Datenaffäre bei der Bahn: Signale auf Rot für Mehdorn
Der Druck auf den Bahnchef hat sich durch neue Hinweise auf massenhafte Überprüfungsaktionen verstärkt. Politiker von SPD und FDP sprechen von Rücktritt.
Berlin ap/afp/reuters Nach dem Bekanntwerden eines weiteren massenhaften Datenabgleichs bei der Deutschen Bahn rücken erstmals auch führende SPD-Politiker von Konzernchef Hartmut Mehdorn ab. Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, schloß selbst einen Rücktritt nicht mehr aus. Angesichts von Meldungen, dass im Jahr 2005 sämtliche Mitarbeiter auf Korruption überprüft worden seien, sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger: "Wenn das so wäre, wird sich Herr Mehdorn nach einer neuen Tätigkeit umsehen müssen." Wenn die Anschuldigungen zuträfen und Mehdorn davon gewusst habe, sei es "schlimm; wenn nicht, ist es auch schlimm".
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), sagte der Zeitung, der Vorgang sei "geeignet, das Ansehen der Bahn weiter zu schädigen. Und es kann nicht sein, dass sie scheibchenweise mit der Wahrheit herausrückt. Es ist höchste Zeit, dass die Bahn alle Karten auf den Tisch legt."
Die Bahn selbst hatte am Dienstagabend mitgeteilt, eine Ausweitung der Datenschutzaffäre sei möglich. Derzeit sei noch kein Ende der Ermittlungen abzusehen. "Mögliche weitere Vorgänge" seien nicht auszuschließen. In einem Schreiben des Verkehrsministeriums, das der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt, geht hervor, dass das Unternehmen 2005 offenbar die komplette Belegschaft von damals rund 220.000 Beschäftigten überprüfte. Bislang hatte die Bahn nach monatelangen Ermittlungen den Abgleich von Adress- und Kontodaten von 173.000 Mitarbeitern eingeräumt.
"Mehdorn hat seine letzte Chance vertan", erklärte der FDP-Verkehrsexperte Horst Friedrich. Er forderte die Bundesregierung auf, "öffentlich Stellung zu nehmen und zu erklären, welche Konsequenzen sie ziehen will." Erforderlichenfalls werde die FDP beantragen, dass auch Mehdorn am Mittwoch kommender Woche im Verkehrsausschuss des Bundestages "Rede und Antwort stehen muss".
Der Chef der Bahn-Gewerkschaft GDBA, Klaus-Dieter Hommel, warf dem Unternehmen "katastrophales Krisenmanagement" vor. Eine Personaldiskussion allein um Mehdorn sei derzeit jedoch wenig hilfreich. Der gesamte Vorstand stehe in der Verantwortung. Auf einer "zeitnahen" außerordentlichen Sitzung des Aufsichtsrates, müssten endlich alle Fakten auf den Tisch kommen und bewertet werden. "Ob das Maß voll ist, werden wir in den nächsten Tagen sehen", sagte Hommel.
Mehdorn selbst wies Vorwürfe zurück, er habe zu den großangelegten Datenabgleichen in seinem Unternehmen nicht vollständig informiert. Sein Verhalten sei "keine Salamitaktik, sondern entspricht dem natürlichen Gang sehr schwieriger Ermittlungen".
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