■ Datenschützer brauchen mehr: Genug der Klage
Wer das Amt des Datenschützers übernimmt, sollte den Papierkorb gleich neben den Schreibtisch stellen. Jahr für Jahr werden die Mißbräuche öffentlicher Verwaltungen in dicken Broschüren gegeißelt, ebenso häufig stereotyp von Behörden zurückgewiesen und von Abgeordneten gelangweilt goutiert. Dabei ist es paradox: Wohl kaum wird heutzutage in der Auseinandersetzung mit der DDR- Geschichte so ausgiebig über Geheimnisverrat und Datenwut diskutiert. Dabei rückt die hierzulande staatlich geduldete Sammelei nur gelegentlich in die Schlagzeilen, obwohl ihre Gefahren seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts zugenommen haben. Während die Verwaltungen gelegentlich zum Gebrauch des Reißwolfs gezwungen werden, nutzen die Unternehmen den bislang rechtsfreien Raum schamlos aus. Krankenkassen hängen den Info-Tropf an den gläsernen Patienten, die Bahn senkt auf Kosten des reisenden Citibank-Kunden ihr Milliardendefizit, Privatdetekteien schnüffeln Arbeitnehmern hinterher. Daten sind zur heißbegehrten Dienstleistungsware geworden, die weltweit gehandelt wird. Angesichts der rasanten Entwicklungen wirken die Datenschützer wie verfassungsrechtlich sanktionierte Greenpeace- Akteure für das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Individuums. Dabei wäre es an der Zeit, die gesetzliche Kontrolle privaten Datenmißbrauchs auszuweiten. Klagen mögen hilfreich sein. Auf Dauer aber ermüden sie nicht nur die – frustrierten – Datenschützer selbst, sondern auch die Öffentlichkeit. Severin Weiland
Siehe auch Seite 30
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