusammenbricht, sich erst gar nicht ein Wiederstand und Protest a la Griechenland oder Spanien oder gar Nordafrika bilden kann.