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„Das wird eine spannende Kiste“

■ Interview mit dem Stahlwerke-Betriebsrat und linken SPD-Seiteneinsteiger Peter Sörgel zu der Koalition mit der CDU

taz: Der Seiteneinsteiger Peter Sörgel hat in Bremen eine linke Geschichte. Viele engagierte Arbeiter und Gewerkschafter wissen das – auch außerhalb der Hütte – und haben die Hoffnung gehabt, daß der linke Flügel der SPD gestärkt wird. Wird nun Peter Sörgel für eine große Koalition stimmen?

Peter Sörgel: Ich bin nach einer langen Überlegung, wo ich mich politisch organisiere, in die SPD eingetreten. Das war ja eine politische Entscheidung, keine Schönwetter-Entscheidung. Es wird in der SPD-Fraktion eine Besprechung des Ergebnisses der Koalitionsverhandlungen geben, das werde ich vertreten, eindeutig. Es ist völlig ausgeschlossen, daß ich sage: Ich mache jetzt, was ich will.

Was willst Du einbringen in die bremische SPD-Politik?

Vor allem eines: Wir dürfen nicht zulassen, daß diese Stadt weiter auseinanderfällt. Die Leute, die in benachteiligten Stadtteilen wohnen, haben das Gefühl, für sie ist Politik nicht mehr da. Das ist das Kernproblem. „Die tun nichts für uns“ ist ein verbreitetes Mißbehagen. Das hat man im Viertel nicht so, das ist überversorgt, da kriegst Du alles. Ein kleines Beispiel: Das Herbert-Ritze-Bad ist geschlossen worden, da sind inzwischen die Scheiben eingeschmissen, und das Stadionbad ist natürlich noch da.

Darf man das Sozialressort der CDU überlassen? Die Schulen?

Ich weiß bestimmte Entwicklungen, was die Koalitionsverhandlungen anbelangt, noch nicht. Es wird darauf ankommen, auch über die Unterversorgung von Lehrern in diesen Stadtteilen zu reden. In diesen Randgebieten sind besonders viele Kinder aus benachteiligten Familien...

... da wird eher gekürzt...

Genau, darüber muß man reden,

.. wenn die CDU da regiert, wird es wenig zu reden geben.

Da wird man sehen, wie das im Einzelfall besprochen wird. Ich mache mir da nicht viele Illusionen. Ich bin auch als Betriebsrat immer letztlich auf einen Kompromiß angewiesen gewesen: Klar, daß es da Dinge gibt, wo man sagt scheiße ...

Im DGB haben viele für Rotgrün getrommelt, weil sie wußten, was eine große Koalition bedeutet. Seit der SPD-Mitgliederbefragung herrscht Schweigen.

300 Betriebs- und Personalräte haben sich für eine ökologische Wirtschaftspolitik ausgesprochen. Trotz Müllsack-Diskussion und trotz einer gewissen Fremdheit gegenüber den Grünen. Das ist ein erstaunliches Zeichen. Da muß man anknüpfen.

Auch bei einer Regierung Rotgrün wäre es um Kernfragen gegangen, die jedesmal bedeuten, daß man Leute trifft und verletzt. Die Frage ist, ob wir eine gerechte Verteilung der Lasten hinbekommen.

Die CDU wird zur Hälfte das mitdefinieren, was gerecht ist.

Die Frage ist natürlich, sehen wir in der CDU nur eine Wirtschaftspartei, die knallhart zu Lasten der Menschen in dieser Stadt ihre Politik durchzieht. Ich weiß das noch nicht genau. Es wird an bestimmten Fragen sehr hart werden...

... die CDU braucht einen Sörgel: Der sorgt dafür, daß an der Gewerkschaftsfront sozusagen Ruhe ist.

Ich will gewerkschaftliche Forderungen einbringen. Ich glaube, daß erstmal die SPD mich deshalb braucht. Über 100.000 Arbeitsplätze hängen an der Industrie...

Auch die SPD braucht Peter Sörgel, um die Sachzwänge zu vermitteln in ihr Klientel hinein.

Es wird an vielen Punkten um Sachzuwänge gehen. Aber ich lasse mir nicht irgendwelche Vorlagen geben und nicke. Ich bin ein kritischer Mensch, auch sehr selbstkritisch.

Die Kollegen haben gesagt: Naja, mal sehen. Mal sehen, ob er sich durchsetzt. Das wird schwer sein. Dennoch: Das wird eine spannende Kiste werden. Ich werde mich da hineinwühlen, ohne meine Basis zu verlieren.

Willst Du Betriebsratsvorsitzender auf der Hütte bleiben?

Ich will auf jeden Fall im Betriebsrat bleiben.

Aber nicht Vorsitzender?

Wir haben das intern sehr genau besprochen, wie wir das im Verlaufe des Jahres machen.

Aber Du bist auch Präsident der Arbeiterkammer...

Eben, ich kann mich ja nicht zerreißen. Int.: K.W.

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